
-
Die Journalistin Ciani-Sophia Hoeder hat ein Buch über die Wut recherchiert. Mit der Kraft der Wut haben Frauen viel erreicht, von Rosa Parks bis Greta Thunberg. Vielleicht ist es gerade deshalb ein Gefühl, das bei Frauen stigmatisiert wurde oder noch wird?
Ciani-Sophia Hoeder, Journalistin und Autorin
"Wut hat so ein destruktives Image. Es wird irgendwie gleichgesetzt mit Zerstörung und Gewalt. Aber Wut ist ja erstmal wie so ein Alarmsignal, das mir zeigt: Hier passiert eine Ungerechtigkeit."
Ciani-Sophia Hoeder, Journalistin und Autorin
"Ich bin Ciani-Sophia Hoeder ich bin Journalistin und Autorin und habe das Buch Wut und Böse geschrieben, weil ich die Emotion "Wut" als ungeliebte Emotion ziemlich spannend fand und es interessant finde, dass die Wut unterschiedlich bewertet wird und das hat mich ziemlich wütend gemacht.
Meine persönliche Beziehung zur Wut war eine kleine Reise. Ich hab sie sehr lange als nervig empfunden, ich glaube das ist so das passende Wort. Für mich war der Moment wenn ich wütend war ein persönliches Versagen: Hab ich genug gegessen? Geschlafen? Sex gehabt?...all diese Narrative, die sagen, dass ich selber daran schuld bin, dass ich wütend bin, statt zu gucken: warum bin ich wütend? Worum geht es mir? Nervt mich Rassismus? Nervt mich Sexismus?
Und deswegen hatte ich schon ziemlich lange meine Wut eher moduliert und auch verpackt und runtergedrückt, um sympathischer und annehmbarer für die Gesellschaft zu sein. Statt zu gucken, worum geht es in meiner Wut?
Studien und Statistiken sind ziemlich spannend und da kommt immer wieder heraus, dass wenn ein Mann öffentlich wütend ist, dann wird eher auf den Inhalt geachtet, es wird ernst genommen, es gibt einen Grund für die Wut und es wird debattiert, wohingegen, wenn eine Frau öffentlich wütend wird, wird das oft auf ihren Charakter geschoben. Und dann wird oft gesagt: hysterisch, schwierig, anstrengend, laut, zickig, charakterschwach, emotional. Und das ist natürlich ein total interessanter Mechanismus und sagt unfassbar viel über unsere Gesellschaft aus:
Welche Wut nehmen wir als Gesellschaft ernst und besprechen wir? Und welche Wut tun wir als irrational und als uninteressant oder unwichtig ab? Wer wütend sein darf hat Macht, wer nicht wütend sein darf, wird kontrolliert. Man kann schon sagen, dass es eine tiefe kulturelle Angst vor der Wut von Frauen gibt, weil Frauen in den letzten Jahrhunderten ziemlich viel Ungerechtigkeit erleben mussten. Wir sind jetzt momentan in so einer Gesellschaft wo wir denken: irgendwie ist es so ein bisschen gleichberechtigt und irgendwie haben wir ja voll viele Rechte, aber Frauen sind immer noch die, die am wenigsten verdienen, Frauen sind am stärksten von Altersarmut betroffen, Frauen sind diejenigen, die am stärksten von Armut generell betroffen sind, Frauen sind diejenigen, die am stärksten von sexualisierter Gewalt betroffen sind - das hat sich in den letzten 40 Jahren überhaupt nicht verändert.
In Wut und Böse gehe ich auf die Möglichkeiten von Wut als Werkzeug ein. Was passiert, wenn wir unsere Wut persönlich ausdrücken, wenn wir mehr Leute finden, die über ähnliche Dinge wütend sind und man dann zu einem politischen Protest kommt.
Und deshalb geht es mir schon darum, das Image von Wut ein bisschen aufzupolieren und zu gucken, okay, Wut muss nicht destruktiv sein, sin kann destruktiv sein, sie kann auch schlecht sein, sie kann aber auch neue Sachen hervorrufen wie: das wir heute wählen können als Frauen oder das wir ein Bankkonto eröffnen können. Das alles wäre nicht zustande gekommen, wenn nicht eine Gruppe von Frauen für diese Belange auf die Straße gegangen wären, wenn sie nicht gemeinschaftlich wütend gewesen wären."
Autorin: Charlotte Pollex