
-
Um die Welt verändern zu können, braucht es Utopien – davon ist die Politikwissenschaftlerin und Autorin Emilia Roig überzeugt. Als nicht-weiße Frau erlebt sie immer wieder Diskriminierung. Nun hat sie ein Buch mit einem utopischen Titel geschrieben: "Why We Matter. Das Ende der Unterdrückung."
Gerade gibt Emilia Roig ein Interview für einen Podcast, in dem es um Vorbilder geht. Sie hat ein Buch geschrieben, in dem sie etwas fordert, was für viele klingt wie eine Utopie: Das Ende der Unterdrückung.
Emilia Roig, Politologin und Autorin
"In der Zeit der Sklaverei war es utopisch, dass es eines Tages eine Welt ohne Sklaverei gibt. Dass Frauen das Wahlrecht haben würden, war damals auch utopisch. Dass zwei Frauen heiraten und Kinder haben, oder zwei Männer, war utopisch. Wir brauchen diese utopischen Zukünfte oder die Darstellungen davon, um überhaupt weiterzukommen."
Emilia Roig ist Politikwissenschaftlerin. Seit Jahren engagiert sie sich gegen Diskriminierung. Während des Studiums in Frankreich und an der Humboldt-Universität traf sie nur wenige Schwarze. Sie empfand ihr Leben auf einmal als privilegiert und sah, dass sie Glück hat, "oben" zu sein.
Wir alle denken in sozialen Hierarchien, in denen Schwarze, Frauen, behinderte oder queere Menschen weiter unten verordnet sind. Dabei sind diese Kategorien gar nicht eindeutig.
Emilia Roig, Politologin und Autorin
"Es gibt Menschen, die immer weiß sein werden, egal wo sie auf der Erde sind, und andere Menschen, die egal wo sie sind, auch immer schwarz sein werden. Und es gibt viele Menschen, die dazwischen liegen. Ich bin in Deutschland schwarz, in den USA schwarz, in Frankreich bin ich 'métisse', in Großbritanien wahrscheinlich 'biracial' und im Senegal bin ich für viele Menschen weiß."
In ihrem Buch erzählt sie auch von ihrer Familie, von ihrem weißen Vater, dem Arzt, und ihrer Mutter, der Krankenschwester aus Martinique, der sie sich sehr nah fühlt. Sie trägt noch heute den Nachnamen Griffit, den Namen des Sklavenhalters ihrer Vorfahren. In Frankreich erlebte Emilia Roig, was Alltagsrassismus bedeutet. Das schärfte ihren Blick für Ungerechtigkeit.
Emilia Roig, Politologin und Autorin
"Wenn wir mit meiner Mutter unterwegs waren, wurden wir gar nicht wahrgenommen, die Menschen haben uns gar nicht angeguckt. Und wenn sie das getan haben, dann war die Aufmerksamkeit, die wir bekommen haben, meistens eine negative Aufmerksamkeit. Mit meinem weißen Vater war das anders. Da war es eine positive Aufmerksamkeit: 'Oh, wie süß sind Ihre Kinder!'"
Rassismus gibt es auch in ihrer Familie. Für eine Arte-Dokumentation besuchte sie im vergangenen Jahr ihre Großeltern in der Nähe von Lille. Der Großvater, der inzwischen verstorben ist, war liebevoll, erzählt sie. Und: Ein Mann, der den rechten Front National gewählt hat. Ein überzeugter Rassist. Sogar gegenüber seiner Enkelin.
Aus der Aufzeichnung:
Emilia Roig: "Was meinst Du, was sind heute die drängendsten Probleme in unserer Gesellschaft?"
Großvater: "Heute verschwinden die Grenzen mehr und mehr. Und wenn es keine Grenzen mehr gibt, vermischen sich die Rassen."
Emilia Roig, Politologin und Autorin
"Das war keine einmalige Situation. Wir haben das unsere ganze Kindheit gehört. Das heißt, es war ein Diskurs, der uns sehr, sehr geprägt hat als Kinder. Das wurde in der Familie überhaupt nicht hinterfragt. Mein Großvater hat sich wirklich täglich rassistisch geäußert und das war auch wirklich so krasser Rassismus, wie wir es im Film hören. Aber es wurde gar nicht angesprochen oder erwidert."
Das Schweigen, sagt Emilia Roig, ist der Freund der Unterdrückung. Deshalb sei es so wichtig, Worte zu finden für die Ungerechtigkeit. In ihrem Buch hat sie all das aufgeschrieben und sie hat eine Organisation gegründet, mit der sie sich für ein gerechtes Miteinander einsetzt.
Emilia Roig, Gründerin des Center For Intersectional Justice
"Das Ende der Unterdrückung wird sehr lange dauern. Es ist ein sehr langer Prozess, ein vielschichtiger Prozess und auch nicht linear. Ich glaube, dass wir schon auf dem Weg sind, wahrscheinlich noch sehr am Anfang. Aber es hat auch lange gedauert, um dieses System aufzubauen und zu verfestigen. Und ihre Macht haben sie auch durch die Zeit bekommen. Deswegen es wird dauern, aber ich bin sehr hoffnungsvoll und zuversichtlich, dass es passiert."
Autorin: Julia Riedhammer