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In "Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush" erzählt Regisseur Andreas Dresen die wahre Geschichte des von der US-Regierung in Guantanamo zu Unrecht inhaftierten Murat Kurnaz aus der Sicht seiner Mutter. Rabiye Kurnaz, gespielt von der Schauspielerin und Comedienne Meltem Kaptan, kämpft mit allen Mitteln um ihren Sohn. Das ist hinreißend komisch und tief berührend.
Den Bart hat er sich im Gefängnis wachsen lassen. Fünf Jahre lang. So sieht ihn seine Mutter wieder, als er in die Wohnung zurückkehrt. Als er sie verließ, war Murat Kurnaz 19 Jahre alt, ein Schiffbauerlehring aus Bremen. In Pakistan wollte er eine Koranschule besuchen und landete in Guantanamo. Man hielt ihn für einen Terroristen. Es war nur ein Verdacht, aber der genügte. Aus dem Gefängnis schreibt er seiner Mutter. Mit diesem Brief beginnt der Film und der Kampf von Rabyie Kurnaz um die Freiheit ihres Sohnes.
Filmausschnitt, Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush
"Und, wir kennen uns? Interessant."
Im Rechtsanwaltsbüro von Bernhard Docke.
- "Von Telefon."
"Wir haben telefoniert?"
- "Nicht direkt. Von Telefonbuch."
"Sie haben mich im Telefonbuch gefunden - unter A wie Anwalt!"
- "Nein, R wie Rechtsanwalt!"
"Na, ist ja noch besser."
Andreas Dresen, Regisseur
"Wir haben hier eine Konstellation, eine sehr vitale, kraftvolle, humorvolle türkische Frau trifft auf einen Asketen von Anwalt, der natürlich Kraft seines Amtes die Rechtslage erklären muss, der pünktlich ist und strukturiert. Und diese beiden unterschiedlichen Menschen müssen irgendwie zusammenfinden. Und das ist natürlich ein großer Reiz zu sehen und zu erleben, wie diese beiden Menschen sich einander annähern und am Ende richtig tolle Freunde werden."
Alexander Scheer als Anwalt und Meltem Kaptan als Mutter. Es ist das deutsche Kinodebüt der Comedienne. Eine Ur-Gewalt der Lebenslust!
Bei der Berlinale bekam sie dafür den silbernen Bären als beste Schauspielerin.
Meltem Kaptan, Schauspielerin
"Ich möchte diesen Preis Rabiye Kurnaz und allen Müttern widmen, deren Liebe stärker ist, als alle Grenzen. Danke."
Meltem Kaptan, Schauspielerin
"Dieses Komödiantische, Humvorvolle daran, das ist tatsächlich nicht etwas, was ich als Comidenne mit meinem komödiantischem Backround mitgebracht habe oder gesagt habe, ich muss das jetzt künstlich einfügen, damit das lustig wird. Sondern es ist tatsächlich ein ganz wichtiger Bestandteil von ihr, wie sie ihren Alltag meistert.
Für mich ist sie, auch gerade im Film… Sie hat so etwas heldenhaftes, gleichzeitig ist sie ein Stehauf-Weibchen, das würde ich sagen. Das ist so der Titel, den ich ihr gebe."
Filmausschnitt, Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush
"Das ist eine sogenannte Habeas-Corpus-Klage mit Antrag auf Akteneinsicht, Zugang zu Mandanten und gerichtlicher Überprüfung der Inhaftierung."
- "Und was Rabiye Kurnaz e-fo-is George W. Bush?"
"Daß du gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten planst?"
- "Wer? Ich?"
"Ja! Du!"
Andreas Dresen, Regisseur
"Da ist ein Anwalt der normalerweise Strafverteidiger ist, wo bestimmte juristische Prinzipien greifen, wenn man was macht, wenn jemand im Gefängnis sitzt. Und ist eine Situation eingetreten, wo sein gesamtes juristisches Besteck nicht funktioniert nicht. Er hat gar nichts, er kann keine Haftüberprüfung beantragen, er hat keinen Zugang zum Mandanten. Es gibt keine Anklageerhebung. Nichts. So. Und ich denke, dass ist für einen Anwalt eine wahnsinnige Herausforderung, wie löse ich so etwas jetzt? Wie kann ich da vorgehen? Und es hat ihn ja über fünf Jahre viel Kraft und Aufwand gekostet, einen Weg zu finden, bis hin zu dem Punkt, dass man sich einer Sammelklage vor dem Supreme Court anschließt und den amerikanischen Präsidenten verklagt."
Rabiye Kurnaz 2004 vor dem Capitol in Washington. In der Hand hält sie ein Foto ihres Sohnes.
Der Film stilisiert sie nicht zu einer politischen Aktivistin. Er folgt ihrer Hartnäckigkeit.
Regisseur Andreas Dresen und Drehbuchautorin Laila Stieler gelingt dabei, was eigentlich nicht gelingen kann: ein Politthriller als warmherziges Porträt einer temperamentvollen Frau.
Der Kampf um ihren Sohn, ist auch ein Kampf um das Wesen der Demokratie und zugleich ein Protokoll ihres Versagens.
Andreas Dresen, Regisseur
"Es ist schon eine Art Protestfilm, weil er sich dagegen auflehnt, dass es in unserer Gesellschaft, die sich demokratisch nennt, ein System gibt, dass sich jeglichem rechtsstaatlichem Zugriff entziehen mag. Das System Guantanamo ist nicht rechtsstaatlich, es ist undemokratisch. So etwas darf es nicht geben. Und dass dort bis heute immer noch 39 Leute sitzen, ohne ein rechtsstaatliches Verfahren, das erregt meinen Zorn. Die sitzen über 20 Jahre mittlerweile dort. Das darf nicht wahr sein. Und wir dulden das."
Rabiye Kurnaz klagt gegen George W. Bush. Doch der Film enthält auch einen deutschen Skandal: die mediale Verunglimpfung ihres Sohnes als "Bremer Taliban". Und das staatliche Desinteresse an seiner Freilassung. Murat Kurnaz lebt heute wieder in Deutschland - dank der Sturheit seiner Mutter und der Ausdauer ihres Anwalts.
Autor: Lutz Pehnert