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Leander Haußmann beschäftigt sich schon lange mit dem Leben in der DDR, vor allem mit den Absurditäten des Alltags. Nach "Sonnenallee" und "NVA" schließt der Regisseur jetzt seine DDR-Trilogie mit "Stasikomödie" ab. Es geht um einen Stasi-Spitzel in der Prenzlauer-Berg-Boheme, der sich in seinem Operationsfeld so wohl fühlt, dass er seinen ursprünglichen Auftrag vergisst. Und damit geht es auch um die schwierige Frage nach den Guten und den Bösen im SED-Staat - versteckt in einer gehörigen Portion Klamauk.
"Bei Rot bleibe stehen, bei Grün kannst Du gehn", so sangen die Kinder der DDR auf ihrem Weg zu einer allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeit. Und Ludger beschreitet diesen Weg - der ihn nicht nur auf die Probe stellt, sondern geradewegs in die Fittiche der Staatssicherheit führt.
Filmausschnitt, Stasikomödie, Regie: Leander Haußmann
"Lauter Tierliebhaber hier im Raum?"
David Kross, Schauspieler
"Die Ampel ist rot, er bleibt stehen, er geht nicht, er hält sich an die Regeln. Die Stasi sieht das und stellt ihn daraufhin ein."
Gerettet wird erst, wenn die Stasi die Freigabe erteilt.
"Er ist halt zuverlässig, hält sich an die Regeln, er steht der DDR positiv gegenüber, er ist systemtreu."
Filmausschnitt, Stasikomödie, Regie: Leander Haußmann
"Wie heißt es so schön, das Schicksal hat Name und Adresse."
- "Wir müssen in die sogenannte Szene eindringen."
Und Ludger gehört zu den Auserwählten dieses Auftrags. Das Feindgebiet ist der Prenzlauer Berg in den 80er Jahren.
Filmausschnitt, Stasikomödie, Regie: Leander Haußmann
"Guck mal!"
Die Feinde sind die "negativ Dekadenten", die Schönen und Coolen der ostdeutschen Boheme.
- "Ah, ne negativ Dekadente!"
Und dieser Film, das verrät schon sein Titel, ist kein Drama, sondern ein skurriler Spaß.
Leander Haußmann, Regisseur
"Figuren in einer Geschichte haben in der Regel keinen Humor. Sie sind ja einer Situation ausgeliefert, in der sie sich behaupt müssen. Umso konträrer die Situation zu dem Charakter steht, um so lustiger wird es. Und um so ernsthafter die Figur sich mit dieser Situation auseinandersetzt, umso lustiger wird es."
Filmausschnitt, Stasikomödie, Regie: Leander Haußmann
"Sie kommen! Scheiße! Deckung!"
Ja, was jetzt? Staatsicherheitsangestellte nicht als abklärte Monster mit Handgelenktaschen, sondern als komische Kauze...
"Ich hab’s auf Bild."
"Ich auf Ton."
"Ich hab’s mitgeschrieben."
…die eigentlich auch nur das sein wollen, was sie beobachten: verliebte Jungs.
Leander Haußmann, Regisseur
"Im Grunde genommen, ging es nicht darum, einen Film über die Staatssicherheit zu machen, sondern es ging darum Stereotypen abzubauen. Es nutzt uns ja nichts, wenn wir in dieser Welt davon ausgehen, dass es gute und böse Menschen gibt. Wir müssen uns befragen, wie Menschen so werden oder warum ist das so oder so möglich?"
Heiter geht es weiter. In den Hort des Bösen. Der Aberwitz steigert sich, als Ludgers etwas zu lyrisch geratenen Protokolle auch in der Künstler- und Literaten-Szene für Beifall sorgen.
Was für eine Karriere! Ludger wird von den schönsten Mädchen der ostdeutschen Boheme geküsst und von seinem Führungsoffizier. Aber darf man so leicht und lässig die DDR erzählen?
Leander Haußmann, Regisseur
"Es kann nicht sein, dass die Frage aufkommt, ob man das darf oder nicht darf, ob man dieses oder jenes so sagen darf. Das widerspricht total meinen Vorstellungen von diesem Land, in dem wir leben.
Es ist natürlich auch so und es ist wahnsinnig anstrengend, wenn mir Leute, die da nicht gelebt haben, sagen, wie ich mich zu erinnern habe. Und wenn ich mich erinnere und wenn die Erinnerung schön ist, dann wird mir noch nicht mal das Recht auf Nostalgie zugebilligt, sondern das ist dann Ostalgie. Und das ist Diskriminierung."
Leander Haußmann verharmlost und beschönigt nichts. Aber wie schon in seinen Filmen "Sonnenallee" und "NVA" erzählt er rücksichtslos komisch von den Verrücktheiten des Lebens. Henry Hübchen - übrigens - spielt dabei einen grandios abgebrühten Mann mit grauen Wolfszähnen und einer traurigen Seele. Für diese Rolle wurde er gerade als bester Nebendarsteller für den deutschen Filmpreis nominiert.
Henry Hübchen, Schauspieler
"Das ganze Leben ist ja eine Komödie. Ist ja immer die Frage, wie der Blickwinkel aussieht. Wir haben eben den Blickwinkel, die Stasi auch zu verhöhnen, zu verlachen. Das haben wir damals schon gemacht. Ich habe sie nicht ernst genommen."
Filmausschnitt, Stasikomödie, Regie: Leander Haußmann
"Wir sind im Krieg mit dem Klassenfeind seit´45. Und du bist ein Soldat und hast einen Befehl."
- "Dann kündige ich jetzt."
Der Feind sitzt nicht auf der anderen Seite, er steckt in jedem von uns. Davon erzählt diese Komödie. Und davon, dass menschliches Mißtrauen und Versagen nie nur ein Privileg des Staatssystems DDR gewesen sind.
"Kündigen!?"
- "Ja, ich kündige!"
Leander Haußmann, Regisseur
"Ich denke, wir müssen vorsichtig sein, dass wir uns nicht so selbstgefällig zurücklehnen in der Gemütlichkeit der Gegenwart und annehmen - vor dem Hintergrund der DDR -, dass wir im Paradies der Glückseligen angekommen wären. Es gibt nämlich noch ganz schön viel zu tun. Die Welt sieht nicht so richtig gut aus. Und wir hatten ja die Hoffnung, dass nach dem Fall der Mauer die Dinge besser werden. Sind sie aber nicht, sie sind schlimmer geworden teilweise. Und daran müssen wir arbeiten. Und da nützt es uns nichts zu sagen: Das war viel schlechter."
Autor: Lutz Pehnert