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Der Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Matthias Wemhoff, führt durch die Germanen-Ausstellung, die einige Vorurteile über das Volk hinter dem Limes - römische Fake News - aus dem Weg räumt.
Bilder aus "Die Hermannschlacht" (1924) | Quelle: lwl-medienzentrum.de
So stellt man sich das doch vor:
Da kommt ne zottelige Herde aus dem Wald und gibt den Römern was auf die Nuss. So ist er halt, der Germane. Man muss man sich nicht den Abhang hinunterstürzen, sondern kann die Treppe nehmen – zur Germanen-Ausstellung. Klischees sind dazu da, hinterfragt zu werden. Fake News aus dem alten Rom wirken immer noch nach.
Matthias Wemhoff, Direktor Museum Vor- und Frühgeschichte
"Tacitus schreibt immer nur von den dunklen Wäldern und von den einsamen Höfen und Häusern, die da sind. Das ist wirklich völlig zugespitzt und grundfalsch."
"Es sind große, offene Landschaften mit Feldern, mit Getreide, die ne große Rolle spielen. Viehhaltung, da unten läuft die Rinderherde raus. Die Lebensgrundlage ist die Landwirtschaft, ist das Leben in Dörfern."
Bei Germanens zuhause. Immer neue Grabungsfunde bereichern das Bild von diesem Volk, dass sich selber wohl gar nicht so genannt hat. Noch so eine römische Erfindung. Selten erhalten ist Hausrat aus Holz.
Matthias Wemhoff, Direktor Museum Vor- und Frühgeschichte
"Es gab auch ganz interessante Sachen, wie hier dieses Brett, das geschnitzt ist und das gehörtevsicher zu nem Möbel. Wir kennen aus etwas jüngerer Zeit auch schon richtige Stühle, die da vorhanden waren. Man darf sich das Innere eines solchen Hofs nicht zu primitiv vorstellen."
Auch kostbarer Schmuck, feine Schmiedearbeiten sind erhalten geblieben. Mit einem durchaus eigenen Kunststil – auch das gab es also, zumindest für Einige. Und für die Dame? Handelsgut von der Ostsee. Bernstein is a girl‘s best friend.
Matthias Wemhoff, Direktor Museum Vor- und Frühgeschichte
"Man sieht natürlich schon, dass diese Frau ne herausragende Stellung gehabt hat. Sie gehörte absolut zur Elite und Reichtum und Reichtumsanzeiger war offenbar nicht nur auf Männer beschränkt, sondern war etwas, was auch bei Frauen deutlich vorhanden ist. Die Frauen haben in den germanischen Strukturen durchaus auch Macht und Einfluss besessen."
Germanen und Römer haben sich aber nicht nur gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Das Grab von Lübsow fand man schon vor über 100 Jahren. Ein einflussreicher Herr ist hier beerdigt worden - mit Glas und Silber aus Rom.
Matthias Wemhoff, Direktor Museum Vor- und Frühgeschichte
"Es gibt in germanischen Gebieten´ne Elite, die sich herausbildet und die eigene Repräsentationsformen findet. Bei denen römisches Material auch eine Rolle spielt. Also, der Limes ist keine unüberwindbare Mauer gewesen sondern es gibt ein ganz eifriges Hin und Her."
Dafür bekriegten sie sich auch untereinander. Heterogen und weit verbreitet – hier kommen Funde einer Knochenwerkstatt in Rumänien. Viele Fragezeichen gibt es auch noch. Zum Beispiel wenn es um den Umgang mit Schlachtenbeute geht.
Matthias Wemhoff, Direktor Museum Vor- und Frühgeschichte
"Es gibt in der Zeit den Brauch, dass alles, was man in einer Schlacht erobert, nicht benutzt wird, um seine Waffenkammer selber besser auszustatten oder sich das persönlich anzueignen, sondern es wird nach der Schlacht dem Moor übergeben und versenkt."
Waffen ins Moor werfen – eigentlich ganz sympathisch. Und in Sachen Nachhaltigkeit waren die Germanen auch vorne dran. Römischer Metallschrott wurde weiterverarbeitet. Upcycling nennt man das heute.
Matthias Wemhoff, Direktor Museum Vor- und Frühgeschichte
"Es kommt eigentlich nichts weg, das ist ja doch ne ganz erstrebenswerte Grundhaltung, dass man das alles weiter benutzen kann, sei es noch so klein."
Im fünften und sechsten Jahrhundert war dann dennoch Schluss, vor allem hier in der Region.
Matthias Wemhoff, Direktor Museum Vor- und Frühgeschichte
"Wie sie sehen, sehen sie nichts. Die Germanen sind verschwunden."
Die Slawen haben dann später erfolgreich übernommen. Die Germanen hatten ganz offenbar ihren Spaß gehabt.
Autor: Steffen Prell