Seit zehn Jahren wird am BER gebaut - Ein Spatenstich ohne die erhofften Folgen

Mo 05.09.16 | 07:45 Uhr | Von Thomas Rautenberg
ARCHIV - Der symbolischen Spatenstich nahe dem Flughafen Berlin-Schönefeld bei Berlin im Jahr 2006 (Quelle: Patrick Pleul/dpa)
Audio: Inforadio | 04.09.2016 | Thomas Rautenberg | Bild: dpa-Zentralbild

Vor zehn Jahren nahmen Herren in dunklen Anzügen für den neuen Flughafen in Schönefeld die Schaufeln für den symbolischen Spatenstich in die Hand. Damals wurde gefeiert, heute nur noch gebangt: Denn noch immer ist offen, wann der BER eröffnet. Ein Rückblick auf zehn Jahre Pleiten, Pech und Pannen. Von Thomas Rautenberg

Wie haben sie seinerzeit zugepackt, am Sandhaufen der Flughafengeschichte: Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sprach mit dem Spaten in der Hand "von einem guten Tag für die Region" und für Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sollte der Aufschwung nun offenbar auch auf dem Luftweg kommen: "Dieser Flughafen wird der gesamten Region und darüber hinaus Chancen geben, die wir ohne ihn mit Sicherheit nicht hätten." Und – das sie hier nachgetragen - bis heute nicht haben. Denn in Schönefeld wird gebaut, was immer das Wort "bauen" an Ostdeutschlands größtem Infrastrukturprojekt bedeutet.

Im Oktober 2011 sollte der Willy-Brandt-Flughafen in Betrieb gehen. Fünf Jahre nach diesem ersten angestrebten Termin wird dagegen der Neubau saniert, der Kabelsalat beseitigt und an einer Brandschutzanlage herumgetüftelt, die Insider nur das Monster nennen. Alle Warnungen, dass der Bau stagniert und in Zeitverzug geraten war, bügelte der damalige Aufsichtsratschef, Berlins Regierender Klaus Wowereit locker ab: "Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, denn das ist beschlossen, dass es fertig wird." Und sorgte mit dieser Aussage für großes Gelächter in der Runde der Anwesenden.

Kampf mit Kabeln und Korruption

Das Lachen ist den Beteiligten inzwischen vergangen. In künftigen Quizsendungen könnte eine Frage lauten: Welche, der genannten Personen, hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht als Flughafengeschäftsführer versucht: Rainer Schwarz, Horst Ammann, Hartmut Mehdorn, Jochen Großmann oder Frank Winter. Winter wäre die richtige Antwort gewesen - er ist Oberstaatsanwalt in Brandenburg und hat mehrfach wegen Korruption gegen BER-Verantwortliche ermittelt.

Erst dieser Tage stand ein Baubereichsleiter vor Gericht. Er hatte sich von einer Gebäudeausrüsterfirma mit 150.000Euro - verpackt in einem Briefumschlag und übergeben auf einer Autobahnraststätte - schmieren lassen. 2014 sollte Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn den Pleitebau retten. Als auch er nach einem Jahr entnervt das Handtuch warf, gab er seinem Nachfolger Karsten Mühlenfeld eine Warnung mit auf den Weg: "Wenn man neu hier antritt, kann man eigentlich gar nicht ahnen, was einen hier drin erwartet."

Verheddert in endlosen Genehmigungsverfahren

Mühlenfeld übernahm den BER mit dem einzigen Versprechen: Im Herbst 2017 soll der Flughafen endlich eröffnet werden. Doch hat auch er sich inzwischen in halbfertigen Umbauten und endlosen  Genehmigungsverfahren verheddert. Was den heutigen Aufsichtsratschef und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zu dem Eingeständnis zwingt: "Dass ich auch nach dem heutigen Stand nicht mehr ausschließen kann, dass wir mit der Eröffnung im Jahr 2018 landen."

Berliner haben den Glauben an den BER verloren

Egal wann der BER in Betrieb gehen wird, die Kosten für Prestigeprojekt haben sich seit dem Spatenstich von zwei auf rund 5,4 Milliarden Euro fast verdreifacht. Monatlich kommen rund 30 Millionen Euro an Stillstandkosten hinzu. Der BER als ein einziges Debakel - kann man das auch anders sehen? Kann man, so, wie seinerzeit Klaus Wowereit: "Ich freue mich immer darüber, dass viele Leute mich ansprechen und sagen, Herr Wowereit, wir sind so glücklich, dass wir noch von Tegel fliegen können."

Die Berliner haben den Glauben an den BER längst verloren. Im laufenden Wahlkampf jedenfalls spielt das Thema keine Rolle.

Chronologie: Der lange Weg zum neuen Flughafen

  • 2016:

  • 2015: Neuer Flughafen-Chef Mühlenfeld kämpft mit Altlasten

  • 2014: Hick-Hack um neuen Termin - und um Mehdorn

  • 2014 - Dauerbrenner: Schall- und Brandschutz, Personaldebatte

  • 2013: Mehdorn soll es richten

  • 2013: Vierte Verschiebung im Januar - Es knirscht im Aufsichtsrat

  • 2012 - 2013: Dritte Verschiebung - U-Ausschuss soll Pannen klären

  • 2012: Eröffnung platzt erneut - die Planer müssen gehen

  • 2009 - 2011: Die Eröffung wird verschoben / Streit um Flugrouten

  • 2005 - 2008: Baustart mit Hindernissen

  • 2000 - 2004: Grünes Licht für den BBI

  • 1989 - 1999: Gedankenspiele und ersten Planungen

Beitrag von Thomas Rautenberg

Das könnte Sie auch interessieren

Archivbild: Der Flughafen Tegel im Januar 2020 (Bild: imago images/Jürgen Ritter)
imago images/Jürgen Ritter

Flughafen TXL schließt - Tegel gehörte zur DNA dieser Stadt

Hier wurden Staatsgäste, Weltmeister und Rockstars empfangen, pendelten Geschäftsleute und starteten Urlauber: Am Sonntag geht im Flughafen Tegel endgültig das Licht aus. rbb-Reporter Ulli Zelle wird ihn vermissen - freut sich aber auch auf den Neustart des Sechsecks.