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Achim Doerfer ist Autor des Buches "Irgendjemand musste die Täter ja bestrafen". Er geht mit der Deutschen "Erinnerungskultur" und der deutschen Justiz hart ins Gericht, erinnert an jüdische Widerstandskämpfer und beschreibt auch den Wunsch nach Rache von Jüd*innen.
Quentin Tarrantino 2012 in Berlin. Deutschland-Premiere seines Films Inglourious Basterds. Es ist ein umjubelter Film, Denn in Inglourious Bastards wird erstmals davon erzählt, wie eine jüdische Brigade sich an Nazis rächt.
Filmausschnitt, Inglourious Basterds, 2009, Regie: Quentin Tarantino
"Achtung!"
- "Wir sind im Nazis-töten-Geschäft. Und das Geschäft, mein Freund, das brummt."
Martialische Szenen wie diese sorgten für Szenenapplaus in den Kinos von New York und Tel Aviv. Was im Film überspitzt wird, ist ein Thema, das zu oft unerwähnt bleibt, findet der Autor Achim Doerfer: Jüdischer Rache und Widerstand. Wir treffen ihn an einem der Schauplätze von Inglourious Basterds, am Fort Hahnentor in Berlin.
Achim Doerfer, Rechtsanwalt und Autor
"Was ich wirklich nicht wusste, ist, wie groß zahlenmäßig der Widerstand und die Rache und Vergeltung und der Kampf von Juden waren. Ich habe wirklich gedacht okay, das gab, aber das war vielleicht eher Randphänomen. Nein, das war ein absolutes Mehrheits Phänomen."
Der Rechtsanwalt und Autor Achim Doerfer ist selbst Nachkomme von Holocaust-Überlebenden. Seine Großmutter war im Konzentrationslager Theresienstadt. Doch über das, was sie erlebt hat, sprach sie nie mit ihrem Enkel.
Achim Doerfer, Rechtsanwalt und Autor
"In meiner Familie war auch von Rache nie die Rede gewesen, wo mir dann auf einmal aufging, das ist ja irgendwie unehrlich. Es muss diese Gefühle doch gegeben haben."
Achim Dörfer hat ein akribisch recherchiertes Buch darüber geschrieben, dass Jüdinnen und Juden mehr als nur wehrlose Oper gewesen sind. Viel zu selten werde an jüdische Widerständler erinnert, allenfalls gibt es ein Stolperstein. Dabei waren sie keine Seltenheit. Jüdische Brigaden wie hier im Film gab es wirklich.
Filmausschnitt, Plan A - Was würdest Du tun?, 2021 Regie: Doron und Yoav Paz
Achim Doerfer, Rechtsanwalt und Autor
"Es gab überproportional viele Soldaten in der russischen Armee, überproportional viele Soldaten in der amerikanischen Armee. Da gab es die ganzen Partisanen, die Menschen in der Résistance, die Menschen, die im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft haben, wo Juden den größten Teil der ausländischen Brigaden gestellt haben. Also diese schiere Menge. Die hat mich sehr überrascht."
Achim Doerfer beschreibt auch die Gruppe Nakam, die nach Kriegsende Rache für den Holocaust zu üben will.
"Nakam!“"
Der Kinofilm "Plan A - was würdest du tun?" mit August Diehl in der Hauptrolle erzählt die Geschichte dieser Gruppe.
"Ich will meine Rache!"
Die Gruppe um den ehemaligen Partisanen Abba Kovner plant Giftattentate auf das Trinkwasser von Hamburg, München, Frankfurt am Main und Nürnberg. Ein grausamer Plan, der nicht aufgeht.
Achim Doerfer, Rechtsanwalt und Autor
"Abba Kovner hat am 1. Januar 1942 in Wilna seine berühmte Rede gehalten, in der es heißt: "Wir Juden dürfen uns nicht wie Schafe zur Schlachtbank führen lassen." Und er hat 19 Tage vor der Wannseekonferenz gesagt. So ganz klar war das damals schon. Hitler will alle europäischen Juden umbringen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Er hat quasi bevor das überhaupt aufkommen konnte, diesen Opfermythos schon zerstört in dieser Rede. Und dann später ja auch in Taten."
Bilder jüdischer Partisanen, wie das von Abba Kovner sind nur wenigen bekannt. Für Dörfler sollten aber neben die Bilder aus den Konzentrationslagern auch die der Widerständler stehen. Diese fehlen im öffentlichen Bewusstsein. Viel präsenter seien solche restaurierten Farbaufnahmen aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Achim Doerfer, Rechtsanwalt und Autor
"Wir gehen da immer noch der Nazi-Propaganda auf den Leim, weil die einfach derartig viel tolles, schickes, buntes Material produziert haben, dass wir uns schon gar nicht zurückhalten können, das zu senden. Und wir zeigen es eben immer wieder. Wir sollten uns auch von der Ikonographie, den Bildern, die dazugehören, verabschieden. Für mich gehört eigentlich in jedes Schulbuch nehmen diese furchtbaren Schwarz-Weiß Bilder am Ghetto Mauer, am KZ Zaun gehörten Farbbild ja von einem jüdischen Partisanen mit einer Waffe in der Hand. Das ist das gesamte Bild, das das volle Bild."
Achim Doerfer will mehr Ehrlichkeit. Ein komplexeres Bild der Vergangenheit und der Aufarbeitung zeigen. Seine Hoffnung ist, miteinander ins Gespräch zu kommen. Sowohl mit den Nachfahren der Opfer als auch mit denen der Täter.
Achim Doerfer, Rechtsanwalt und Autor
"Ich möchte auch um Verständnis werben mit meinem Buch. Das ist auch nochmal meine Hoffnung, dass man vielleicht die die Seele der Nachkommen der Opfer so ein bisschen besser versteht. Was genauso auch hilft, die Seele der Nachkommen der Täter zu verstehen. Weil man ist ja auf dieselben Menschen wütend und ist genau auf die gleichen Menschen wütend. Man muss diese Wut dann auch verstehen."
Achim Doerfer, Rechtsanwalt und Autor
"Ich möchte mehr Ehrlichkeit haben. Es ist ja kein Privileg, was ich verlange. Ich verlange ja nur, dass die jüdischen Widerständler sowie die nichtjüdischen Widerständler geachtet werden. Und ich verlange, dass ihm die Juden als Gruppe, die in der Politik immer wieder hinten runtergefallen ist, dass das so erwähnt wird, wie auch andere Gruppen, die in der Politik immer wieder hinten runtergefallen sind. Das Existenzrecht innerhalb der Gesellschaft muss für alle Gruppen gleich sein."
Autor: Max Burk