
-
Anna Opel hat ein Buch geschrieben über den späten Widerständler Albrecht Haushofer und dazu einen Audiowalk gestaltet. Von den Nationalsozialisten inhaftiert schrieb Haushofer Gedichte, seine welthaltigen "Moabiter Sonette", die als Teil des Audiowalks seine Geschichte erzählen.
Manchmal sieht man die Dinge erst spät, oder es dauert, bis der Blick geschärft ist. Anna Opel wohnt schon lange gegenüber von diesem Friedhof in Moabit – aber was das für ein Ort ist? Immer is was…
Anna Opel, Autorin
"Ich bin da ganz oft hingegangen, wir haben da auch schon mal Ostereier gesucht…"
Irgendwann hat sie doch begonnen, sich stärker zu interessieren - für dieses Gegenüber.
Anna Opel, Autorin
"Das Grab ist richtig in der Ecke dahinten, in der letzten Ecke."
Da hinten in der Ecke. Neulich, zu seinem Geburtstag, hat Anna Opel hier eine Rose hingestellt, für Albrecht Haushofer, einen weniger bekannten Widerständler gegen das NS-Regime.
Anna Opel, Autorin
"Es ist sehr auffällig, dass Albrecht Haushofer zwischen diesen beiden groben Kategorien Opfer und Täter im Nationalsozialismus so dazwischen hängt und auch im Verlaufe dieser Jahre da ne Entwicklung durchgemacht hat."
Albrecht Haushofer ist Geograph, aus streng konservativem Elternhaus, hoch gebildet. Sein Vater ist mit Rudolf Hess befreundet. Man kennt sich aus dem ersten Weltkrieg. Das schützt auch den Sohn. So kann Haushofer trotz jüdischer Herkunft seiner Mutter eine Laufbahn machen, wird Hochschulprofessor und außenpolitischer Berater. Doch schließlich kann er den Blick nicht mehr abwenden. Als Mitwisser des Attentats vom 20. Juli gerät er nach abenteuerlicher Flucht in Haft, auch hier in Moabit, im damaligen Zellengefängnis.
Anna Opel hat ein Buch geschrieben über diesen späten Widerständler und einen Audiowalk gestaltet. In Haft schreibt Haushofer Gedichte, seine "Moabiter Sonette".
Ausschnitt Gedicht / Audiowalk
"Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt ist unter Mauerwerk und Eisengittern ein Hauch lebendig…"
Mithäftlinge berichteten später, Haushofer habe in der Haft ruhig gewirkt, ganz bei sich.
Anna Opel, Autorin
"Was natürlich für uns widersprüchlich erscheint, dass man in der Haft, wo man eigentlich jeder Freiheit beraubt ist zu sich selbst findet und vielleicht so ne innere Freiheit gewinnt, in dem Wissen, als Teil des Widerstands auf der richtigen Seite zu stehen."
Der Audiowalk vollzieht den letzten Weg Haushofers nach, vorbei an garstigen Berliner Unorten. Auch darum geht es Anna Opel: wie sieht es heute aus? Was ist noch spürbar? Unter den ICE-Gleisen hindurch, hier wurde Albrecht Haushofer in den letzten Kriegstagen erschossen. Sein Bruder Heinz findet ihn drei Wochen später.
Heinz Haushofer, Bruder von Albrecht Haushofer (1988)
"Als wir uns daran machten, diese Toten zu begraben fand ich eben bei meinem Bruder zwischen seiner Hand und dem Mantel den er trug das Manuskript der "Moabiter Sonette", die er offenbar im letzten Moment herauszuziehen bemüht war, um irgendwie zu verhindern, dass sie mit ihm begraben würden."
Der ULAP-Park, ein frühes Messegelände war hier einmal. Nur ein Stück Treppe ist geblieben. Vorbei an vielen Stolpersteinen durch die Thomasiusstraße in Moabit, hier wohnte eine Freundin und Helferin von Albrecht Haushofer. Aus der Haft schreibt er an sie:
Ausschnitt / Audiowalk
"Gasmaske nicht nötig, für Papier sehr dankbar. Alles Gute."
Zurück am Friedhof in der Wilsnacker Straße, ein Notfriedhof damals, 300 Menschen wurden hier im Frühling 1945 beerdigt – auf Handkarren aus der Nachbarschaft hierher gebracht.
Anna Opel, Autorin
"Die Tatsache, dass der Ort so n bisschen vergessen und verlassen ist erzählt auch etwas darüber, dass die Geschichte eben auch versinkt und immer droht, vergessen zu werden."
Wie bewahrt man die Erinnerung? Am Ehrengrab für Albrecht Haushofer wird dreimal im Jahr wird die Schale gewechselt. Doch das Beste ist es wohl, den Blick zu schärfen.
Autor: Steffen Prell