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Gerade eröffnet, die Ausstellung "Modebilder-Kunstkleider" in der Berlinischen Galerie. Fast 300 Kunstwerke aus über 100 Jahren. Wie wird Mode in der Kunst dargestellt, was tragen Künstler für Mode und wann wird aus einem Kleidungsstück ein Kunstwerk?
Ein Kleid, in dem sich eine Frau sich frei bewegen kann, um 1900 war das keine Selbstverständlichkeit. Die es sich leisten konnten, trugen damals Korsett. Frauen ließen sich einschnüren, um dem Schönheitsideal zu entsprechen.
Luise Budde, Mitarbeiterin Berlinische Galerie
"Mit Wespentaille, großen Brüsten, großen, ausladenden Hüften - diese klassischen Merkmale einer Frau."
Für die Berlinische Galerie haben Luise Budde und Julia Strauß die neue Ausstellung über Mode und Kunst mit recherchiert. Anna Muthesius begeistert sie: eine Berlinerin, die vor 120 Jahren dieses Kleid selbst entworfen hat. "Eigenkleid" hat sie es genannt.
Julia Miriam Strauß, Mitarbeiterin Berlinische Galerie
"Anna Muthesius war Konzertsängerin [...] Irgendwie war sie wirklich genervt von diesen einengenden Kleidungsstücken und [...] hat dann 1903 tatsächlich auch ein Buch publiziert - "Das Eigenkleid der Frau", in dem sie niederschreibt, wie dieses Eigenkleid auszusehen hat und damit Frauen auch wirklich motiviert, sich neu zu kleiden."
Auf Fotos setzt sich Anna Muthesius selbstbewusst in Szene - so wie es heute Influencerinnen tun. Die Künstlerin hat Frauen ermutigt, selbst zu nähen. Eine kleine Revolution war das, sagt Museumsdirektor Thomas Köhler: der Abschied vom Korsett - eine neue Freiheit der Frauen.
Thomas Köhler, Direktor Berlinische Galerie
"Die Ausstellung erzählt gewiss viele unterschiedliche Geschichten, aber für mich ist eine sehr prominent und das wäre die Geschichte des Feminismus: nicht nur die Emanzipation der Frau im gesellschaftlichen Kontext, sondern auch die Emanzipation des Frauenkörpers."
Welche Kleidung Künstlerinnen tragen - so wie hier Hannah Höch - erzählt uns viel über die Gesellschaft. Thomas Köhler führt uns zu einem Kleid der Berliner Dadaistin aus den 20er Jahren. Die Künstlerin hat Mode schon damals ganz bewusst genutzt, um ihr Image zu prägen.
Thomas Köhler, Direktor Berlinische Galerie
"In den Bildern, die wir von ihr haben, in den Fotos aus den 20er Jahren beispielsweise - da verkörpert sie den Typus der neuen Frau: kurze Haare, kurze Kleider, selbstbewusstes Auftreten. Und das ist für mich auch ein ganz wesentlicher Teil ihres Werkes."
Hannah Höch entwirft Stickmuster und findet darin Parallelen zur abstrakten Kunst. In einem Artikel schreibt sie 1918: "Die Stickerei ist eine Kunst und darf beanspruchen, als solche behandelt zu werden." Stickende Frauen - das sind für Hannah Höch Künstlerinnen!
Über die Modefotografie der 50er Jahre führt die Ausstellung ins West-Berlin der 70er und 80er, wo lesbische und schwule Künstler:innen die Geschlechtergrenzen der Mode überschreiten - so wie der Fotograf Rolf von Bergmann in diesen Selbstporträts.
Julia Miriam Strauß, Mitarbeiterin Berlinische Galerie
"Es geht in seiner Fotografie viel auch um ihn selbst, wie er sich selbst inszeniert. Ich würde es heute auch als "Selfie" bezeichnen."
Luise Budde, Mitarbeiterin Berlinische Galerie
"Das Besondere ist, dass Rolf von Bergmann gern in andere Rollen geschlüpft ist. Er hatte auch viele verschiedene Outfits - auch solche, die erstmal weiblich konnotiert sind: wie hier diese schwarze Korsage oder das Kleid mit Schmetterlingsverzierungen drauf."
In seinen Fotos hat Rolf von Bergmann die Kreativität der queeren Szene eingefangen, bis er 1988 an den Folgen von AIDS starb. Um seinen Nachlass kümmert sich die Berlinische Galerie. Erstmals präsentiert das Museum hier Outfits des Künstlers.
Thomas Köhler, Direktor Berlinische Galerie
"Diese Ausstellung zeigt ja nicht nur Mode, sondern sie hält im wahrsten Sinne des Wortes Besucher:innen einen Spiegel vor und lässt sie sich vielleicht selbst befragen: Wieso ziehe ich eigentlich das an, was ich gerade anhabe? Und welches Bild möchte ich damit vermitteln?"
Über unsere Kleidung inszenieren wir uns selbst - und erschaffen damit jeden Tag ein kleines Kunstwerk. Das zeigt diese kluge Ausstellung.
Autorin: Anne Kohlick