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Der Teillockdown ist für viele freie Kulturschaffende und alternative Kulturorte existenzbedrohend. Die DT-Schauspielerin Kathleen Morgeneyer befürchtet, dass nur Mainstream-Kultur die Krise überleben könnte. Sie hat deshalb den Solidarischen Adventskalender des Deutschen Theaters initiiert.
Kathleen Morgeneyer ist unterwegs in Neukölln. Vor ein paar Wochen hatte die Schauspielerin die Idee, sich mit Künstlern der Freien Szene zu treffen. Sie schrieb einen Brief an die Kollegen im Theater und begeisterte diese für ihre Solidaritätsaktion.
Kathleen Morgeneyer, Schauspielerin
"Ich möchte, dass diese Grenze zwischen Häusern, die öffentlich gefördert werden, und den Freien durchlässiger wird. Ich empfinde diese Pandemie als Umwälzung der Gesellschaft und wünsche mir, dass wir uns auch in künstlerischen Gesprächen darüber austauschen."
In der Sonnenallee trifft sich Kathleen Morgeneyer mit dem Komponisten und Produzenten PC Nackt. Sie schätzt seine Musik. Für die Band von PC Nackt lief es gut. Das Künstlerkollektiv "The String Theory" hatte gerade eine neue Platte aufgenommen.
PC Nackt, Komponist und Produzent
"Im Januar sind wir euphorisch nach LA gefahren. Wir waren für den Grammy nominiert und dachten, es erwartet uns das beste Jahr ever. Wir hatten Konzerte hier und drüben verabredet. Alles ist geplatzt. Gefühlt steht zwischen dem Jetzt und meiner Erinnerung an das letzte Konzerte diese Masse an Corona-Erfahrungen."
Einige aus der Band müssen inzwischen als Paketzusteller jobben. Auch wenn sie gerade kein Geld mit ihrer Kunst verdienen, machen sie weiter Musik
PC Nackt, Komponist und Produzent
"Wir sind ein bißchen wie Sportler. Kreativität ist auch etwas, das trainiert gehört wie ein Muskel. Ich finde, es ist ein logischer Reflex, in die Produktivität zu gehen. Wir sind stand by für den Tag, an dem es wieder losgeht."
Wie Kathleen Morgeneyer sind auch andere Schauspieler aus dem Ensemble des Deutschen Theaters unterwegs, um Gespräche zu führen. Diese Begegnungen werden gefilmt. Jeden Tag im Advent wird eine davon auf der Internetseite des Theaters zu sehen sein. Dabei sollen Spenden gesammelt werden für die Freie Szene.
Kathleen Morgeneyer trifft an diesem Tag noch andere Künstlerinnen. Im Urbanraum ist sie verabredet mit Susanne Soldan und mit Friederike Erhart. Auch der Urbanraum kämpft um seine Existenz.
Friederike Erhart, Urbanraum
"Wir hatten gerade im August eine dreifache Mieterhöhung. Wir waren fast froh, dass wir sie von der angekündigten fünffachen Erhöhung auf die dreifache herunterhandeln konnten. Das ist natürlich in dieser Krisenzeit sehr, sehr schwierig."
Kathleen Morgeneyer, Schauspielerin
"Wenn ich mir vorstelle, dieser Raum würde wegfallen, das wäre ja ein riesiger Verlust. Es gibt ja jetzt nicht mehr so viele von diesen Räumen, wo etwas stattfinden kann."
Susanne Soldan, Tänzerin
"Alle, die hier regelmäßig unterrichten und Workshops geben, könnten ja dann auch nicht mehr arbeiten."
Susanne Soldan ist freischaffende Tänzerin. Sie lebt auch davon, hier im Urbanraum Kinder zu unterrichten.
Kathleen Morgeneyer, Schauspielerin
"Susanne kenne ich, weil meine Töchter Unterricht bei ihr haben. Nicht Ballett oder Modern Dance. Sondern es ist so eine Art Unterricht, wo ich sie danach erlebe, als hätte man sie ganz sanft auf eine andere Wolke gesetzt. Das ist eine ganz wunderbare Qualität."
Für Kathleen Morgeneyer ist es wichtig, dass durch die Gespräche mehr über die Künstler bekannt wird. Sie hofft, dass sich viele Menschen die Filme im Netz anschauen
Kathleen Morgeneyer, Schauspielerin
"Da ist eine viel größere Bereitschaft, sich zu verändern, seine Lebensumstände zu verändern und wirklich über eine andere Form der Gemeinschaft nachzudenken, als ich es in den politischen Stimmen höre. Das war schon eine Überraschung. Es geht gar nicht nur darum, wie wir als Künstler überleben, als Theater oder Tänzer, sondern darum: Wie überleben wir als Menschen?"
In den nächsten Tagen werden Kathleen Morgeneyer und ihre Kollegen aus dem Deutschen Theater die Filme fertig schneiden. Am 1. Dezember öffnet sich dann das erste Türchen des Solidarischen Adventskalenders.
Autorin: Birgit Wolske