
-
Wenige leideten öffentlicher für die Kunst, als Maria Callas, inklusive Skandal-Ehe mit Aristoteles Onassis und Bandwurm-Diät. Und häufig starb sie den Bühnentod, als Norma, Tosca, Madame Butterfly. Leiden für die Kunst ist das große Thema der Performancekünstlerin Marina Abramovic, die am Wochenende in "The 7 Deaths of Maria Callas" an der deutschen Oper zu sehen sein wird.
Am Anfang ist da nur ein Lichtpunkt. Marina Abramovic, im Bett liegend – als Maria Callas. Sieben Arien werden an diesem Abend gesungen, sieben Liebestode aus sieben Opern gestorben. Alle waren sie bedeutend im künstlerischen Leben von Maria Callas, der "Primadonna assoluta". Ein Leben lang ist Marina Abramovic von dieser Künstlerin fasziniert.
Marina Abramovic, Performancekünstlerin
"Ich saß bei meiner Großmutter in der Küche, ich war 14. Und aus ihrem alten Radio drang auf einmal diese Stimme. Ich bin aufgesprungen und begann zu weinen. Ich wusste nicht, wer das war. Diese starke Reaktion hat bei mir die Frage aufgeworfen, wer sie ist."
Marina Abramovic hat vieles in Maria Callas wiedergefunden, was auch sie selbst antreibt, sie ausmacht. Die bedingungslose Hingabe an die Kunst, auf der Bühne.
Maria Callas (1962)
"No real artist could be happy."
- "Madame Callas sagt: Welcher wirkliche Künstler könnte schon glücklich sein?"
"In other words we’re never pleased with what we do."
- "Wir sind niemals zufrieden mit dem, was wir tun. Wir wollen es immer noch besser machen."
Marina Abramovic, Performancekünstlerin
"Das faszinierendste an ihr ist sicherlich diese Mischung aus Strenge und Zerbrechlichkeit. Sie ist eine charismatische Diva, sehr präsent auf der Bühne – aber im Leben zerbrechlich und verletzlich."
Der Wunsch, die Liebe des Publikums zu spüren und der Druck, eine öffentliche Person zu sein. Maria Callas wurde gefeiert oder gnadenlos bedrängt, wenn sie einmal nicht alles geben konnte.
"I’m sorry, I’ve got to catch a plane."
Das Leiden für die Kunst, der Schmerz – das ist auch ein Leitthema von Marina Abramovic. In ihrer Arbeit hat sie immer Grenzen gesucht und ausgetestet. Damit ist die Weltbürgerin serbischer Herkunft zur Ikone der Performancekunst geworden. Wie eine Sängerin hat sie ihren eigener Körper zum Instrument gemacht für ihre schonungslose Arbeit. Unglück inspiriert sie.
Marina Abramovic, Performancekünstlerin
"Glück ist der Zustand, den man anstrebt, nicht der, den man ändern will. Aber Glück geht vorbei. Wenn das Unglück kommt wird man kreativ. Man fühlt in sich hinein und findet 100 Wege, es auszudrücken. Unglück teilt man mit so vielen Menschen, wir haben die gleiche DNA, wir leiden gleich."
Liebesleid und Liebestod in den pathetisch-opulenten Videos – auch da gibt es Parallelen. Marina Abramovic lebte, liebte, arbeitete jahrelang symbiotisch mit ihrem Partner Ulay, doch die Beziehung zerbrach – Abramovic fast mit ihr.
Marina Abramovic, Performancekünstlerin
"Ich bin fast wegen der Liebe gestorben. Ich habe ihn so sehr geliebt. Als die Beziehung zerbrach konnte ich nicht essen, nicht schlafen, ich war krank. Ich habe im Supermarkt geweint, im Taxi. Es war unmöglich. Sieben Jahre ging das so. Ich verstehe, dass man an Liebe sterben kann."
Maria Callas‘ große Liebe war der schwerreiche Reeder Aristoteles Onassis. Als er sie verlässt, bricht ihr das Herz.
In der Inszenierung symbolisiert Hollywood-Star Willem Dafoe den Bad Boy, er tötet die Callas, immer und immer wieder. Maria Callas ließ ihre Bühnenlaufbahn schleifen für Onassis, hätte sich eine Familie gewünscht. Das unterscheidet Maria und Marina.
Marina Abramovic, Performancekünstlerin
"Das macht mich ärgerlich. So viele Leute sind unbegabt. Wenige sind wirklich talentiert, sie war eine davon. Wenn man so eine Gabe hat, muss man sich für sie opfern – daran glaube ich fest."
Dann verklingen die Arien – und Marina Abramovic steht auf.
Dann stirbt sie den letzten, den achten Tod dieser Inszenierung. Den der 1977 einsam verstorbenen Maria Callas. Der Tod als Weg ins Licht, nicht in die Finsternis.
Und wenn Sie Maria Callas treffen könnte?
Marina Abramovic, Performancekünstlerin
"Ich würde sie gerne umarmen und ihr bedingungslose Liebe geben. Liebe hat sie so sehr gebraucht."
Was bleibt von diesem Künstlerleben? Am Ende hört man die Diva singen. Ihre Stimme wird überdauern. Keine neue Erkenntnis, aber noch nie so bildgewaltig inszeniert.
Autor: Steffen Prell