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In Afghanistan ist Sadiqa Madadgar eine Berühmtheit. In der Öffentlichkeit muss sie sich vermummen, um nicht erkannt zu werden. Zusammen mit der Berliner Sängerin Petra Nachtmanova entwickelte sie in der Coronazeit einen Song für das digitale Festival: "Female Voice of Afghanistan".
Letzte Vorbereitungen für ein interkontinentales Duett. Die Sängerin Petra Nachtmanova wird ihre Duettpartnerin nicht sehen. Mittendrin, Andreas Rochholl. Für ihn war es ein weiter Weg, die beiden Musikerinnen zusammen zu bringen.
Andreas Rochholl, Poduzent
"Ein halbes Jahr lang haben zwei Musiker auf zwei verschiedenen Kontinenten digital miteinander ein Musikstück entwickelt. Und den einen Teil habe ich in Juli in Kabul in einer Boxhalle gefilmt. Und dieses Filmmaterial projizieren wir hier über die Green-Screen-Technologie, so dass die zwei Berliner Musiker mit ihrer Duo-Partnerin im gleichen Raum sitzen können."
Auf dem Bildschirm sind die beiden Sängerinnen vereint vor einem Boxring in Kabul - ein Ort von besonderer Bedeutung.
Andreas Rochholl, Produzent
"Das ist eine Männersportart, überall in der Welt und in Afghanistan noch mehr und das ist die einzige für Frauen zugelassene Boxhalle und jeder der dort ist, spürt das. Und schaut sich um und sagt: Wow, das ist möglich."
In dieser Boxhalle trainierte bis vor kurzem die Kampfkünstlerin Sadiqa Madadgar. In Kabul hat sie sich mit Anfang 20 bereits ihren Traum verwirklicht.
Sadiqa Madadgar, Sängerin
"I’m a muslim girl. But I sing a song. I’m a singer."
"Ich bin Muslima, aber ich singe Songs. Ich bin Sängerin."
Sadiqa Madadgar war eine der ersten afghanischen Frauen, die bei der Casting Show "Afghan Star" teilnahm.
Andreas Rochholl, Produzent
"Eine junge Frau zeigt sich im Fernsehen in Afghanistan und singt. Sie kam nach Hause und hatte den ersten Anruf von der Tante, vom Onkel. Wir schämen uns. Warum tust du das? Deshalb ist die Entscheidung für alle diese Frauen, die sie getroffen haben, eine ganz andere, als wenn hier jemand sagt `Ich glaube, ich will Musiker werden.´ Sie wussten von Anfang an: Das, was ich tue, ist gefährlich."
In Afghanistan ist Sadiqa Madadgar eine Berühmtheit. In der Öffentlichkeit muss sie sich vermummen, um nicht erkannt zu werden. Zusammen mit der Berliner Sängerin Petra Nachtmanova entwickelte sie in der Coronazeit einen Song für das digitale Festival: "Female Voice of Afghanistan".
Andreas Rochholl, Produzent
"Die zwei Grenzerfahrungen, die in diesem Festival zusammenkommen, also die Limitierungen, die international durch die Pandemie entstehen, entstanden sind und die politische Limitierung - die einzige Antwort ist. Kreativität, Phantasie und nicht abzuwarten, dass sich irgendwas ändert. Und das habe ich in Afghanistan auch gelernt: Die Menschen wissen einfach sofort weitermachen, weitermachen."
Im August nehmen die Taliban Kabul ein. Frauen wie Sadiqa Madadgar sind nun in Gefahr. Auf ihrem YouTube-Kanal dokumentiert sie ihre Flucht. Ob sie es aus Kabul geschafft hat, weiß zu dem Zeitpunkt keiner. Ein Versuch sie aus Berlin anzurufen, scheitert. Die Sorgen bei Petra Nachtmanova sind groß.
Petra Nachtmanova
"Also wenn sie mal zwei Tage nicht antwortet, dann weiß ich nicht, was passiert mit ihr gerade. Sie wechselt ja ständig ihren Wohnort, damit sie nicht gefunden wird."
In Berlin wird weitergesungen. Wenige später taucht Sadiqa wohlbehalten in Abu Dabi auf.
Andreas Rochholl, Produzent
"Der Schmerz und die Entgrenzung dieser materiellen Welt könnte man gar nicht ertragen, hätte man nicht in sich noch eine andere Wirklichkeit. Ein Erfahrungsraum, das es mehr gibt. Und der kann natürlich durch Musik transportiert werden, durch Fantasie, durch durch Poesie. Und das alles zu verbinden, fiel deshalb auch niemandem schwer. Ja, dann bauen uns einen Raum."
Autor: Max Burk