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Schon seit 2014 kämpft in der Ost-Ukraine, im Donbass, die ukrainische Armee gegen prorussische Separatisten. Die ukrainische Filmemacherin Alina Gorlova hat über diesen lange verdrängten Krieg einen Dokumentarfilm gedreht, der jetzt eine ganz neue Aktualität bekommt. Nächste Woche kommt er bei uns in die Kinos, während die Regisseurin zuhause versucht, ihrem Land zu helfen.
Die Region Donbass in der Ost-Ukraine vor dem russischen Angriffskrieg.
Schauplatz des Dokumentarfilms "This rain will never stop". Es ist ein Film über den Krieg. Der in den östlichen Gebieten schon seit 2014 allgegenwärtig ist. Der Film - bereits jetzt ein historisches Dokument.
Gedreht hat ihn die Regisseurin Alina Gorlova. Wir erreichen sie in Kiew – der schwer umkämpften Hauptstadt.
Alina Gorlova, Regisseurin
"I filmed my last film and right now, I think that I am like another person who filmed that movie because yes, everything changed. And that world doesn't exist anymore."
"Mein Film ist gerade fertig – und schon jetzt bin ich nicht mehr dieselbe, die diesen Film gemacht hat. Alles ist anders. Die Welt von damals gibt es nicht mehr."
Irgendwo in dieser Stadt, vor der russische Panzer stehen, engagiert auch sie sich im Freiwilligendienst. Wo genau sich das Hilfszentrum befindet, darf sie aus Sicherheitsgründen nicht sagen.
Alina Gorlova, Regisseurin
"I'm in my car, near the… I couldn’t say this. We are trying to distribute and coordinate the aid, humanitarian aid for the civilians and also for the army. We are trying to organize ourselves in some way because the situation is very tough."
"Ich bin in meinem Auto vor … das kann ich nicht sagen. Wir leisten von hier aus humanitäre Hilfe, versorgen die Zivilbevölkerung und auch die Armee so gut es geht. Wir versuchen uns irgendwie selbst zu organisieren, denn die Lage ist echt hart."
2018 filmt sie an einem Checkpoint zwischen dem ukrainisch kontrollierten und dem Separatistengebiet. Entlang der Konfliktlinie im Osten spitzt sich die Situation schon damals zu. Hier lernt sie Andriy Suleyman kennen. Er arbeitet beim Roten Kreuz.
Der 20-jährige floh vor dem Krieg in seiner Heimat Syrien in die Heimat seiner Mutter, die Ost-Ukraine – wo ihn der Krieg wieder einholt.
Ausschnitt, "This Rain Will Never Stop", Regie: Alina Gorlova
"Der IS ist nicht in diesem Bereich?"
- "Nein, nicht dort, wo meine Familie lebt."
"Warten Sie, ist es im Norden? Sind sie Kurden?"
- "Ja, ja."
"Das ist also die Opposition? Richtig?"
- "Das hängt von Ihrer Perspektive ab."
"Nun, für die syrische Regierung."
- "Jeder kämpft für sich."
"Ich sage ja nur, Kurden leben in der Türkei, im Irak und in Syrien. Und Sie stören all diese Länder."
Alina Gorlova, Regisseurin
"This film was created by itself in some way. So we just we were following the reality and we realized during the film that it's something bigger."
"Der Film hat sich letztlich selbst erzählt. Wir folgten nur den realen Geschehnissen. Und haben gemerkt: da steckt etwas Größeres dahinter."
Andriys Geschichte weist weit über ihn selbst hinaus. Der Film schafft ein universelles Nachdenken über Krieg an sich. Paraden des ukrainischen Militärs: Faszination und Befremden zugleich. Diese Szene, sagt Gorlova, bekomme heute eine ganz andere Bedeutung.
Alina Gorlova, Regisseurin
"Before that a lot of people abroad. They said that it's like a militarisation or something like that. But right now we could see that actually, right now, this people, they're protecting ourselves from this crazy army."
"Vor dem Angriffskrieg haben viele Leute, vor allem im Ausland gesagt: Das ist ja Militarisierung. Aber jetzt sehen wir, dass es genau diese Soldaten sind, die uns vor der verrückten russischen Armee beschützen."
Beide Heimatländer von Andriys Familie sind vom Krieg gefangen. Der Vater telefoniert oft mit der Familie, die heute über viele Länder verstreut ist. Andriys Eltern entscheiden sich 2014, trotz des neuen Konflikts, zu bleiben.
Auch Andriy. Flüchten oder nicht? Was das bedeutet, ist schwer in Worte zu fassen.
Ausschnitt, "This Rain Will Never Stop", Regie: Alina Gorlova
"Du könntest nach Deutschland gehen, um die Ausbildung abzuschließen. Oder?"
- "Das stimmt."
"Deine Onkel wollten ihre Kinder nach Europa schicken. Du wolltest dort hin."
- "Ja, das ist wahr."
Wenn man Alina Gorlova heute danach fragt, warum Andriy damals blieb – ist die Antwort eindeutig.
Alina Gorlova, Regisseurin
"I think that's he's following the same things as I am, as me. Because I don't want to leave my country. I don't want to live in Poland, in Germany. I really love this countries, so I really love people. But we have our own home. We have our own country. We don't want to leave. So these refugees right now, Ukrainian refugees, it's not their choice. Andriy, I think, he decided to stay because here he knows what to do. He knows where to work. He knows he has friends."
"Ich denke, ihm geht’s genau wie mir. Ich möchte mein Land nicht verlassen. Ich möchte nicht in Polen oder Deutschland leben. Ich liebe diese Länder, die Menschen dort. Aber wir haben unsere eigene Heimat. Wir haben unser eigenes Land. Wir wollen nicht weg. Die ukrainischen Geflüchteten, die das Land gerade verlassen – das ist nicht ihre Wahl! Ich glaube, Andriy hat sich entschieden zu bleiben, weil er hier wusste, was er machen soll. Wo er arbeiten soll. Dass er Freunde hat."
Andriy, erzählt sie noch, ist ok. Er sei im Donbass, aber in einer anderen Stadt. Seine Nachrichten seien kurz. Damals, in der "alten Welt", war sie dabei, als er seinen Onkel in einem irakischen Flüchtlingscamp besucht. Sie wolle, dass die Zuschauer im Film erleben, wie Krieg nachwirkt, die Psyche gefangen hält. Und wie Krieg und Frieden sich abwechseln.
Alina Gorlova, Regisseurin
"I just want to tell that it's like a circle and we are like going around this circle every time in our history. From the very, very beginning, from the ancient times, we are starting this war and we couldn't stop it. And it means maybe that it's something inside ourselves."
"Mir war es einfach wichtig zu erzählen, dass es ein Kreislauf ist. Und den durchlaufen wir von Beginn an in unserer Geschichte, seit der Antike. Und konnten ihn bis heute nicht durchbrechen. Immer wieder startet die Menschheit Krieg. Das bedeutet womöglich, dass es etwas ist, das wir in uns tragen."
Warum Krieg, wenn unsere Sehnsucht der Frieden ist? Warum der Wille zu kämpfen? Für ein Land, für die Liebe?
Das sind die Fragen des Films und es sind die Gedanken, die Gorlova jetzt nachts umtreiben. Für Antworten sei jedoch gerade nicht die Zeit, sagt sie.
Alina Gorlova, Regisseurin
"We decided with my friends, we decided to stay until the very end and I hope that we will very soon - It's really my hope that we will go further forward and we will try to deoccupy our territories right now. Ah, so it's our big dream. Thank you so much. Everything will be okay. Bye bye."
"Wir, meine Freunde und ich, haben beschlossen, bis zum Ende zu bleiben. Und ich hoffe, dass wir – das ist wirklich meine große Hoffnung – dass wir unsere Gebiete zurückerobern können. Das ist unser großer Traum. Ich danke Euch sehr. Alles wird gut."
Autorin: Katja Deiß