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Die Berliner Kulturszene ist bekannt für ihre mutigen, originellen und vielfältigen Performance-Künstler*innen. Allerdings hatten diese es auch schon vor dem Lockdown schwer, von ihrer Kunst zu leben. Die Pandemie hat viele in eine tiefe Krise gestürzt.
Wenn Mona sich verwandelt, dann kommt ihre Kunstfigur "Very Confused" zum Vorschein. Vor eineinhalb Jahren zog die französische Künstlerin nach Berlin. Kurz darauf begann die Corona-Pandemie. Statt auf der Bühne ist "Very Confused" im Lockdown.
Mona, Performance-Künstlerin
"Die Figur 'Very Confused' ist in einer Zeit entstanden, in der ich sehr verwirrt über eine Menge Fragen in meinem Leben war. Ich habe darunter gelitten, nicht zu wissen, wer ich bin und wo mein Platz in der Welt ist. Wenn ich mich in 'Very Confused' verwandle, dann lasse ich mich nicht mehr von diesen Fragen quälen. Ich nehme das Verwirrtsein, als einen Teil von mir an und gebe ihm ein Gesicht."
Als "Very Confused" aufzutreten, ist für Mona mehr als ein Job. Es ist Balsam für ihre Seele.
Mona, Performance-Künstlerin
"Schon allein sagen zu können: 'Heute abend werde ich 'Very Confused' sein, ihr könnt euch eine Karte kaufen und mir dabei zusehen', ist toll! Es bedeutet, für das was ich bin nicht abgelehnt zu werden, sondern sogar dafür bezahlt zu werden. Das hat etwas sehr heilsames für mich. Als eine queere Person ist es für mich ein Triumph sagen zu können: 'Ja, ich bin durcheinander, aber so gut, dass man mich dafür bezahlt'. Das ist toll! Künstlerisch ist es so, dass ich in dieser Figur etwas ausdrücke, was andere nicht sehen wollen."
Mona ist eine von dreizehn in Berlin lebenden Performance-Künstler*innen, die die kanadische Fotografin Aja Jacques portraitiert hat. "Berlin Offstage" heißt das Projekt, mit dem Sie sichtbar machen will, wie es den Künstler*innen geht
Aja Jacqies, Fotografin
"Die Idee ist entstanden als im Oktober der zweite Lockdown angekündigt wurde. Das hat mich wirklich besorgt, weil ich wusste, dass all diese beeindruckenden Performance-Künstler*innen, von denen viele zu meinem engen Freundeskreis zählen, nun wieder monatelang nicht arbeiten können. Und es gab keine Aussicht auf staatliche Unterstützung."
Aja Jacques erzählt in ihrem Projekt davon, wie existenziell die Krise gerade für diese Künstler*innen ist, die sonst in Clubs, Bars und Varietés auftreten. Auch ohne Corona hatten sie es schon schwer, als Teil des Berliner Kulturlebens anerkannt zu werden.
Aja Jacqies, Fotografin
"Ich hoffe, dass man endlich anfängt, die Performance-Künstler*innen ernst zu nehmen und ihre Arbeit zu würdigen. Denn sie gestalten letztendlich diese Kultur mit, die Berlin ausmacht und für die Berlin so berühmt ist. Sie sind ein wichtiges Aushängeschild für die lebendige Kultur dieser Stadt."
"Berlin Offstage" zeigt auch, wie verbunden sich die Künstler*innen fühlen und wie sehr sie sich in der Krise unterstützen. Die Queere Community hält zusammen. – So wie "Very Confused" und Drew, der vor dem Lockdown als Drag King "Daddy Sparkles" aufgetreten ist.
Drew, Performance-Künstler
"Mit der Pandemie ist aus etwas, was Spaß gemacht hat, etwas Belastendes geworden. Die Angst, kein Geld mehr zu verdienen, das Fehlen der Fans und Zuschauer, die applaudieren und feiern und diesen besonderen Moment kreieren in dem ich spüre: "Jetzt bin ich Daddy Sparkles". Das fehlt mir!"
Auch wenn Museen bald wieder öffnen werden: Für diese Künstler*innen gibt es noch keine Perspektive, wann sie endlich wieder vor Publikum auftreten können.
Mona, Performance-Künstlerin
"Ich mache mir Sorgen darüber, was wir aus dieser Krise machen werden. Es ist klar, dass das Leben nie mehr so sein wird, wie es war, dass wir nicht in das alte Leben zurückkehren können. Aber was machen wir daraus?"
Autorin: Charlotte Pollex