Folge 3 - Veränderung - "Wir haben mit einer Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens in der Krise gerechnet"
Jaana Stiller spürt als Mutter zweier Kinder und als Lehrerin, dass sich das Leben und die Erziehung seit Beginn der Pandemie verändert haben. Sie muss nicht nur ihren eigenen Kindern den Umgang mit dem Virus verständlich machen, sondern auch ihren Schülerinnen und Schülern an einem Gymnasium in Berlin-Lichtenberg.
Dazu kommt noch ein anderer Arbeitsalltag, das Unterrichten mit Maske, und ihr fällt es schwer, manche Regeln in der Schule durchzusetzen. Wie erklärt man Kindern den veränderten Alltag, dass sie immer voneinander Abstand halten sollen? Wie viel Realität ist den Kindern zumutbar?
Kinder lernen schnell – sie können sich meist viel besser an neue Umstände anpassen als Erwachsene, das sagt Julia Asbrand. Sie ist Juniorprofessorin für Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychologie und Psychotherapie an der Humboldt Universität zu Berlin. Im Gespräch mit Karoline Schuch erklärt sie, dass man nicht unterschätzen solle, was Kinder spüren. Jaana ist als Lehrerin beispielsweise dazu verpflichtet, Kindern ihrer Schule Umarmungen zu untersagen. Anhand von diesem Beispiel erklärt die Professorin Julia Asbrand, dass man abwägen müsse und im besten Fall nicht panisch dazwischen gehen solle. Besser spreche man danach mit den Kindern und versucht Ihnen die Lage ganz plastisch zu erklären.
Eine andere Herausforderung in Jaanas Alltag als Lehrerin ist die Maske. Nicht nur die Stimme ist am Ende des Tages sehr angestrengt. Als Lehrerin leitet sie sehr viel aus den Gesichtern ihrer Schülerinnen und Schüler ab – mit Maske sieht sie nur noch die Augen und sie hat die Sorge, dass die Kinder auch sie nicht richtig "lesen" können. Julia Asbrand macht in diesem Zusammenhang auf eine Studie aus diesem Jahr aufmerksam, die herausgefunden hat, dass wir Menschen aus den Augen allein tatsächlich schon sehr viel ablesen können.
Julia Asbrand und Karoline Schuch sprechen in dieser Folge außerdem darüber, wie sich der Stress der Eltern auf ihre Kinder überträgt. Und sie gehen der Frage nach, ob es eine "Generation-Corona" geben wird – eine Generation die distanzierter, weniger körperlich ist.
Jaana und ihr Ehemann arbeiten beide in systemrelevanten Berufen. Sie müssen keine Kurzarbeit oder einen Jobverlust fürchten. Die Familie versucht sich immer wieder bewusst zu machen, dass es ihnen im Vergleich zu anderen Menschen in dieser Zeit sehr gut geht. Zu Anfang der Pandemie fiel der Familie dieser andere Alltag noch leicht – sie wussten nicht was die Zukunft genau bringt, aber sie wussten eins: Alle bleiben zuhause. Mit dem zweiten Lockdown ist das nun schon schwieriger. Denn die Pandemie begleitet unsere Welt jetzt schon ein dreiviertel Jahr und langsam wächst die Ungeduld. Jaana macht die Planungsunsicherheit zu schaffen und gleichzeitig wächst die Hoffnung mit dem neuen Impfstoff.
Aber wie geht es den Kindern in Zeiten der Pandemie? Eines steht fest: Kinder weisen bereits jetzt mehr Symptome im Bereich Angst und Depressionen auf – die Zahlen haben sich verdoppelt. Zahlen dafür liefert beispielsweise die Copsy-Studie, die im Sommer 2020 vorgestellt wurde: Sie steht für Corona und Psyche und ist eine Online-Befragung, an der über 1000 Kinder und Jugendliche und deren Eltern teilgenommen haben. Die Ergebnisse wurden mit einer Langzeitstudie aus der Zeit vor Corona ins Verhältnis gesetzt, und demnach schätzen 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen ihre Lebensqualität als schlecht ein. Vor Corona waren es 15 Prozent.
Da die Psychotherapeuten und Psychologen schon mit Beginn der Pandemie mit diesen psychischen Problemen gerechnet haben, hat die Humboldt-Uni eine virtuelle Beratung eingerichtet: Aury heißt das Tool.
Julia Asbrand erklärt, wie Auri funktioniert und erklärt, wie eine digitale Hilfestellung bei psychischen Problemen helfen kann.
Shownotes:
Ihr müsst Euch einfach mal die Seele vom Leib reden? Ihr habt Sorgen oder Probleme, die Ihr allein nicht mehr handeln könnt? Hier findet ihr weiterführende Links zu ersten Anlaufstellen:
Die Nummer gegen Kummer bietet
• Das Kinder- und Jugendtelefon: 11 6 11 (Mo-Sa 14-20 Uhr)
• Das Elterntelefon: 0800 111 0 550 (Mo-Fr 9-17 Uhr)
Berliner Krisendienst | Wege aus der Krise: Das Hilfeangebot des Berliner Krisendienst
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Psychologische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
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