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Am Anfang stand eine Spaßmaßnahme: 1999 hat das Land entschieden die Brandenburgische Philharmonie abzuwickeln. Ein neues Orchester für Potsdam wurde gesucht. Zwei ganz unterschiedliche Ensembles bewarben sich gemeinsam und wurden 2002 ausgewählt als Kammerakademie Potsdam. Man organisierte sich selbst und wuchs zusammen. Heute arbeitet das Orchester mit prominenten Solist*Innen, engagiert sich in der Bildungsarbeit und feiert in der kommenden Woche seinen 20. Geburtstag.
Thomas Kretschmer von der Kammerakademie Potsdam im Außeneinsatz. Mit der 5b an der Grundschule in Potsdam-Drewitz arbeitet er dieses Frühjahr an einem Musikprojekt. Große Namen sind im Spiel.
Thomas Kretschmer, Geiger Kammerakademie Potsdam
"Die Musik, die wir letztes Mal aus der Box gehört haben, die ist von Igor Strawinsky.
So, jetzt wollen wir mal ein bisschen probieren."
Thomas Kretschmer ist Geiger im Hauptberuf - und ein Mann mit viel Geduld.
Thomas Kretschmer, Geiger Kammerakademie Potsdam
"Das ist toll zu sehen, wie die Kinder sich entwickeln und bewegen, wenn die Musik auftaucht und wenn wir auch als Musiker auftauchen. Wir nehmen sie sozusagen in den Arm und sagen komm, mach mit. Das ist wirklich begeisternd, weil man dann sieht, wie die Kinder einen Schub machen und über sich hinauswachsen."
In der 5b tut sich was. Musikvermittlung, das ist eine Herzenssache für die Mitglieder der Kammerakademie. Dort probt Thomas Kretschmer zurzeit außerdem für ein Jubiläumskonzert. Er ist Gründungsmitglied – seit 20 Jahren dabei.
Thomas Kretschmer, Geiger Kammerakademie Potsdam
"Ein wichtiger Wesenszug von der Kammerakademie ist die Selbstbestimmtheit, wir sind eben selbständig, wir sind quasi Gesellschafter. Wir sind fast wie ne große Familie, kann man sagen und das ist das, was unheimlich bereichernd ist, weil auch am Ende immer so schöne Ergebnisse rauskommen und wir zusammen kämpfen um Dinge, die uns wichtig sind."
Was heute gut dasteht begann mit einem Drama. Die in Potsdam geschätzte Brandenburgische Philharmonie wurde 1999 abgewickelt, trotz aller Proteste. Später taten sich zwei kleinere Ensembles aus Berlin und Potsdam zur Kammerakademie zusammen.
Thomas Kretschmer, Geiger Kammerakademie Potsdam
"Das war nicht immer ganz einfach. Am Anfang hatten wir doch durchaus Widerstände aufgrund der Vorgeschichte mit unserem Vorgängerorchester. Und wir hatten dann doch ein bisschen Zeit gebraucht, um hier Fuß zu fassen. Aber inzwischen ist es so, dass wir auch spüren, dass das Potsdamer Publikum bei uns ist."
Die Kammerakademie ist eine Erfolgsgeschichte geworden. Renommierte Solisten wie hier der Klarinettist Andreas Ottensamer buchen das Orchester für Aufnahmen, man gibt Konzerte in Deutschland und Europa, die Kammerakademie nimmt Schubert, Mozart, Mendelssohn auf und wird belohnt.
All das hängt auch mit Antonello Manacorda zusammen. Ein Italiener in Potsdam – vor zehn Jahren wählten ihn die Musikerinnen und Musiker zu ihrem Chefdirigenten.
Antonello Manacorda ist einer, der das Miteinander sucht – das passt zur selbstorganisierten Kammerakademie.
Antonello Manacorda, Chefdirigent
"Ich bin ein Orchestermitglied, von Anfang an gewesen. Ich war Geiger, ich war Konzertmeister, ich habe ein Orchester gegründet, genau wie dieses hier. Und dann habe ich mich entschieden zu dirigieren. Aber wo ich denn kann, und hier ist ein Ort wo ich das kann, ich mag eigentlich ein Teil der Gemeinschaft sein. Ich glaube, die Autorität hat nicht mit Tyrannei zu tun."
"Dieses Orchester ist ganz speziell, ganz besonders. Jedes Mitglied dieses Orchesters ist beteiligt an praktisch jeder Entscheidung. Das große System funktioniert anders, es gibt sehr viele Strukturen, die eigentlich am Ende viel mehr mit dem Leben zu tun haben als mit der Kunst – und hier bei uns ist das nicht so."
Zur Probe ist auch der Komponist Volker Freidel gekommen. Seine Komposition "Crossing Rubycon" wird einstudiert, die allererste Probe.
Zeitgenössisches von Komponisten aus der Region spielt die Kammerakademie regelmäßig.
Antonello Manacorda, Chefdirigent
"So es ist wirklich eine Schatzsuche, man versucht Sachen zu entdecken."
Ein Potsdamer Komponist und ein Potsdamer Orchester… Uraufführung demnächst in Potsdam.
Volker Freidel, Komponist
"Das bedeutet mir sehr viel und es ist einfach auch schön, die regionalen Möglichkeiten zu summieren und zu bündeln und da mal was Eigenes, Neues darzustellen. Dass man auch mal zeigen kann: wir hier in der Region haben auch was und können selbstbewusst in die Zukunft blicken."
Ein Orchester für die ganze Stadt will die Kammerakademie sein – sie bespielt das edle Museum Barberini, geht mit kleineren Ensembles in Betriebe oder Pflegeheime. Und leistet Basisarbeit dort, wo Potsdam nicht nur hübsch restauriert ist. In Drewitz geht die Übungsstunde heute zu Ende.
Thomas Kretschmer, Geiger Kammerakademie Potsdam
"Jeder Fortschritt ist immer was Tolles und diese Bestärkung, dass, wenn man als Team zusammen trainiert, dass dann am Ende etwas Tolles rauskommt, das ist einfach super."
Schritt für Schritt - der Kammerakademie und Thomas Kretschmer sei Dank.
Autor: Steffen Prell