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Der israelische Klarinettist Nur Ben Shalom hat sich auf die Suche nach Melodien aus der Zeit des Holocaust gemacht. Es sind Melodien, die zum großen Teil in Vergessenheit geraten sind. Sie wurden zwischen 1933 und 1945 komponiert oder aufgeführt, oft in Konzentrationslagern. Nun bringt sie Nur Ben Shalom sie wieder zum Erklingen.
Für Nur Ben Schalom ist heute ein wichtiger Tag. In der Synagoge in der Pestalozzistrasse laufen die Proben für sein Konzert zum Holocaust-Gedenktag. In diesen Zeiten ist das eine seltene Ausnahme, die Zeit muss gut genutzt werden. "Lebensmelodien" heißt das Projekt, an dem er mit seinem "Nimrod Ensemble" arbeitet.
Nur Ben Shalom, Klarinettist
"Wir spielen hier in der schönen Synagoge in der Pestalozzistrasse. Es ist das zweite Konzert dieser Reihe. Wir spielen dann unten im Saal. Hier oben proben wir nur."
Nur Ben Shalom hat Melodien gefunden, die in der Zeit des Holocaust entstanden. Jede Melodie erzählt eine Geschichte, ein Schicksal jüdischen Lebens. Sie wurden zwischen 1933 und 1945 von jüdischen Musikern komponiert oder gesungen. Aus der Musik haben sie Kraft geschöpft.
Nur Ben Shalom, Klarinettist
"Manche von ihnen wussten, dass sie sterben werden. Manche von Ihnen haben verstanden, dass das ihr letzter Moment ist. Und sie hatten immer noch den Wunsch etwas zu erschaffen. Ich denke, das sind Zeugnisse. Sie wollten, dass ihre Geschichten und ihre Musik gehört werden."
Jedes Ensemblemitglied ist Pate für eine Melodie und deren Geschichte. Auch die Bratschistin Francesca Zappa aus Italien.
Francesca Zappa, Bratschistin
"Es gibt Geschichten von Leid, die schwer zu ertragen sind. Ich habe die Geschichte von Mario Melli gelesen. Er kommt aus Florenz. Ich habe gelesen wo er verhaftet wurde. Das sind Straßen, die man jeden Tag lang geht. Sie sind voll mit Restaurants, Cafes und Museen. Ich habe gemerkt, wie leicht es ist, zu vergessen."
Nur selten gibt es greifbare Erinnerungen, wie dieses Foto des jungen Mario Melli.
Nur Ben Shalom, Klarinettist
"Dieser junge Mann wurde in Auschwitz umgebracht. Es ist toll, wie er komponierte und wie diese Melodie zu uns gekommen ist, nämlich durch einen Freund. Dieser Freund gab uns das Manusript."
Auch die Synagoge in der Pestalozzistrasse, erinnert an jüdisches Leben in Berlin. Sie wurde 1938 von den Nazis zerstört. – Ein guter Grund, gerade hier zu spielen, meint Sänger und Kantor Isodor Abramowitsch
Isodor Abramowicz, Sänger und Kantor
"Wir spielen auch für Leute, die teilweise schon nicht mehr wissen, was passiert ist. Dieser jungen Generation müssen wir das weiter geben, weiter lehren, was hier passiert ist."
Nur Ben Schalom kam vor 13 Jahren aus Israel nach Deutschland. Viele aus seiner Familie wurden im Holocaust ermordet. Geblieben sind Fotos und ein Brief seiner Tante, die sich angesichts des Todes wünscht, dass jemand sie rächt. Nur Ben Shalom hat ihren Wunsch anders ausgelegt.
Nur Ben Shalom, Klarinettist
"Ich bin weder Soldat, noch Politiker. Ich kann nur auf meinem Gebiet etwas machen. Wenn du diese Musik spielst und sie zum Teil des aktuellen Kulturlebens machst, dann kämpfst du gegen Antisemitismus."
Nur Ben Shalom hat wegen seines Projekts selbst schon Anfeindungen und Drohungen erlebt. Er wird weitermachen. Antisemitismus, sagt er, kann man nur begegnen, wenn man immer wieder erinnert. Wie mit diesem Konzert. Am 27. Januar wird es live bei rbbKultur übertragen.
Autorin: Theresa Majerowitsch