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Fotograf Thomas Meyer hat für eine Plakatausstellung der Agentur Ostkreuz den Stillstand in der Metropole fotografiert. Was ihm in Zeiten der Pandemie fehlt: Die Kultur, die Kunst und vor allem die KünstlerInnen.
Der Fotograf Thomas Meyer von der Agentur Ostkreuz will festhalten, was ihn in dieser Zeit berührt. Schon im Frühling vor einem Jahr hat er angefangen zu fotografieren. Da ist diese blühende Pracht vor seiner Haustür – und der Stillstand ringsum. Diesen Widerspruch und etwas Melancholie strahlt das Bild für ihn aus. Ein Corona-Zyklus ist so entstanden, mit privaten Momenten, auch am Weißensee.
Thomas Meyer, Fotograf
"Das ist mein Sohn, der versucht, nicht ins Wasser zu fallen. Das ist halt auch eine Generation, die von den Maßnahmen extrem betroffen ist. Also die Grundschüler und so. Das ist ja für die auch ganz, ganz schwer."
Vormittags bei Thomas Meyer: Hausaufgaben hochladen. Englischer Imperativ: So jongliert er zwischen Job, Kochen und Homeschooling. Dazu die Enttäuschungen, die die Kinder verkraften müssen:
Otto, Sohn von Thomas Meyer
"Also, wir haben zwei Klassenfahrten ausfallen lassen müssen – ja das finde ich doof. Und ich sollte mit meinen Freunden im Sommer eigentlich auch was Cooles machen, aber das ist auch ausgefallen."
Thomas Meyer, Fotograf
"okay, Nächstes. Oh Gott, das weiß ich auch nicht. Your bags please…"
Geduld auf allen Seiten ist gefragt.
Marie, Tochter von Thomas Meyer
"Also ich mag´s eigentlich lieber mit meiner Mutter, weil mein Vater manchmal Wutanfälle bekommt, aber es ist eigentlich ganz ok…. Also, er ist ungeduldig."
Thomas Meyer, Fotograf
"Ja, ich bin aber auch kein ausgebildeter Pädagoge. Das ist wirklich, wirklich nicht so einfach. Man hat ja selber auch noch seine Sorgen und Jobs und was weiß ich nicht."
Der neue Corona-Alltag: nichts geht und doch passiert alles zeitgleich.
Thomas Meyer, Fotograf
"... von Drittel auf Sechstel… Alles klar, danke, ja gerne, ja gleichfalls. Tschüss."
Und jetzt hat seine Frau auch noch einen neuen Job!
Thomas Meyer, Fotograf
"Es geht eigentlich ganz gut gerade, weil bei mir halt nicht so viel los ist, jobmäßig. Ich hab´ gesehen, dass die Anzahl der Jobs gesunken ist. Ungefähr um ein Drittel."
Finanziell haben sie zum Glück keine Sorgen.
Aber die Sehnsucht nach Ruhe, Reisen, Rückzugsorten, die ist in der Familie groß. Am Ende blieb im Lockdown … die Badewanne.
Thomas Meyer, Fotograf
"Und da fand ich das Bild ganz schön und zärtlich. Und dieses Wasser, was durch ihre Hände gleitet. Da fand ich aber auch so eine Erschöpfung und so."
Im Büro sortiert Thomas Meyer seine Fotos aus diesem Jahr.
Er zeigt uns auch die Fotos, für die er bekannt ist. Mit kühlem, fast sezierendem Blick hat er die Stasi-Gedenkstätte abgelichtet. Oder diese Supermarkt-Landschaft. Und Dubai. Im vergangenen Jahr aber entstehen ganz andere Bilder:
Thomas Meyer, Fotograf
"Als wir noch nicht einmal wussten, was eine FFP2-Maske ist, war dieser junge Mann schon voll ausgerüstet. Er ist natürlich ziemlich hip angezogen, hat aber auch diesen Military-Look, hat aber auch etwas Feminines. Also, das passte für mich als Porträt für diese verrückte Zeit."
Im Sommer fotografiert er dann auf der Demo gegen die Corona-Maßnahmen, ganz nah dran. Was wollen diese Menschen? Statt Klarheit entdeckt er viel Widersprüchliches.
Thomas Meyer, Fotograf
"Das ist natürlich inszeniert, weil das ist vor den Gegendemonstranten. Die haben ja die ganze Zeit geschrieen "Nazis raus." Dann fing die auf einmal an, zu rufen, per Megaphon: "Nazis raus" – zu den Gegendemonstranten."
Deutschnationale spielen sich plötzlich als Anti-Rassisten auf! Die Corona-Demo: eine höchst politische Bühne.
Thomas Meyer, Fotograf
"Es muss nicht viel passieren, damit das Ganze auseinanderfliegt, man muss auf seine Gesellschaft und seine Demokratie aufpassen, sonst isse ganz schnell weg."
Nach einem Jahr Corona fehlt Thomas Meyer so manche Gewissheit von früher! Und für eine Plakatausstellung der Agentur Ostkreuz hat er fotografiert, was sonst noch fehlt: Kultur. Kunst. Künstler. Miss you!!
Autorin: Petra Dorrmann