
-
Chefdramaturg Jörg Königsdorf probt mit Musikern der Deutschen Oper für ein Konzert zum Jubiläum des Hauses. Gespielt werden Stücke aus der Zeit der Eröffnung 1961. Damals stand die Deutsche Oper vor einem Neuanfang.
Heute morgen probt Chefdramaturg Jörg Königsdorf mit Musikern der Deutschen Oper für ein Konzert zum Jubiläum. Gespielt werden Stücke aus der Zeit der Eröffnung 1961. Damals stand die Deutsche Oper vor einem Neuanfang.
Jörg Königsdorf, Chefdramaturg Deutsche Oper
"Es war aber auch eine Zeit, in der man gesucht hat, was kann man bewahren, was zur alten Oper gehört. Wie kann man die Tradition konstruktiv in eine neue Zeit überführen."
Jörg Königsdorf arbeitet seit 10 Jahren an der Deutschen Oper. Für das Jubiläum hat er sich intensiv mit der Geschichte des Hauses befasst.
Die Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1912, als das Charlottenburger Bürgertum an der Bismarckstraße eine Oper baut - als Gegenentwurf zur Hofoper Unter den Linden. Im Zweiten Weltkrieg wird das Haus zerstört und danach an gleicher Stelle wieder aufgebaut.
Jörg Königsdorf, Chefdramaturg Deutsche Oper
"Die Eröffnung dieses Neubaus am 24. September 1961 stand historisch unter einem ganz besonderen Stern. Kurz zuvor war die Mauer errichtet worden, da war die Wiedereröffnung der Deutschen Oper Berlin ein großes, kraftvolles Signal für den unbeugsamen Willen West-Berlins."
Bundespräsident Heinrich Lübke und der Regierende Bürgermeister Willy Brandt gehören zu den Gästen …
Willy Brandt zur Eröffnung 1961
"Wir haben den festlichen Rahmen bewusst schlicht gehalten. Denn Prunk ziemt sich nicht in diesen Tagen. Und schon gar nicht in diesen Stunden, in denen sich immer weitere Tragödien entlang der Sektorengrenze abspielen."
Die Deutsche Oper wird für die West-Berliner zu einem wichtigen gesellschaftlichen Treffpunkt, der Stars und Glamour in die geteilte Stadt bringt.
Jörg Königsdorf, Chefdramaturg Deutsche Oper
"Es war so vieles, was sonst große Städte auszeichnet gar nicht da in Berlin. Die Menschen brauchten einen Ort für Repräsentationen, für Treffen. Es kamen ja auch Staatsgäste nach Berlin, denen musste man was Festliches bieten. Das war dann die Deutsche Oper Berlin."
Das galt auch für den umstrittenen Schah von Persien, der 1967 Berlin besucht. Während drinnen die Zauberflöte gegeben wird, liefern sich vor der Oper demonstrierende Studenten eine Schlacht mit der Polizei. Im Tumult wird der Student Benno Ohnesorg erschossen – sein Tod radikalisiert die Studentenbewegung.
In den folgenden Jahrzehnten kracht es immer wieder im Haus an der Bismarckstraße - zwischen den Verfechtern klassischer Oper und denen, die nach neuen Wegen in der Kunst suchen. Götz Friedrich, langjähriger Intendant, setzt auf starke Regiehandschriften.
Vielen ist das zu modern. In der Oper will man sich lieber verzaubern lassen, statt gesellschaftliche Debatten zu führen. So wird Regisseur Hans Neuenfels für seine Inszenierungen regelmäßig ausgebuht.
Im Kalten Krieg versteht sich die Deutsche Oper als Hort der Freiheit und Demokratie – im Gegensatz zur Ost-Berliner Staatsoper. Nach der Wende muss die Bühne im Westen ihren Kurs neu ausrichten. Drei Opernhäuser konkurrieren nun in der vereinten Stadt um das Publikum.
Jörg Königsdorf, Chefdramaturg Deutsche Oper
"Das Bemerkenswerte ist, dass die Deutsche Oper im Gegensatz zur Komischen Oper und zur Staatsoper ihr treues Stammpublikum behalten hat. Diese Treue ist etwas ganz Tolles, was man jeden Abend wieder erlebt. Natürlich regen sich die Leute auf, aber sie kämpfen dafür, dass sie sich bei uns aufregen dürfen."
2006 gibt es in der Deutsche Oper mehr Aufregung, als ihr lieb ist. Nach einer Terror-Drohung streicht die Intendantin eine Idomeneo-Inszenierung, in der Prophet Mohammed geköpft wird. Es war nicht die letzte Debatte über die Freiheit der Kunst. Bis heute wird an der Deutschen Oper gestritten und diskutiert – so wie es zur Eröffnung vor 60 Jahren vorgesehen war.
Autorin: Birgit Wolske