
-
Florian Sông Nguyễn steht beispielhaft für die Künstler dieser 12. Berlin Biennale. Er ist Quereinsteiger und beschreibt sich selbst als Franzose vietnamesischer Abstammung. Heute pendelt er zwischen Ho Chi Minh-Stadt und Marrakesch, Vietnam und Marokko, zwei Ländern die durch die Kolonialpolitik Frankreichs geprägt wurden.
Florian Song Nguyen lässt uns dabei sein, wenn aus dieser weißen Wand ein Kunstwerk wird. Für ihn ist die Berlin Biennale eine große Chance. Wir treffen ihn eine Woche bevor alles fertig sein muss für die Ausstellung.
Florian Sông Nguyễn, Künstler
"Quant arrive, tout est blanc, tout est propre, il faut le temps de s’installer, que cela devienne un peu chez moi, le temps que je vais travailler ici."
[Übersetzung der Redaktion]
"Als ich ankam, war alles so weiß und sauber. Ich habe ein paar Tage gebraucht, um mich zuhause zu fühlen, wenn ich hier arbeite."
In seiner Arbeit geht es um Straßenhunde: Er hat sie in Marokko gezeichnet: 2020 kam er in das Land. Eigentlich wollte er nur für zwei Wochen bleiben, aber wegen Corona kann er nicht mehr zurück nach Vietnam, wo er damals lebte.
Die streunenden Hunde in Marokko sind wilder als die, die er aus Vietnam kennt: Sie suchen nicht mehr die Nähe der Häuser, sie jagen Haustiere. Viele Menschen versuchen sie zu töten, zu vergiften.
Florian Sông Nguyễn, Künstler
"Qu’est-ce que cela dit de nous la manière dont on réagit. C’est l’animal le plus proche de nous, mais à partir du moment ou ils redevient parce qu’il vivent dans la nature, redeviennent animal, notre réponse c’est la violence du coup."
[Übersetzung der Redaktion]
"Was sagt das über uns? Es geht mir um dieses Verhältnis zwischen Mensch und Hund: Hunde sind die Tiere, die uns am nächsten sind. Aber in dem Moment, wo diese Verbindung gekappt wird, wo sie wieder wild werden, wo sie zurück gehen in die Natur, antworten wir mit Gewalt."
"C’est un moment le plus difficile. Il faut lâcher les choses, il faut que cela sorte, et du coup, c’est le petit moment, je sui un peut au bord de la falaise avant de sauter la."
[Übersetzung der Redaktion]
"Das ist jetzt der schwierigste Moment: Ich muss mit dem Malen an der Wand beginnen, ich muss loslassen. Das ist so, als ob ich auf einer Klippe stehe - und jetzt muss ich springen."
Florian Song Nguyen hat eigentlich Sport studiert, das Zeichnen und Malen hat er sich selbst beigebracht. Er liebt das Handwerkliche, dass die Ideen durch seinen Körper müssen bevor sie Gestalt annehmen.
Der 33-jährige ist in Frankreich aufgewachsen, seine Großeltern stammen aus Vietnam. Zurzeit pendelt er zwischen Ho Chi Minh Stadt und Marrakesh, wo er sich verliebt hat.
Florian Sông Nguyễn, Künstler
"Il faut lâcher les chevau, comme on dit. il faut les choses se faire."
[Übersetzung der Redaktion]
"Ich muss die Zügel noch mehr lockerlassen, ich muss es noch mehr geschehen lassen."
Das Thema der streunenden Hunde beschäftigt ihn schon seit Jahren:
Florian Sông Nguyễn, Künstler
"Je pense que ça remonte à des questions de territoire, et celles d’identité. Le coup aussi d’exile, les questions transgenerationelles, dans ma famille qui ont vécu l’exile brutaux. Si ce sujet m’intéresse parce qu’il y des liens qui se sont créer."
[Übersetzung der Redaktion]
"Ich glaube, weil es dabei um Fragen nach dem Territorium geht, nach Identität. Ich verarbeite damit auch die brutale Erfahrung von Vertreibung, die es in meiner Familie gibt und uns über die Generationen bis heute prägt. Das Thema der streunenden Hunde hat viele Anknüpfungspunkte für mich."
Wo gehöre ich hin? Wo komme ich her? Um diese Fragen geht oft in seiner Kunst. Seine Großeltern mussten in den 50ern vor dem Vietnamkrieg nach Frankreich fliehen. Für eine seiner ersten Projekte hat er sie gezeichnet.
Florian Sông Nguyễn, Künstler
"Mes grand parents sont des gens qui ont vécu l’exile, gui ont vécu la guerre. Il y a des faussées générationelles en fait. Parce que c’ est difficile de vraiment comprendre ce qui c’est passé. Et moi je me suis servi du dessin comme d’un moyen pour m’approcher au plus près en faite."
[Übersetzung der Redaktion]
"Meine Großeltern haben Flucht erlebt, den Krieg, das ist wie ein Graben zwischen den Generationen, wie eine unsichtbare Wand zwischen uns, weil es sehr schwer ist, das wirklich zu verstehen. Und das Zeichnen war für mich ein Mittel, meinen Großeltern so nah wie möglich zu kommen."
Mit seinem Wandgemälde will Florian Song Nguyen zeigen, wie die Erfahrung von Flucht und Exil nicht nur in seine Familie prägt. Sein Bild erzählt auch das, was sich dabei nicht in Worte fassen lässt, was verschwiegen wird und was trotzdem da ist. "Still present" – so auch das Motto der diesjährigen Berlin Biennale.
Autorin: Vanessa Loewel