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Buddha als Deko-Figur im Bad. Traditionelle Muster ethnischer Minderheiten in den Kollektionen von Modeketten. Indigenes Wissen um Heilpflanzen in Arzneien von Pharmakonzernen. Es gibt viele Beispiele für die Frage, wo die Grenzen zwischen kulturellem Austausch und einer unethischen Aneignung oder sogar Ausbeutung verlaufen. Solche Formen der respektlosen Aneignung stehen unter dem Schlagwort "Cultural Appropriation" verstärkt in der Kritik. Eine Spurensuche mit der Rapperin "Nashi44" und der Schauspielerin Ria Knight, die in ihren Werken kulturelle Aneignung anprangern und dem Potsdamer Soziologen Lars Distelhorst, der seit Jahren zum Thema forscht.
Buddha - der Erwachte: Er hat das Nirvana erreicht, eine Weltreligion begründet. Und jetzt sitzt sein Abbild auf dem Parkplatz eines Berliner Möbelhauses, bunt besprayt.
Nashi 44, Rapperin
"Als ich letztens hier mit Freunden vorbeigelaufen bin, hab ich diese Buddha-Statue gesehen. Und das hat mich krass irritiert, weil ich kenn das eigentlich nur davon, dass ich mit meiner Familie in den Tempel gehe und dann steht da die Buddha-Figur erhöht auf einem Altar zum Anbeten da. Das ist etwas Religiöses. Und dann hab ich sie hier gesehen, parkend, zwischen den Autos, auf die Straße blickend - und das fand ich erstmal sehr irritierend."
Nashi44 ist Rapperin. Auf ihrer ersten EP, die gerade für Furore sorgt, geht es um Rassismus und Respektlosigkeit, die sie als Deutsch-Vietnamesin erlebt.
Ausschnitt aus Song, Nails, Lashes, Bubbletea
"Buddha, Reishut, Samurai-Schwert
von der Bedeutung keine Ahnung, aber ich pimpe meine Welt.
Reine Deko, nur weil’s mir gefällt
und schnell noch ein Selfie im Plastikblumengeschäft.
Zu viele Traumata,
für Dich ist es einfach nur Spaß.
Du stellst Buddha ins Bad,
Zen mein Arsch"
Nashi 44, Rapperin
"Das Krasseste, was ich bis jetzt gesehen habe, war auf Klodeckeln, dass da das Gesicht von Buddha raufgedruckt wurde. Das heißt, du gehst ins Badezimmer und bevor du dein Geschäft machst, siehst du das Buddha-Gesicht auf der Kloschüssel. Das tut weh, das macht man nicht."
Unsere westliche Konsumwelt hat aus einer heiligen Figur ein Deko-Objekt gemacht, das für Wellness und Exotik steht - seinen eigentlichen Sinn aber längst verloren hat.
Lars Distelhorst, Professor für Sozialwissenschaft
"Stellen wir uns vor, das wäre eine Maria-Statue oder eine Jesus-Skulptur und die würde Klopapier halten. Das man sowas überhaupt käuflich erwerben kann, ist kaum zu glauben."
Lars Distelhorst ist Professor für Sozialwissenschaft in Potsdam. Er forscht dazu, wie die weiße westliche Kultur Elemente aus anderen Kulturen übernimmt und kommerzialisiert. Unter dem Schlagwort "kulturelle Aneignung" wird so ein Verhalten mehr und mehr kritisiert – zurecht, argumentiert Lars Distelhorst in seinem gleichnamigen Buch.
Lars Distelhorst, Autor "Kulturelle Aneignung"
"Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen kulturellem Austausch, der auf Augenhöhe stattfindet, und kultureller Aneignung. Durch Prozesse kultureller Aneignung wird Kultur zu einer Ware gemacht. Und wenn Dinge zu Waren gemacht werden, verlieren sie Bedeutung, werden in ihrer Bedeutung verzerrt."
Zu lange, sagt Distelhorst, hat die weiße Mehrheitsgesellschaft respektlos mit den Kulturen von Minderheiten gespielt: etwa verkleidet als "Indianer": Volksgruppen, die in Nordamerika systematisch entrechtet wurden. Im Brandenburg der 90er spielten Hauptstädter an Wochenenden Häuptling. Heute wächst das Bewusstsein, dass sich in solchen Formen kultureller Aneignung Rassismus spiegelt.
Riah Knight, Schauspielerin und Musikerin
"This is obviously ridiculous [lacht] Going to a Halloween party as a first nations person [...] These things aren’t funny, these headdresses had a really big significance for these communities, so they are not a joke."
"Das ist lächerlich. Das ist kein Halloween-Kostüm, sich als indigene Person zu verkleiden. Der Kopfschmuck hat eine wichtige Bedeutung in diesen Communities - das ist also kein Witz."
Riah Knight ist Schauspielerin und Musikerin. Sie stammt aus einer britischen Roma-Familie. Seit fünf Jahren arbeitet sie am Gorki-Theater in Berlin - derzeit für das Stück "Slippery Slope", ein Musical über kulturelle Aneignung, das gerade auf dem Theatertreffen gefeiert wurde.
Szene aus "Slippery Slope"
"Sky: Stop, it was nothing like that! You’re making shit up again. The stage wasn’t by the river, it was in the car park behind the pub. And I wasn’t wearing a skirt - I never wear skirts."
"Stop, so war es gar nicht! Die Bühne war nicht am Fluss, sie war auf dem Parkplatz hinter dem Pub. Und ich hatte keinen Rock an, ich trage nie Röcke!"
Riah Knight, Schauspielerin und Musikerin
"Sky, my character, is a British Romani, and her music is culturally appropriated by Gustav, who is a white man who has made a career of taking traditional music from cultures, from peoples around the world and then making money out of it."
"Sky, meine Figur, ist eine britische Romni, deren Musik sich Gustav kulturell aneignet. Gustav ist ein weißer Mann, der damit Karriere gemacht hat, die traditionelle Musik von Minderheiten der ganzen Welt zu übernehmen und zu Geld zu machen."
Szene aus "Slippery Slope"
"This song from my first album was inspired by the year I spent with the last nomadic bedouin tribes living in the ancient desert of Wadi Rum."
"Dieser Song von meinem ersten album ist inspiriert von dem Jahr, das ich mit den letzten nomadischen Beduinen verbracht habe, die in der Wüste von Wadi Rum leben."
Riah Knight, Schauspielerin und Musikerin
"Which is a very obvious, clear cut example of cultural appropriation, where the power dynamic is out of balance, that he's making money out of their culture and not giving back to the community."
"Das ist ein klares Beispiel für kulturelle Aneignung, denn es gibt ein Machtverhältnis: Er schlägt Kapital aus ihrer Kultur und gibt der Community nichts zurück."
Riah Knight geht es auch darum, die kulturellen Leistungen ihrer Community - der Roma - ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Riah Knight, Schauspielerin und Musikerin
"There is music that originated from the Romani communities in specific countries and in those cases it’s incredibly important that it’s acknowledged as being originally Romani music, even if it's now taken on a much broader audience and more people play it - as with Flamenco for example. The Spanish government has actually now acknowledged that flamenco is a Romani music and it originated in the Romani community."
"Es gibt Musik, die klar auf Roma-Gruppen zurückgeht. In solchen Fällen ist es total wichtig, dass das auch öffentlich anerkannt wird - auch wenn inzwischen mehr Leute die Musik spielen. Flamenco ist ein gutes Beispiel. Die spanische Regierung hat inzwischen anerkannt, dass Flamenco aus der spanischen Roma-Community kommt."
Längst wird Flamenco von Menschen auf der ganzen Welt getanzt und gespielt. Das ist kein Problem, findet Riah Knight, solange die Ursprünge dieses Kulturguts Wertschätzung und Aufmerksamkeit bekommen.
Lars Distelhorst, Professor für Sozialwissenschaft
"Was Menschen, die Kritik an kultureller Aneignung formulieren und teilen, absolut begrüßen, ist kultureller Austausch, kulturelle Vermischung."
Es geht nicht darum, die Kulturen zu trennen - es geht um mehr Respekt und Wissen als Grundlage für einen Austausch auf Augenhöhe, sagt auch Nashi44.
Nashi 44, Rapperin
"Ich bin die letzte, die sagt: Du darfst das nicht und du darfst das nicht. Das will ich überhaupt nicht mit meinen Songs aussagen. Es geht mir darum - und so versuche ich durchs Leben zu gehen - mich bewusster mit Sachen auseinanderzusetzen, bevor ich sie mir einfach aufsetze."
Autorin: Anne Kohlick