Waffe (Quelle: Rbb)

- Gaddafi-Sohn auf Waffeneinkaufstour in Deutschland? Hat die Rüstungskontrolle versagt?

Der Aufstand in Libyen ist zwar beendet, aber eine Frage ist noch immer nicht geklärt: Wie kamen hunderte Waffen der deutschen Rüstungsschmiede Heckler & Koch nach Tripolis. KONTRASTE hatte darüber berichtet, jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Heckler & Koch selbst dementiert, Waffen nach Libyen geliefert zu haben. Unsere Autoren haben da allerdings ihre Zweifel. Susanne Katharina Opalka, Detlef Schwarzer und Kurt Pelda.

Ein Wochentag im Jahr 2003. Eine schwere schwarze Limousine fährt bei Heckler & Koch vor - einer der bekanntesten deutschen Waffenschmieden. Im Wagen: Saadi al Gaddafi, einer der Söhne des libyschen Diktators, begleitet von einem Botschaftsangehörigen. So die Schilderung des ehemaligen Bodygards des Gaddafi -Sohns, Stefan Teubert, der auch mit dabei war.

KONTRASTE hat den ehemaligen Fallschirmjäger der Bundeswehr ausfindig gemacht und exklusiv interviewt. Er hat damals, sagt er, auf Wunsch von Gaddafi Junior den Kontakt zu Heckler & Koch aufgenommen.

Stefan Teubert, Personenschützer
„Ich habe dann selbst dort angerufen, bin dann verbunden worden mit der Geschäftsleitung.“
KONTRASTE
„Was haben Sie gesagt, wer Sie sind?“
Stefan Teubert, Personenschützer
„Ich habe meinen Namen genannt, ich bin der Personenschützer vom Saadi al Gaddafi, und der ist zurzeit Gast in München bei uns. Und der möchte gerne Maschinengewehre, Waffen kaufen.“
KONTRASTE
„Und wie hat Heckler & Koch am anderen Ende reagiert?“
Stefan Teubert, Personenschützer
„Sehr offen, das ist überhaupt kein Problem. Kommen Sie bei uns vorbei, wir bereiten alles vor.“

Es ging womöglich um diese Waffen G 36 – eins der modernsten Sturmgewehre aus deutscher Produktion.

Für den Gaddafi-Clan war es zu dieser Zeit eigentlich unmöglich, deutsche Waffen zu kaufen. Weil Gaddafi Massenvernichtungswaffen produzieren wollte, herrschte 2003 ein EU-Waffenembargo. Keine Waffe aus europäischer Produktion durfte an das geächtete Regime geliefert werden.

Sommer 2011, die libysche Rebellion: Deutsche G-36 Sturmgewehre sind doch nach Libyen gelangt. Die Rebellen haben sie bei der Erstürmung des Gaddafi-Palastes in Tripolis erbeutet.

Mit dieser Waffe belegt KONTRASTE bereits im September: es sind Waffen aus der Heckler & Koch-Waffenschmiede in Oberndorf. Diese charakteristischen Prägungen auf dem Gewehrgehäuse belegen das. Nur: die Seriennummer ist herausgefräst und durch eine fiktive ersetzt worden. Die Waffen sind illegal nach Libyen gelangt.

Heckler & Koch erklärt daraufhin: Die Firma habe damit nichts zu tun, sie habe zu keinem Zeitpunkt Waffen nach Libyen geliefert. Dennoch sind die Waffen in Libyen. Die KONTRASTE - Recherchen schlagen hohe Wellen. Auch der Bundestag verlangt nun Aufklärung. Im Oktober erklärt Heckler & Koch in einer Stellungnahme, Zitat:
„Die in Libyen aufgetauchten Heckler & Koch Waffen konnten aufgrund der internen Überprüfung einer legalen und genehmigten Lieferung nach Ägypten aus dem Jahr 2003 zugeordnet werden.“

Kriegs-Waffen wie die G 36 dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung exportiert und nicht weitergegeben werden. Eine schriftliche Versicherung des Empfängerlandes reicht. Sie wird einfach abgeheftet. Kontrollen vor Ort gibt es nicht. Die Bundesregierung verzichtet generell auf Inspektionen. Das hat der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken in einer parlamentarischen Anfrage bestätigt bekommen.

Jan van Aken (Die Linke), MdB
„Kein Mensch in der Bundesregierung hakt nach, versucht rauszubekommen die Seriennummer, über welchen Weg ist es dahin gekommen. Da könnte die Bundesregierung aktiv werden, das tut sie aber nicht. Sie guckt ganz bewusst weg.“

Deswegen hat die Bundesregierung bis heute keine Ahnung, ob die Gewehre jemals in Ägypten waren, dort noch sind oder auch nicht.

Wir fragen uns, stimmt die Version von Heckler & Koch überhaupt, dass die Waffen in Libyen aus Ägypten kamen.

Deshalb die Frage an Personenschützer Stefan Teubert: Wie liefen die Verhandlungen zwischen dem Gaddafi-Sohn und Heckler & Koch damals eigentlich ab? Mehr als drei Stunden lang habe sich der Libyer vom Geschäftsführer die Fabrik zeigen lassen.

Stefan Teubert, Personenschützer
„Wir haben uns dann verabschiedet. Der Geschäftsführer, der Herr Mauch, verabschiedete sich sehr nett und freundlich von dem Herrn Saadi al Gaddafi und von dem Mann von der libyschen Botschaft.“

Sie machen sich auf den Weg zurück nach München. Unterwegs fragt Teubert den Gaddafi-Sohn, wie es denn gelaufen sei:

Stefan Teubert, Personenschützer
„Hab ich ihn gefragt, was aus seinem Geschäft jetzt geworden ist bei Heckler & Koch, ob es funktioniert hat, dass er Waffen gekauft hat – hat er gesagt: Ja, er hat ein schönes Geschäft gemacht. Er hätte deutsche Gewehre – sprich: „German Guns“ als Präsent - sprich als Geschenk - für seinen Vater gekauft. Und das war anscheinend für ihn ein sehr gutes Geschäft, weil er war ganz guter Laune dabei.“

Stefan Teubert zeigt uns ein Bild vom ehemaligen Geschäftsführer Mauch. Auf Nachfrage von KONTRASTE bestreitet der aber, Saadi al Gaddafi je getroffen zu haben.

Wir haben Zweifel: Sind Waffen vielleicht doch direkt nach Libyen geliefert worden? KONTRASTE macht sich wieder auf den Weg nach Tripolis. In dieser Woche gelingt es, ein G-36 Sturmgewehr genau zu untersuchen, von einem Libyer, der nicht erkannt werden will.

Wieder ist die Seriennummer offenbar gefälscht. Die anderen Prägungen aber sind original. Dokumente, dass die Waffe von der zuständigen Behörde ordnungsgemäß geprüft worden ist im Jahr 2003.

Nachdem wir die Waffe aufgeschraubt haben, finden wir weitere Prägungen, auf dem Lauf etwa diesen Bundesadler, nur: er ist unvollständig, die Beine fehlen. Eigenartig.

Auch finden sich Signaturen, die auf ein neueres Baujahr schließen lassen. Das Kürzel „KV“ zum Beispiel wird nach Auskunft von Waffenexperten erst nach 2003 benutzt.

Und: Wir finden noch ganz andere Waffen als das G 36, etwa die Maschinenpistole MP 5 von Heckler & Koch.

All diese Hinweise lassen darauf schließen: es kamen verschiedene Ausführungen der Waffen in Libyen an und sie stammen womöglich aus unterschiedlichen Lieferungen und nicht nur – wie Heckler &Koch behauptet – aus der einen Lieferung nach Ägypten.

Doch zu all diesen Ungereimtheiten erhalten wir von Heckler & Koch keine Antwort.

Auch Personenschützer Teubert wollte damals wissen, wie der Deal überhaupt zustande kommen soll.

Stefan Teubert, Personenschützer
„Ich habe daraufhin auch einen Mitarbeiter von Heckler & Koch gefragt, der für mich zuständig war zu dem Zeitpunkt und der erkläret mir dann, dass das kein Problem wäre, wenn das BKA das genehmigen würde, dann wäre die ganze Sache legal und dann würden die Waffen auf dem Botschaftsweg nach Libyen transportiert.“

Die libysche Botschaft in Berlin. Kann es sein, dass über libysches Diplomatengepäck illegal Waffen von Deutschland nach Libyen transportiert wurden – mit Wissen des Bundeskriminalamts?

Ein Hinweis dafür: Nach KONTRASTE-Recherchen hatte es allein 2002 und 2003 zwischen der libyschen Botschaft und Heckler & Koch dutzende Male Kontakt gegeben.

Illegale Waffendeals mit Hilfe deutscher Behörden? Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, hätte Deutschland einen handfesten Waffenskandal.

Das Bundeskriminalamt hat uns übrigens kurz vor der Sendung telefonisch mitgeteilt: Man habe beim BKA keine Kenntnis vom Besuch des Gaddafi-Sohns bei Heckler und Koch gehabt und es habe auch keine Anfrage der libyschen Botschaft gegeben. Wir werden weiter recherchieren.