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Alles war möglich im Berlin nach der Wende. Gefeiert wurde in ehemaligen Bunkern, E-Werken und Tresorräumen. Für die Clubszene gilt: Wer sich erinnern kann, war nicht dabei. Damit Ihnen das nicht passiert, hat die App berlinHistory jetzt in Zusammenarbeit mit der Clubkommission die Geschichte der Clubs hochgeladen. Spannend, auch weil es eine Geschichte der Verdrängung aus der Mitte der Stadt ist.
"Durch den Fall der Mauer war in Berlin wirklich alles möglich."
"Es gab viel mehr Subkultur. Spielräume. Und Freiräume."
"Ich hatte das Gefühl, hier war ich nicht das schwarze Schaf, sondern einer unter Vielen."
"Du hast ganz oft Dinge erlebt […] das war Anarchie."
Schlange stehen, Feiern gehen, exzessive Nächte. Die Geschichte der Berliner Clubs zeigt uns nun eine neue App.
Daniel Jakobson hat sie für die Berliner Clubkommission und Berlin History mitentwickelt. Die meisten der Clubs in Ost- und Westberlin gibt es nicht mehr. Und so lädt die interaktive Karte ein zu einem wehmütigen Blick in die Vergangenheit ein.
Daniel Jakobson, Berliner Clubkommission
"Wir wollten auf jeden Fall den Locations ein Denkmal setzten. Menschen, die vielleicht noch nicht die 80er, 90er Jahre erlebt haben. Zeigen, wie reichhaltig, die Berliner Clubkultur war und natürlich ist. Aber auch zu zeigen, was da verloren gegangen ist. Warum es diese einzigartigen Orte nicht mehr gibt. Warum diese Orte schließen mussten, wo es diese einzigartigen Orte waren und was da heute steht."
Daniel Jakobson schätzt, dass 500 Clubs seit dem Mauerfall geschlossen haben. Darunter für Clubgänger*innen legendäre Orte, wie das 90 Grad, die Bar25 und das E-Werk.
"Da sind auch sehr, sehr viele kleinere Stätten und kleinere Projekte irgendwie zu finden, die vielleicht irgendwie nur 200 Meter von der eigenen Wohnung entfernt sind. Was da so nachts unterwegs und los war, das ist schon auf jeden Fall ein interessanter Faktor an der Clubhistory.“
In der App wird auch die Geschichte des SchwuZ erzählt. 1977 gegründet, gehen hier Aktivismus und Feierwut Hand in Hand. Im Laufe der Zeit hatte es vier Standorte. Ursprünglich in der Kulmerstraße in Schöneberg ging es zunächst zur Hasenheide, dann zum Mehringdamm.
Der heutige Geschäftsführer, Marcel Weber, entdeckte es hier für sich, als er aus der Enge der Vorstadt nach Kreuzberg kam.
Marcel Weber, Geschäftsführer SchwuZ
"Das war im Jahr 1999, da habe ich nämlich im Cafe Sundström gearbeitet, was am Mehringdamm damals das Café vor dem Schwuz war. Und bin dann das erste Mal durch das Café hinten die Treppen runter und dann war ich plötzlich in einer ganz anderen Welt."
Seit 2013 ist das Schwuz in Neukölln in der Rollbergstraße. Und bis heute ist es ein geschützter Raum für die queere Community.
"Da kann man einfach mal so sein, wie man ist. Da muss man nichts erreichen, man kann sich wohlfühlen. Und ich glaube das ist ganz essenziell, solange wir in einer Gesellschaft leben, wo es heißt, Druck, Druck Druck."
Die App feiert legendäre Clubs, wie das "Linientreu", das viele Westdeutsche von der Klassenreise kennen. Die Baghwan Disko "FarOut" oder die Kultstätte des Techno, der ursprüngliche Club "Tresor".
Sie alle haben zu gemacht, wie auch das Icon in Prenzlauer Berg. Lars Döring war hier Clubbetreiber von 1998 – 2012. Das Icon wurde verdrängt, weil es den Anwohnern zu laut wurde.
Lars Döring, ehemaliger Betreiber "Icon"
"Es war auf jeden Fall verraucht und man hat halt immer den Schweiß gerochen von den Menschen, die gefeiert haben. Und es war packed. Alle haben geschrien, alle haben getanzt. Und nur die Musik, die Bässe, das rote Licht, haben die Leute so glücklich gemacht."
"Das ist halt einfach ein Sinnbild von Gentrifizierung. Weil es ja auch so ist, dass im Prenzlauer Berg viele Menschen, die hier jung hergezogen sind, sehr offen waren und das auch genutzt haben zu feiern. Und dann danach, auch diejenigen zum Teil, nicht alle, aber einige waren bei anderen Läden jedenfalls, sich beschwert haben, dass es jetzt zu laut ist."
Zu laut war es auch den Mietern rund um die Rummels Bucht. Und das, obwohl der gleichnamige Club in den 10er Jahren auf Freiflächen außerhalb des Sbahnrings gegründet wurde.
Doch 2021 war Schluss. Jetzt sollen hier teure Eigentumswohnungen und ein Aquarium entstehen. Für die ehemalige Clubbetreiberin Angela Volz, ein Zeichen dafür, dass die Vielfalt Berlins verloren geht.
Angela Volz, ehemalige Betreiberin Rummelsbucht
"Es ist ziemlich schade, wenn Berlin sich da mal nicht kümmert. Das es mal so ein bisschen das bleibt, was man früher hatte. Eine Kulturstadt. Eine Subkulturstadt. Eine quirlige Stadt. Eine bunte Stadt. Das geht immer mehr verloren oder wird an den Rand gedrängt oder in andere Städte verdrängt. Und da könnte ich mir vorstellen, dass sich Berlin irgendwann umguckt. Weil der Tourismus lebt auch davon."
Auch an diesen Club erinnert nur noch die App. Für die ClubbetreiberInnen ist die App mehr als eine wehmütige Rückschau, sondern vor allem eine Mahnung.
Angela Volz, ehemalige Betreiberin Rummelsbucht
"Ich glaube fest daran, dass wir noch mal was machen. Was sollen wir auch sonst machen. Das ist unser Leben. Da wird schon was kommen."
Lars Döring, ehemaliger Betreiber "Icon"
"Wenn man sich dann die App anschaut, was wir alles schon verloren haben. Sieht man, wie wichtig es ist, dass man heute dafür kämpfen muss, dass das, was wir noch haben erhalten bleiben muss. Und zusätzlich noch dazu neue Räume für junge Menschen geschaffen werden muss, damit sie sich entwickeln können. Und damit sich auch die Stadt weiterentwickeln kann."
Marcel Weber, Geschäftsführer SchwuZ
"Das ist übrigens auch eine Einladung für Berlinerinnen und Berliner. Und für Brandenburgerinnen und Brandenburger mal zu gucken, was gabs eigentlich mal für Clubs, was gibt’s heute für Clubs. Wie ist das alles entstanden. Und so ein bisschen eine Wertschätzung zu bekommen. Und zu sagen “wir sind ein wichtiger Teil dieser Kulturlandschaft."
Damit das Berlin der Zukunft bloß nicht zu still wird.
Autorinnen: Claudia Gerth, Antonia Sawallisch