Weihnachtsausstellung in Berlin - Von A wie Advent bis Z wie Zoff

Sa 27.11.21 | 15:45 Uhr | Von Tomas Fitzel
Still aus Videoclip "We Three Queens" mit Manila Luzon, Peppermint & Alaska Thunderfuck. USA, 2018. Directors: Brad Hammer & Shawn Adeli (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von PEG Records)
Audio: rbbKultur | 27.11.2021 | Tomas Fitzel | Bild: Mit freundlicher Genehmigung von PEG Records

Selbst wenn man denkt, man wisse alles über Weihnachten, bietet diese Sonderausstellung im Museum Europäischer Kulturen in Berlin doch noch Überraschendes: ein Weihnachts-ABC inklusive Gesellschaftskritik. Von Tomas Fitzel

Betritt man die Ausstellung im Museum Europäischer Kulturen in Dahlem, nimmt man als erstes viel silbern glitzerndes Lametta wahr – und zwar in Form von Vorhangschnüren, die man beiseiteschieben muss. Begrüßt wird man zudem von in Gold gewandeten Dragqueens, die in einem schrillen Pop-Video von den drei heiligen Königinnen singen und Maria, die keinen Sex hatte und trotzdem einen Sohn zur Welt brachte.

Für die stellvertretende Direktorin des Museums für Europäische Kulturen, Iris Edenheiser, ist diese Ausstellung auch eine Abschiedsvorstellung, bevor sie von Berlin nach Dresden wechselt. Ihr Konzept "Weihnachten von A bis Z" war für sie einerseits ein sehr spielerischer Zugang, zugleich auch eine Herausforderung: "Da alle Buchstaben vorkommen müssen, muss man sehr viel um die Ecke denken - findet aber dann aber auch Sachen, die man gar nicht kannte."

Ansicht der Ausstellung „A wie Advent, Z wie Zoff. Ein Wiehnachts-ABC" (Quelle: Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen / Christian Krug)
| Bild: Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen / Christian Krug

Wo und wann?

Von A bis S wie Shitstorm

A wie Adventskalender, das liegt auf der Hand und allein mit Adventskalendern aller Art könnte man schon Säle füllen. Iris Edenheiser beschränkt sich aber pro Buchstabe immer nur auf Weniges. Als Adventskalender hat sie einen mit besonders – wenn man so will - verführerischem Inhalt ausgesucht – freigegeben ab 18 Jahren und gefüllt mit lauter Sex-Spielzeug. Aber es finden sich auch ganz traditionelle Objekte wie eine sorbische Tracht oder eine Weihnachkrippe – diese allerdings gehäkelt und im Sechser-Eierkarton gewissermaßen für die Handtasche.

Weihnachtskugeln dürfen auch nicht fehlen. Diese sehen aus wie das Coronavirus und sorgten im letzten Jahr in den sozialen Medien für einen regelrechten Shitstorm, wie Iris Edenheiser erklärt. Dabei wurden sie von Kindern in der Grundschule Prieros in Brandenburg gebastelt für einen Weihnachtsbaum in einem der Bundestagsgebäude. Jeder zynische Gedanke war den Kindern dabei wohl völlig fremd. Die Kugeln hängen unter P wie Pandemie.

"Christkind - dźěcátko 2, Trebendorf – Trjebin". Aus der Serie "Irrlicht", Detail (Quelle: Yana Wernicke)

N wie Nichtnachhaltigkeit

Etwas weiter vorn im Alphabet findet sich ein Video des britischen Dokumentarfilmers Tobi Smith. Er hat im sogenannten Christmas Village in der chinesischen Großstadt Yiwu gedreht, denn dort wird mehr als die Hälfte aller weltweit verkauften Weihnachtsdekorationen hergestellt. Unterlegt ist das Video mit einer Version von Jingle Bells auf Chinesisch. "Das Video zeigen wir unter N wie Nachhaltigkeit", erklärt Edenheiser. "Eigentlich müsste man es N wie Nichtnachhaltigkeit nennen, denn Weihnachten ist eine absolute Katastrophe, was die Müllproduktion angeht."

So springt man wild durcheinander von Buchstabe zu Buchstabe. Kaum hat man sich akustisch von Jingle Bells erholt, droht schon der nächste Ohrwurm: Die Filmmusik von Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Vor dem großen Bildschirm stehen zwei bequeme, blaue Sessel, in die man sich fallen lassen kann, denn der Film läuft in Endlosschleife. "Da gibt es kein Entrinnen, denn alle lieben es. Uns geht es hier um F wie Fernsehen, denn das gemeinsame Fernsehschauen ist ja schon eine geradezu ritualisierte Feiertagspraxis in vielen Familien geworden." Spannend ist natürlich auch, was unter so schwierigen Buchstaben X, Y, Z oder Q zu finden ist, aber dazu soll an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden.

Mit freundlicher Genehmigung von PEG Records (Quelle: Toby Smith)

Debatte um Weihnachtstraditionen

Die Ausstellung ist bunt, schräg, mit einem Augenzwinkern - und doch kritisch. So greift sie auch die Diskussion um den sogenannten Zwarte Piet in den Niederlanden auf. Der schwarz bemalte Helfer des Sankt Nikolaus ist höchst umstritten. Seit einigen Jahren macht eine wachsende Masse von Niederländern auf den Rassismus aufmerksam, der in der Figur steckt.

Es geht um Diversität, Klima, Konsum und Kolonialismus und was der Markt an kritischem Diskurs so alles bietet. Aber eben ohne moralisch didaktischen Zeigefinger, betont Iris Edenheiser. "Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir eine Gestaltung wollen, die gerade die schwierigen Themen visuell ein bisschen überzuckert und man dadurch die Themen von hinten durch die Brust ins Auge mitkriegt."

Sendung: rbbKultur, 27.11.2021, 09:45 Uhr

Beitrag von Tomas Fitzel

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