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Hakan Savas Micans neues Stück "Berlin Karl-Marx-Platz" spielt 1990, im Jahr der deutschen Einheit. Im Mittelpunkt steht der Neuköllner Teenager Cem. Sein Vater ist tot, seine Mutter will, dass er Arzt wird und nach Istanbul geht, eine Praxis aufmacht. Aber Cem will das wieder vereinigte Berlin erobern.
Er ist ein Meister der Beobachtung. Wenn Hakan Savas Mican durch seinen Kreuzberger Kiez streift, sammelt er Geschichten für seine Stücke.
Hakan Savas Mican, Dramatiker und Regisseur
"Ich mag diese Parkbänke, wo ich sehr oft bin. Diese Parkbänke erlauben es sehr vielen Menschen hierher zu kommen. Man hat hier durch die Gentrifizierung sehr viele Teestuben zugemacht, da kamen schicke Restaurants rein. Und all diese Leute, die nicht zu Hause sitzen wollen, vor allem von der ersten Arbeitergeneration, kommen hierher. Wenn man hier über den Platz guckt, sieht man auch diese Menschen. Und das ist diese interessante bunte Mischung, die mich am meisten inspiriert."
Auszug Theaterstück, Berlin Karl-Marx-Platz
"Ich wünschte, meine Mutter trüge kein Kopftuch"
Sein neues Stück "Berlin Karl-Marx-Platz" spielt 1990, im Jahr der deutschen Einheit. Im Mittelpunkt steht der Neuköllner Teenager Cem. Sein Vater ist tot, seine Mutter will, dass er Arzt wird und nach Istanbul geht, eine Praxis aufmacht. Aber Cem will das wieder vereinigte Berlin erobern.
Auszug Theaterstück, Berlin Karl-Marx-Platz
"Nein, daraus wird nichts. Da draußen ist ein Aufbruch. Ich will leben. Ich will tanzen, Anne, und ich will ficken."
Cem träumt davon, ein großer Graffiti-Künstler und Comic-Buchautor zu werden. Es sind solche Träume vom Aufstieg, die Hakan Savas Mican in seinen Stücken beschreibt. Die er überall bei den Menschen um sich herum wahrnimmt - und die er auch aus der eigenen Familienbiografie kennt.
Hakan Savas Mican, Dramatiker und Regisseur
"Das sind Theaterstücke, die nach wahren Begebenheiten entstanden sind. Was mich darin sehr beschäftigt hat, ist dieser Versuch des Klassensprungs. Denn ich bin ein Arbeitersohn, meine Eltern sind nach Deutschland als Fabrikarbeiter gekommen. Und ich weiß, was es heißt, in so einem Kampf zu leben, wie hart es ist, diese eigene Arbeiterklasse ganz unten zu verlassen."
Auszug Theaterstück, Berlin Karl-Marx-Platz
"Hi wie heißt du eigentlich?"
- "Lisa.
"Hi Lisa, ich bin Cem."
Cem verliebt sich in ein Mädchen aus Marzahn, das auch mit den Erwartungen ihrer Familie kämpft. Sie soll Opernsängerin werden, vertickt aber geschmuggelte Zigaretten.
Auszug Theaterstück, Berlin Karl-Marx-Platz
"Was heißt denn Kaffee bei euch?"
- "Kaffee."
"Nee, in deiner Sprache."
- "Ist meine Sprache. Ich komm aus Neukölln, nicht vom Mars. Da wo meine Eltern gearbeitet haben, hab ich immer Ostblockfernsehen geschaut. Diese Ostblockkinder haben immer Spaß unter Anleitung."
Mit viel Witz spielt das Stück mit den Zuschreibungen durch die Herkunft. Doch was dieses Romeo-und-Julia-Musical aus dem vereinten Berlin so besonders macht, ist, dass ein viel tieferer Kern in ihm steckt: eine Sehnsucht, die alle miteinander teilen.
Hasan H. Tasgin, Schauspieler
"Das Interessante an diesem Stück, wofür ich Hakan sehr, sehr bewundere, ist: einmal hast du Lisa und einmal Cem, im Prinzip ist das fast dasselbe. Die Oma will, dass sie Opernsängerin wird, und Cems Mutter, dass er Arzt wird und irgendwann in die Heimat zurückkehrt, ist im Prinzip dasselbe."
Der Wunsch zum Aufstieg ist bei allen gleich, sagt uns Hakan Mican, nur die Chancen im Kapitalismus sind es nicht.
Hakan Savas Mican, Dramatiker und Regisseur
"Wir sollten die Debatten nicht nur reduzieren auf die ethnischen Herkünfte, vielmehr die ökonomischen Verhältnisse in Frage stellen und diese Debatten aus dieser Perspektive angucken. Das fände ich viel spannender und viel wahrhaftiger auch, denn sonst werden wir da nie herauskommen."
Auszug Theaterstück, Berlin Karl-Marx-Platz
"Wenn ich an dich denk..."
Autor: Norbert Kron