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Der gebürtige Brasilianer Tiago de Oliviera Pinto hat einen UNESCO-Lehrstuhl an der Musikhochschule Weimar und leitet ein deutsch-afghanisches Musik-Projekt. Musik, die wohl verstummt, wenn die Taliban durchgreifen. An seinem Institut sammelt er Aufnahmen mit klassischer afghanischer Musik. Auch in Kabul gibt es noch ein Archiv, das er jetzt retten will.
Seit Tagen seht das Telefon nicht still bei Tiago de Oliveira Pinto. Es sind verzweifelte Anrufe von afghanischen Musikern und Mitarbeitern aus Kabul. Sie werden bedroht. Von Berlin aus versucht der Musikprofessor nichts Geringes als sie und das Musikerbe Afghanistans zu retten.
Tiago de Oliviera Pinto, Musikprofessor
"Es ist ein gruseliger Zustand. Die Taliban zogen in Kabul ein und das erste was verstummte waren die Lautsprecher aus denen überall Musik erklingt. Das war schon ein sehr starkes Bild. Also, die Leute wissen ganz genau, sich mit Musik auseinanderzusetzen oder zu hören oder zu machen, das kann gefährlich sein."
Der gebürtige Brasilianer hat einen UNESCO-Lehrstuhl an der Musikhochschule Weimar und leitet ein deutsch-afghanisches Musik-Projekt. Musik, die wohl verstummt, wenn die Taliban durchgreifen. An seinem Institut sammelt er Aufnahmen mit klassischer afghanischer Musik. Auch in Kabul gibt es noch ein Archiv. Das will er jetzt retten. Ein Teil lagert in diesem Raum. Wo der sich befindet, will er lieber nicht sagen.
Tiago de Oliviera Pinto, Musikprofessor
"Es ist noch dort, auch das kann zerstört werden. Im Augenblick ist unsere direkte Maßnahme, nach Möglichkeiten zu sehen dieses Material zu sichern und versuchen aus dem Land zu bekommen. Das ist jedenfalls eine Sache die aus Sicht der jetztigen Machthaber nicht gewollt und auch nicht legal ist."
Die Aktion ist gefährlich für die Helfer. Kabul war bis vor kurzem noch eine Stadt die sich westlich orientierte. Jung und offen in punkto Musik. Frauen, die einst selbstbewusst ihr Gesicht zeigten, wollen heute nicht mehr erkannt werden, aus Angst vor den Taliban. Vor allem Musikerinnen verstecken sich jetzt.
Tiago de Oliviera Pinto, Musikprofessor
"Da war eine sehr begabte junge Dirigentin dabei, die auch das Ensemble geleitet hat. Diese Frau ist jetzt doppelt bedroht als Musikerin und auch als Frau. Sie haben wir auch mit aufgenommen. Wir haben ja für das Auswärtige Amt eine Liste der bedrohten Persönlichkeiten. Dass die, die am gefährdetsten sind, tatsächlich ausgeflogen werden können."
Die Dirigentin ist mittlerweile in Sicherheit. Viele ihrer Mitmusikerinnen aus einem Frauenorchester müssen jetzt unerkannt bleiben.
Einer ihrer Lehrer war Ustad Ghulam Hussain, ein Großmeister der klassisch-afghanischen Musik.
Er lebt seit 2015 im Exil in Deutschland. Wir erreichen ihn in einem Flüchtlingsheim in Frankfurt. Die Nachrichten aus Afghanistan sind für ihn unerträglich.
Ustad Ghulam Hussain, Musiker
"Die Musiker sind meine Familie, von Ihnen nehme ich die Kraft. Aber was soll jetzt werden? Wir wissen noch vom letzten Mal, was mit Musikern unter den Taliban passiert. Ich hoffe, dass uns Europa hilft. Ohne Musik und Musiker will ich nicht leben....viele die ich kenne, fliehen."
Ghulam Hussein wurde immer wieder von der Taliban bedroht, sein Instrument wurde vor seinen Augen zerschlagen. Nun gibt es große Angst vor der Zerstörungswut der Taliban.
Tiago de Oliveira Pinto erzählt, dass seine Musiker fürchten, dass die Taliban sie verhören oder noch schlimmeres mit ihnen vorhaben.
Tiago de Oliviera Pinto, Musikprofessor
"Musik gehört nicht in das Weltbild der Taliban. Musik ist das erste was völlig unterdrückt wird und da Musik das immaterielle Kulturerbe weltweit ausmacht, ist das die ganz große Bedrohung."
Und wieder klingelt das Telefon, sein Mittelsmann nach Kabul.
Tiago de Oliviera Pinto, Musikprofessor
- "Sind das gute Neuigkeiten?"
"Ja, es sind gute Neuigkeiten, die Überspielungen laufen jetzt und sie suchen jetzt jemand der das ausfliegen kann."
Autorin: Theresa Majerowitsch