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Das Gedenkjahr "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland" geht zu Ende. Neben zahlreichen Veranstaltungen und Ausstellungen, erinnert auch ein Comic-Anthologie an die lange Geschichte der Juden in Deutschland. Mitgezeichnet hat auch Elke Renate Steiner aus Berlin. Wir besuchen mit ihr die Ausstellung "Jüdisches Berlin Erzählen", die am 13.12. in der Neuen Synagoge eröffnet wird.
Aber was ist das eigentlich, jüdisches Leben in Deutschland? Und wie kann sie von davon erzählen? Diese Frage bewegt die Comiczeichnerin Elke Renate Steiner seit mehr als 20 Jahren.
Ihr erster Comic über deutsch-jüdisches Leben spielt in der Stadt Rendsburg, von den Anfängen der jüdischen Gemeinde 1699 bis 1934, als ein Hamburger Rabbi die Gemeinde unter Tränen vor den Nazis warnt.
Darüber Comics zu machen – das war für viele damals unverständlich.
Elke Renate Steiner, Künstlerin
"Der Hauptpunkt war eigentlich immer, dass Menschen dachten, dass die jüdische Geschichte, deutsch jüdische Geschichte und Comics nicht zusammengehen. Also da wurde der Comic verkürzt auf witzige Sachen und die deutsch jüdische Geschichte, auf die Schoah, auf den Holocaust."
Gegen solche Klischees zeichnete sie damals an – und natürlich hatte sie auch Zweifel, ob sie das darf, als Goj - als deutsche, evangelische Frau Comics über deutsch-jüdische Geschichte zeichnen? Es funktioniert - mit fachlicher Hilfe. Hier in der Neuen Synagoge Berlin hat Elke Renate Steiner erstmals von Regina Jonas gehört, der ersten Rabbinerin überhaupt.
Elke Renate Steiner, Künstlerin
"Sie ist gerade in der Nazizeit hier tätig gewesen und wurde ordiniert, 1935 ausgerechnet – und wurde auch von den Nazis verschleppt und ermordet. Mit ihrer Mutter. Und ich verwende diese Synagoge auch in meinem Comic, und auch einige andere Orte, an denen sie tätig war. Und deswegen ist das natürlich ein wichtiger Ort für mich."
Nach solchen Orten, nach dem "jüdischen Berlin", sucht nun auch eine Ausstellung in der Synagoge. Elke Renate Steiner ist mit Anja Siegemund verabredet, sie hat die Ausstellung zusammengestellt. Berlinerinnen und Berliner, ob jüdisch oder nicht, haben Objekte geschickt und erzählen von ihren "jüdischen" Orten, den Menschen und Erlebnissen.
Anja Siegemund, Direktorin Centrum Judaicum
"Hier: Heinz Holl! Kannte ich auch nicht. Aber der war wohl mal eine Größe, hatte ja seine Kolumne in der Berliner Sonntags-Post: "Berlin ist meine Welt". Und das Interessante eben: Überlebender von Theresienstadt – aus dem proletarischen Kiez um die Schönhauser Allee. Das Leben war, glaube ich, irgendwie so seine Universität. Also: Berliner Schnauze und süchtig nach Leben! Er hat dann nach dem Krieg, hatte mehrere Lokale gehabt. Das eine war die Evelyne-Bar. Da gab auch Pyjama-Partys und das war auch eine Prominenten-Kneipe. Gibt es natürlich alles nicht mehr."
Die Ausstellung erzählt von Verfolgung, aber auch vom prallen Leben. Es ist ein "schöner Misch-Masch" - um es mit dem deutsch-hebräisch-jiddischen Wort auf den Punkt zu bringen. Das Highlight: Eine Filminstallation. Der Opernregisseur Barrie Kosky beispielsweise erinnert an einen fast vergessenen Komponisten der Weimarer Zeit: Paul Abraham. Sein "jüdischer" Klang sei nach dem Krieg bei Aufführungen quasi ein zweites Mal "arisiert" worden, die ganze "Jüdischkeit" war weg, berichtet Kosky.
Barrie Kosky, Intendant Komische Oper Berlin
"Es hat eigentlich alles, was man erwartet von dem Klang in Berlin: es hat Eleganz, es ist sophistication, Dreck, Schmutz, Sex, Erotik, sinnlich, verführerisch, ein bißchen bitter, ein bißchen süß."
Einzelschicksale und doch alle exemplarisch - dazu so lebendig, leicht inszeniert, dass Elke Renate Steiner sofort begeistert ist.
Elke Renate Steiner, Künstlerin
"Wenn ich hier so reinkomme, dann fühle ich mich natürlich auch von von dem Gesicht des Sprechenden hier angezogen. Ich sehe die Gesten und den und wie er die Augenbrauen hochzieht und möchte natürlich mehr wissen. Ich kriege eine emotionale Zusatzbotschaft, wenn ich das so beobachte."
Als Comic-Zeichnerin studiert sie speziell Mimik, Gesten und Körpersprache. Solche Details bringen Leben, Emotionen in ihre Geschichten: Die Verzweiflung des jüdischen Arztes im Konzentrationslager ist fast greifbar.
Zum Abschluss aber zeichnet sie uns eine schöne Erinnerung – ihr Objekt, das sie mit dem jüdischen Berlin verbindet: Weintrauben, die sie hier in der Berliner Synagoge bekommen hat, zum Laubhütten-Fest.
Elke Renate Steiner, Künstlerin
"Das war für mich einfach so, so schön. Ich komme da einfach neugierig hin und frage und stelle mich vielleicht auch mal irgendwie unsicher an, natürlich. Und es war einfach so nett und voller Wärme und ich durfte da mitessen und es war einfach ein ganz toller Moment."
Anja Siegemund, Direktorin Centrum Judaicum
"Schön! Menschen haben da eben eine Beziehung. Und das ist oft irgendwie was ganz Alltägliches."
So erzählt Elke Renate Steiner auch mit diesen Trauben vom jüdischen Leben in Deutschland. Manchmal ist es ganz einfach.
Autorin: Petra Dorrmann