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Seit Beginn des Krieges in der Ukraine bekommen wir von Künstler*innen aus der Ukraine Videos, in denen sie ihren Alltag zeigen und kommentieren. Eine davon ist Liza German, eine Kuratorin aus Kiew, die im Februar eigentlich gerade am ukrainischen Pavillon bei der Biennale von Venedig gearbeitet hat. Dann kam der Krieg, sie musste fliehen, hat unterwegs sogar ein Kind bekommen und lange war völlig unklar, ob sie es überhaupt nach Venedig schafft. Ob es geklappt hat, zeigen wir in dieser Folge.
Liza German, Kuratorin
"Es ist unfassbar, aber ich bin in Venedig!"
"Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass es einen Krieg in der Ukraine geben würde, und dass ich fast zwei Monate nach Kriegsbeginn nach Venedig reisen würde, hätte ich die Person für verrückt erklärt."
"Hallo, ich heiße Liza German, ich weiß nicht, wie ich mich in einem Wort vorstellen kann, ich bin Kuratorin des ukrainischen National-Pavillons auf der Venedig Bienale und seit kurzem Mutter des kleinen Herrmann, der in der Ukraine geboren ist am Anfang der 4. Kriegswoche."
"Es ist ein Wunder, dass wir es geschafft haben, diesen Pavillon zu eröffnen. Das ist eine lange Geschichte."
Liza German, Kuratorin
"Am 4. April bin ich von Kyiw aufgebrochen, als es klar wurde, dass es zu gefährlich ist, dort ein Kind zur Welt zu bringen. Es ging hier nicht um einen gewissen Komfort, wie in Friedenszeiten. Es ging darum, ob das Kind Tageslicht zu sehen bekommt. Das Kind habe ich in Lwiw bekommen, dort haben wir ein paar Wochen verbracht. Von Lwiw bin ich mit meinem Mann Evgenij in Richtung Wien aufgebrochen. Ich habe das Gefühl, nur noch unterwegs zu sein: Ich habe gelernt, mein Kind an Tankstellen zu versorgen; es schläft wunderbar im Auto."
"Ich fühle mich nicht wie eine Person auf der Flucht; ich fühle, dass ich eine berufliche Mission habe und ich verfolge meinen Plan: Kurz gesagt, ich fahre einfach arbeiten. Vielleicht wird sich aber mein Gefühl ändern, wenn das Ganze zu Ende geht und wir von Venedig wegfahren müssen. Aber ich will jetzt nicht darüber nachdenken."
"Heute morgen haben wir uns von Wien auf den Weg nach Venedig gemacht. Das ist dann unser dritter Umzug seit dem Anfang des Krieges."
"Ich stehe mit dem kleinen Herman vor den Giardini und warte auf die Architektin Dana Kozmyna, mit der wir die zweite Location bauen, wo Künstler:innen aus der Ukraine gezeigt werden, die sich mit dem Krieg auseinandersetzen. Aber wir werden nicht reingelassen, weil mit piccolissimo Herman darf man den Ausstellungsaufbau nicht betreten, zu unserer eigenen Sicherheit."
"Dass der ukrainische Nationalpavillon realisiert wurde, ist vielen Menschen zu verdanken. Maria Lanko, meine Mit- Kuratorin, hat das Unmögliche geschafft; sie hat am ersten Kriegstag das wichtigste Element des Projekts aus Kyiw gerettet: das sind ungefähr 70 Trichter aus Bronze, die man nicht in kurzer Zeit hätte neu produzieren können. Sie ist damit von Kyiw bis zur ukrainischen Grenze gefahren; ohne die Trichter hätten wir die Ausstellung nicht machen können."
"Natürlich wäre sie auch nicht ohne den mutigen Künstler Pavlo Markos‘ möglich gewesen. Er kommt aus Kharkiv und dort ist die Situation noch viel schwieriger als in Kyiw. Eine Woche lang war er mit seiner Familie und seiner 90jährigen Mutter im Luftschutzbunker. Dann erst konnte er die Stadt verlassen… Aber Pavlo ist jetzt hier und das wichtigste ist, dass der Künstler anwesend ist."
"Wir reden hier mit vielen Menschen über den Krieg. Man hat das Gefühl, dass nicht allen Menschen in Europa klar ist, was passiert und dass es dabei nicht nur um die Ukraine geht, sondern in dem Krieg geht es um ganz Europa: Es ist ein Krieg um die Welt, eine Krise der Menschlichkeit, eine Krise internationaler politischer Vereinbarungen, eine Krise der Sicherheitsgarantien für die ganze Welt."
Autor*innen: Mitya Churikov, Charlotte Pollex