Sichtung vor der Fussilet-Moschee - Observation von Amri trotz Kontakt zu Islamisten beendet

Do 06.04.17 | 22:29 Uhr
Der Hauseingang zu den Räumen des Moschee-Vereins «Fussilet 33» in der Perleberger Straße in Berlin-Moabit, aufgenommen Ende Januar 2017 (Quelle: dpa/Rainer Jensen)
Video: Abendschau | 06.04.2017 | S. Opalka/S. Adamek/J. Goll/N. Siegmund | Bild: dpa/Rainer Jensen

Im Fall Anis Amri gibt es weitere Ungereimtheiten. Obwohl die Polizei beobachtete, dass der spätere Attentäter im Juni Kontakt zu gewaltbereiten Islamisten hatte, stellte sie kurz darauf die Observation ein. Ein Untersuchungsausschuss steht vorerst nicht zur Debatte.

Im Fall Anis Amri müssen sich die Berliner Polizei und die Innenverwaltung des Berliner Senats erneut eine zweifelhafte Entscheidung sowie mangelnden Aufklärungswillen vorwerfen lassen. Grund sind Informationen aus einem behördeninternen Dokument, das dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) und der Berliner Morgenpost vorliegt.

Demnach beobachtete die Berliner Polizei den als Gefährder eingestuften Amri am 9. Juni 2016 in Begleitung der polizeibekannten und als gewaltbereit geltenden Islamisten Soufiane A. und Maximilian R. vor der Fussilet-Moschee, die als Dschihadisten-Treff galt. Dennoch wurde die Observation Amris nur sechs Tage später beendet. Innensenator Andreas Geisel (SPD) und der Leiter des Landeskriminalamtes, Christian Steiof, hatten die Beendigung der Maßnahme später damit begründet, dass Amri vor allem als Kleinkrimineller im Dealer-Milieu aufgefallen sei.

"Informationspolitik des Senats ist unterirdisch"

Über die dem rbb und der Berliner Morgenpost vorliegenden Erkenntnisse hatten Geisel und die Berliner Polizei bislang nicht informiert. Erst am Donnerstag nahm Geisel dazu im Abgeordnetenhaus Stellung - auf Nachfrage des FDP-Abgeordneten Marcel Luthe.

Die Experten seien damals zu dem Schluss gekommen, dass von Amri keine unmittelbare Anschlagsgefahr ausgehe. Der vom Senat eingesetzte Sondermittler müsse nun herausfinden, "ob auch aus damaliger Sicht andere Entscheidungen hätten getroffen werden können oder müssen", sagte Geisel. Den Vorwurf mangelnder Aufklärung wies er zurück. Dass es immer wieder neue Erkenntnisse gebe, sei "die Eigenschaft solcher Untersuchungen".

Der FDP-Innenexperte Luthe kritisierte dagegen, dass die Verwaltung die Abgeordneten nicht von sich aus über die Sichtung Amris unterrichtet habe. "Die Informationspolitik des Senats ist unterirdisch", sagt Luthe. "Es wird immer nur eingeräumt, was offensichtlich und nicht mehr zu leugnen ist."

Trotz allem vorerst kein Untersuchungsausschuss

Trotz der neuerlichen Ungereimtheit wird es im Berliner Abgeordnetenhaus vorerst keinen Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag an der Gedächtniskirche geben.

Die Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grüne sowie die CDU votierten am Donnerstag in namentlicher Abstimmung gegen einen entsprechenden FDP-Antrag. Die AfD stimmte mit den Liberalen dafür. Die Koalition und die CDU verwiesen auf den vom Senat eingesetzten Sonderermittler, dessen Ergebnisse es abzuwarten gelte. Die FDP nannte es absurd, dass ein von der Regierung ernannter Ermittler mögliche Fehler der Regierung aufklären solle: "Die Koalition und der alte Koalitionspartner CDU haben heute gezeigt, dass sie an einer schnellen Aufklärung des Anschlags nicht interessiert ist, denn wer das will, nutzt alle Möglichkeiten der Aufklärung", sagte Luthe stellvertretend.

Der Tunesier Amri war am 19. Dezember mit einem LKW auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast und hatte insgesamt zwölf Menschen getötet. Er wurde wenige Tage später auf der Flucht in Italien erschossen. Inzwischen ist bekannt, dass Amri den Behörden als islamistischer Gefährder bekannt war, der zwar zeitweise beobachtet, aber letztlich nicht festgesetzt oder abgeschoben wurde.

Mit Informationen der Redaktion Investigatives und Hintergrund, Jo Goll

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