Theaterkritik | "89/90" im Hans-Otto-Theater - Viel Klamauk – aber der Humor geht doch verloren

Sa 24.10.20 | 11:13 Uhr
Szene aus dem Theaterstück "89/90" im Hans-Otto-Theater Potsdam. (Quelle: Thomas M. Jauk)
Audio: Inforadio | 24.10.2020 | Annette Kufner | Bild: Thomas M. Jauk

Der letzte Sommer der DDR aus Sicht eines 16-Jährigen: Das Theaterstück "89/90" nach dem Roman von Peter Richter feierte jetzt im Hans-Otto-Theater Premiere. rbb-Kulturreporterin Annette Kufner hat es sich angeschaut – und den Witz des Buches vermisst.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Theaterinszenierung von "89/90" ist so gar nicht, was man erwarten könnte, wenn man den gleichnamigen Roman von Peter Richter gelesen hat.

Acht Schauspieler stehen an diesem Abend auf der Bühne. Zwischen ihnen liegt ein riesiger Lenin-Kopf. Dahinter steht auf Holzbeinen der Schriftzug "Not in Kansas Anymore" – ein Zitat aus "Der Zauberer von Oz", das auch ausdrückt, dass eine Person aus ihrer gewohnten Welt herausgerissen worden ist.

Die acht Schauspieler teilen sich an diesem Abend die Rolle des Ich-Erzählers. Doch obwohl sie beinahe Wort für Wort den Inhalt des Buches rezitieren – die Atmosphäre, die sie in die Reithalle des Potsdamer Hans-Otto-Theaters bringen, hat nur noch wenig mit der Laune des Buches zu tun.

Humorvoll und zackig

Denn das Buch von Peter Richter ist humorvoll und zackig geschrieben. Die Geschichte handelt von einem 16-Jährigen, der so naiv wie aufsässig durch die letzten Tage der DDR segelt. Dann fällt die Mauer. Und plötzlich muss er sich entscheiden: links oder rechts, Punk oder Fascho. Denn die Faschos - die sind plötzlich überall.

Im Buch liest sich das so:

"Das, was da jetzt aufmarschiert kam, das sah aus wie gerade aus einem Straflager befreit und vom Roten Kreuz eingekleidet. Vierzehnjährige liefen in Bomberjacken rum, die gar keine waren, sondern ganz dünne, billige Imitate, die gab es vermutlich bei Aldi oder bei Tchibo, da hatte das Begrüßungsgeld für mehr nicht gereicht.

Ins Gas mit dir, du Linke Sau! Rief einer, kein Witz, vielleicht dreizehn Jahre alt, und meinte: mich! Was macht man da? Ich kann ja leider keine Kinder schlagen. Und das kleine Arschloch wusste das und lachte."

Viel Klamauk und übertriebener Gestus

So kommt der Geschichte von Peter Richter witzig und unaufgeregt daher. Das Theaterstück, das Regisseurin Fanny Brunner und Dramaturg Christopher Hanf daraus gemacht haben, schafft es leider nicht, den Witz des Buches auf die Bühne zu übertragen. Stattdessen gibt's dort viel Klamauk und die Inszenierung wirkt allzu oft theatralisch und übertrieben.

Etwa Neues bringen einzig die DDR-Kostüme, die im Laufe des Stücks durch goldene Gewänder und Clownsschminke ersetzt werden. Aber auch das mag nicht so recht zur Erzählung von Straßenkampf und besetzen Häusern passen.

Allerdings ist es auch gar nicht so einfach, mit Sprechtheater einem Buch beizukommen, dessen Sprache und Ton so spezifisch und ohnehin schon so vollkommen sind. Stellt sich die Frage: Warum eigentlich noch ein Theaterstück daraus machen? "89/90" von Fanny Brunner hat diese Frage jedenfalls nicht beantworten können.

Sendung: Inforadio, 24.10.2020, 09:55 Uhr

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