
Folge 4 - - Angst - "Reden wir jetzt hier wieder vom schulisch angeleiteten lernen, kriege ich schon wieder Panik und Schweißattacken."
Michaela ist Mutter zweier Kinder und Verwaltungsleiterin an zwei Berliner Schulen. Sie und ihr Mann erkranken Anfang des ersten Lockdowns an Scharlach. Ihre Schwester kippt mit einem Herzstillstand um und liegt auf der Intensivstation, die Schweigermutter verstirbt unerwartet - und dazu die Corona-Pandemie.
Um ihren Alltag zu schaffen, steht Michaela jeden Tag vor allen anderen um 03:50 Uhr auf, ihr Mann arbeitet im Schichtdienst.
Karoline Schuch möchte in dieser Folge wissen: Was gibt Kraft, solche großen Schicksalsschläge zu verarbeiten? Und wie können wir mit unseren Ängsten umgehen, denn Angst scheint plötzlich omnipräsent in der Gesellschaft zu sein:
Angst vor Ansteckung, Angst vor Menschenmengen, Angst vor dem Alleinsein, Angst vor finanziellen Einbußen. Die systemische Therapeutin Dr. Henriette Heise begegnet Ängsten während der Arbeit in ihrer Praxis in Berlin-Mitte oft. Aber: Auch sie selbst hat Ängste. Denn Angst haben ist etwas ganz Normales. Sie dienen unserem Instinkt zu überleben. Wenn Ängste allerdings zu stark werden, das heißt den Alltag dominieren, werden sie zum Problem für den betroffenen Menschen selbst und auch für sein Umfeld.
Henriette Heise sagt, in einem solchen Fall muss man sich auf das konzentrieren, was einem Kraft gibt. Was tut mir denn gut? Womit fühle ich mich wohl? Was sind diese Situation, in denen ich nicht an meine Ängste denke, in denen ich vollkommen abgelenkt bin und an etwas anderes denken? Und wie kann ich diese vielleicht öfter herbeiführen? Und im Umkehrschluss natürlich auch was sind Situationen, in denen ich ganz stark daran denke und sehr darunter leide? Und wie kann ich das vielleicht reduzieren? Am Beispiel von Michaela sieht sie ganz klar, dass ihre Kinder die Kraftquelle sind. Für ihre Kinder ist sie stark und wuppt diesen harten Alltag.
Was im Kampf gegen Ängste allerdings gar nicht hilft, ist der Versuch, sie einem auszureden. Die Pandemielage mit der Ungewissheit darüber, wie es morgen weitergeht und der Tatsache, dass es da etwas Unsichtbares gibt, dass uns alle im Griff hat, macht vielen Menschen momentan zu schaffen. Henriette Heise spricht dabei über sogenannte Kontinenz-Ängste: Das sind Ängste, ohne eine reale Gefahr. Diese Art der Ängste potenzieren sich seit den letzten Jahren stetig, beispielsweise durch terroristische Anschläge, politischem Extremismus, plötzlichen Naturkatastrophen oder eben durch eine Pandemie.
Aus einer Angst, die seit Monaten anhält, können sich schwere Angststörungen entwickeln. Und genau diese werden immer häufiger diagnostiziert. Das bestätigen 150 Psychiater und Psychotherapeuten in einer Online-Befragung der Betriebskrankenkasse Pronova. Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen: Die Fälle nehmen auch genau in dieser Reihenfolge zu und auch die Krankschreibungen bei den Krankenkassen.
Wann wird aus einer Angst eine Angststörung und was kann ich tun, wenn die Angst sich in der Nacht anschleicht, größer wird und für Schlafstörungen sorgt, darüber sprechen Karoline Schuch und Dr. Henriette Heise in dieser Folge.
Shownotes:
Ihr müsst Euch einfach mal die Seele vom Leib reden? Ihr habt Sorgen oder Probleme, die Ihr allein nicht mehr handeln könnt? Hier findet ihr weiterführende Links zu ersten Anlaufstellen:
Berliner Krisendienst | Wege aus der Krise: Das Hilfeangebot des Berliner Krisendienst
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