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Berlin steht für kulturelle Diversität, städtebauliche Vielfalt und eine wechselhafte Geschichte voller Schicksalsschläge. Paul Spies, der Direktor des Stadtmuseums Berlin präsentiert uns im Märkischen Museum wie zusammenkommt, was nicht zusammen gehört - Berliner Geschichte kompakt.
Roter Backstein, wohin man blickt. Dazu ein Mann auf einem Fahrrad, und er kommt auch noch aus den Niederlanden. Ein stimmiges Bild. Wir sind mit Paul Spies verabredet, dem Herrn Direktor hier. Das Märkische Museum ist ein wunderliches Haus, findet er.
Paul Spies, Direktor Stadtmuseum Berlin
"Das ist eine Art virtual reality von 1908. Hier, das Element ist eher ein Rathaus mit einem noch älteren Rathausturm, Renaissance und Mittelalter. Und dann eine Art von Kirchenteil, könnte auch ein Rittersaal oder ein Bürgersaal. Und da hinten, ja, was ist das? Wahrscheinlich eine Kirche oder ein Kloster gewesen – aber es ist nicht wirklich so."
Auch im Innenhof ist fleißig gepuzzlet worden – Märkischer Stilmix. Damals, als man sich in Berlin das erste Stadtmuseum der Welt leistete sollte es etwas ganz Neues sein.
Paul Spies, Direktor Stadtmuseum Berlin
"Normalerweise war es eine Art Tempel, mit Säulen an der Vorderseite und großen Räumlichkeiten dahinter. Das kennen wir von der Museumsinsel, von den Museen, die dort gebaut worden sind. Das ist eine ganz andere Atmosphäre hier. Hier ist wirklich versucht worden, "modern" zu sein und Geschichte zu erzählen anhand von Kontextarchitektur."
Von Berliner Geschichte erzählt das Märkische Museum außen und natürlich innen. Von glanzvollen und düstersten Tagen. Ist man drinnen empfangen einen zunächst Skulpturen, sakrale Kunst. Und eine drei Tonnen schwere Glocke, die Wilsnacker Glocke, Jahrgang 1471. Sehr beeindruckend, aber irgendwie...
Paul Spies, Direktor Stadtmuseum Berlin
"Das Problem ist nur, es ist jetzt so zentral in diesem Saal aufgestellt, dass man nicht viel mehr Anderes machen kann, weil es die Sicht wegnimmt. Wenn da ein Podium ist und die Leute sitzen hier – dann hat man immer die Glocke im Blick."
Ein Treppchen führt in die Dauerausstellung. Berliner Geschichte kompakt, manchmal kurios. Ein Beispiel für viele internationale Einflüsse: ein Gruß aus Paul Spies’ Heimat. Die Möhre ist Mensch geworden, gemalt 1699. Damals war das Gemüse eine Neuheit. Brandenburg und die Oranier.
Paul Spies, Direktor Stadtmuseum Berlin
"Diese Beziehung, Holland – Brandenburg, das war eine sehr direkte. Da nimmt man seine eigenen Sachen mit – ja, Möhren, die gab’s hier noch nicht. So wie viele andere Sachen, die die Hugenotten mitgebracht haben so wie Weißbrot und Knoblauch haben die Holländer Möhren mitgenommen."
Niedrige Decken, dunkele Hölzer, das ist zwar mittelalterlich-atmosphärisch, aber für Ausstellungsmacher eine ständige Prüfung.
Paul Spies, Direktor Stadtmuseum Berlin
"Überall Fenster, was sehr schön ist, um in den Park hinauszuschauen und die Verbindung innen-außen zu haben. Aber: man kann nichts aufhängen und das Licht ist auch… Wenn die Sonne da ist ist es hier licht, wenn sie nicht da ist ist es hier dunkel."
Zum Glück gibt es ja noch den Turm – ab 2025 soll er, wenn alles klappt, der Öffentlichkeit zugänglich sein. Es gibt übrigens auch uneingeschränkte Fans des Märkischen Museums - Tara Mohammadi zum Beispiel, die uns die Turmtüren öffnet und seit drei Jahren hier arbeitet.
Tara Mohammadi, Museumswärterin
"Hier ist wirklich mein Lieblingshaus, das ich wirklich sehr mag und ich arbeite hier gerne, besonders hier auf dem Turm. Eigentlich ist richtig historisches Haus."
Und von hier oben lässt sich dann hervorragend über die Zukunft der Stadt philosophieren. 100 Jahre nach Groß-Berlin.
Paul Spies, Direktor Stadtmuseum Berlin
"Na, man sieht hier oben so schön: Die Stadt wir vollgebaut. Es muss wieder ein Sprung gemacht werden. Wir sind eigentlich auf dem gleichen Punkt als vor hundert Jahren."
Autor: Steffen Prell