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Besonders die Staatlichen Museen zu Berlin und die Staatsbibliothek haben in den vergangenen Jahren hervorragend mit ihren Partnern in Russland zusammengearbeitet. Jetzt ist der Deutsch-Russische Museumsdialog auf Eis gelegt, mit weitreichenden Folgen für Forschung, Ausstellungen und persönliche Kontakte.
Das Alte Museum in Berlin, die Alte Nationalgalerie, überall auf der Museuminsel zeigen sie Solidarität mit der Ukraine. Doch der Deutsch-Russische Museumsdialog, die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen in Russland und den Museen dort, ist seit Putins Angriffs auf die Ukraine komplett auf Eis gelegt.
Matthias Wemhoff, Museumsdirektor und Landesarchäologe, Museum für Vor- und Frühgeschichte
"Der Kultur fehlen die Möglichkeiten im Krieg. Krieg zerstört alles."
Dr. Manfred Nawroth, Oberkustos Museum für Vor- und Frühgeschichte, Koordinator für wissenschaftliche Projekte mit Russland und Osteuropa
"Man muss sich das so vorstellen dass auch in Zeiten, wo es politisch vielleicht leichte Verstimmungen gegeben hat, Kultur und Wissenschaft immer als etwas betrachtet worden ist von allen, die immer ein Öffner und immer ein Instrument des Dialogs bleibt. Und das hat sich jetzt rapide verändert."
Dr. Achim Bonte, Generaldirektor Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz
"Es ist wirklich erschütternd, weil es langjährige Beziehungen unterbricht, weil wir uns natürlich auch Sorgen machen um unsere Partnerinnen und Partner, das sind ja auch alles Menschen, die in diesen Institutionen arbeiten."
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wie keine andere deutsche Kulturinstitution engste Beziehungen zu Russland aufgebaut. Auch weil große Teile ihrer Sammlungen dort sind, die nach dem zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion gebracht wurden.
Matthias Wemhoff, Museumsdirektor und Landesarchäologe, Museum für Vor- und Frühgeschichte
"Wir beschäftigen uns hier, achtzig Jahre nach Kriegsende bald, immer noch mit den Folgen des Krieges, wir versuchen, Fundkomplexe zusammenzuführen, Wissen zu rekonstruieren, und gleichzeitig findet jetzt wieder ein Krieg statt, der genauso auch nicht nur mit Menschen, sondern auch mit den kulturellen Gütern umgeht, wir sind wieder in dieser Art von Zerstörung."
Viele Exponate, wie der berühmte Eberswalder Goldschatz aus der Bronzezeit, gibt es in Berlin nur noch als Kopie zu sehen. Die Originale sind im Moskauer Puschkin Museum. Mehr als 10.000 Objekte wurden als Kriegsbeute von der Roten Armee in die Sowjetunion abtransportiert, lagern dort bis heute oft in Depots. Doch durch die Zusammenarbeit zwischen russischen und deutschen Wissenschaftlern entstand ein lebendiges Netzwerk.
Matthias Wemhoff, Museumsdirektor und Landesarchäologe, Museum für Vor- und Frühgeschichte
"Unser Anliegen als Wissenschaftler und als Museumsleute ist es natürlich, möglichst viel über diese Objekte zu erfahren und sie wieder in die wissenschaftliche Diskussion zu bringen."
Ein großer Erfolg: "Europa ohne Grenzen" hieß das gemeinsame Ausstellungsprojekt zwischen Russland und Deutschland, das allerdings immer nur in Russland gezeigt werden durfte. 2007 begonnen mit der großen Schau in Moskau über die Schätze der Merowinger.
2013 folgte dann die "Bronzezeit". Bei der Ausstellungseröffnung in St. Petersburg traf damals Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Vladimir Putin und es kam es fast zum Eklat.
(Archiv 2013) Angela Merkel, ehem. Bundeskanzlerin (CDU)
"Wir sind der Meinung, dass diese Ausstellungstücke wieder zurück nach Deutschland kommen sollten."
Einblendung "Eisenzeit. Europa ohne Grenzen" Staatliche Eremitage St. Petersburg 2020
Aber die gemeinsame Forschung funktionierte – komplizierter bleibt die Rückgabe. Vor kurzem erst war die "Eisenzeit" in der Eremitage und im Historischen Museum in Moskau zu sehen. Pandemiebedingt durften zwar diverse Berliner Ausstellungs-Objekte aber niemand von den Wissenschaftlern dafür nach Russland reisen. Dokumentiert ist diese Ausstellung immerhin in einem virtuellen Rundgang und einem schweren Katalog.
Folgt jetzt durch diesen Krieg eine neue Eiszeit in den Deutsch-Russischen Kultur-Beziehungen? Das möchte die Kulturstaatsministerin Claudia Roth, wenn es irgend geht, verhindern.
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur (Die Grünen)
"Ich glaube, wir brauchen jetzt mehr Brücken, wir müssen Brücken bauen wo andere Mauern errichten. Das heißt, ich bin gegen einen Kulturboykott."
Matthias Wemhoff, Museumsdirektor und Landesarchäologe, Museum für Vor- und Frühgeschichte
"Wir sind durch die Liebe zu den Objekten letztlich verbunden gewesen, das hat alles durchgetragen auch schwierige Zeiten und ich hoffe, dass wir irgendwann daran anknüpfen können."
Aktuelle Ausstellungsprojekte sind schon von den Kriegsauswirkungen betroffen. In der James -Simon-Galerie und im Neuen Museum wird Mitte Mai die Sonderausstellung "Schliemanns Welten" ohne die eigentlich geplanten russischen Exponate eröffnen. Die große Schau wird dann auch nicht, wie angedacht, ins Moskauer-Puschkin-Museum weiterreisen. Es wäre eine Sensation gewesen: Erstmals nach dem zweiten Weltkrieg wären der dort befindliche Schatz des Priamos und Schliemanns andere Troja-Funde vereint gewesen.
Auch in der Staatsbibliothek ist der Krieg angekommen. Die große Osteuropa-Abteilung bekommt keinen Mediennachschub ukrainischer und russischer Neuerscheinungen mehr, erzählt der neue Generaldirektor Achim Bonte. Der Deutsch-Russische Bibliothelksdialog ist ebenfalls auf Eis gelegt.
Dr. Achim Bonte, Generaldirektor Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz
"Alles on hold. Mit der großen Hoffnung, dass wir es wieder aufnehmen können, weil ich glaube, dass sind auch wichtige Projekte, die Völker verbinden und die so ne gemeinsame Einsicht wachsen lassen, dass Kriege und solche Konflikte, wie wir sie gerade erleben, dass die uns immer um Jahre zurückwerfen."
Achim Bonte sagt, ihm hilft der Blick auf ukrainische und russische Kinderbücher aus Friedenszeiten in der Sammlung der Staatsbiliothek. In diesen Büchern spürbar: Die völkerverbindendende Sehnsucht nach Frieden und Harmonie.
Autorin: Petra Gute