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"Abenteuer eines Mathematikers"- der Spielfilm von Thorsten Klein lag wegen Corona zwei Jahre auf Eis, jetzt hat er eine traurige Aktualität bekommen.
Stanislaw Ulam ist schon mit 30 Jahren ein renommierter Mathematiker, er kommt 1938 als Hochschullehrer nach Harvard und lässt Leben und Familie in Lemberg in Polen zurück. Sein kleiner Bruder, am Vorabend des zweiten Weltkriegs emigriert, hat bei ihm Unterschlupf gefunden.
Die Brüder bangen nach Hitlers Überfall um das Leben ihrer jüdischen Familie in Polen, die sie beschwören nachzukommen. Der Film erzählt, nach der Autobiografie von Stan Ulam, die Geschichte und Entwicklung einer Bombe, die die Welt verändern wird.
Der Regisseur Thor Klein ist aktuell für ein Filmprojekt in Schottland, wir sind für das Interview zum Videocall verabredet. Kleins Faszination für die avantgardistische Mathematiker-Szene jener Jahre ist nicht ganz neu.
Thor Klein, Regisseur
"Es hat schon vor langer Zeit angefangen, als ich so ungefähr dreizehn war, hab ich in der Bibliothek meiner Heimatstadt ein Buch gefunden, indem es um die Geschichte des "Institut for Advanced Study" ging, das war ein Ort an der amerikanischen Ostküste an dem die Amerikaner damals die intelligentesten Wissenschaftler der Welt eingeladen haben."
Dort am Institut lernen sich auch Stan Ulam und der Mathematiker John von Neumann kennen, von deren Freundschaft der Film erzählt. Die Szene der Immigranten bestand aus jungen, rebellischen Wissenschaftlern aus Osteuropa, zum großen Teil mit jüdischen Wurzeln.
Sein Freund John offeriert ihm schließlich einen Job in "Los Alamos", dort heuert man gerade viele Mathematiker an, ein geheimer Ort der US-Regierung, militärisches Sperrgebiet in New Mexico. Es ist das Forschungslabor zur Entwicklung der Atombombe.
Klein, Regisseur
"Das waren ja keine langfristigen Entscheidungen, die damals getroffen wurden: "ich baue jetzt Atomwaffen", sondern das waren Immigranten, die einen Job gebraucht haben."
John von Neumann: "Wir müssen und enorm beeilen und die Bombe fertig stellen, bevor es die Nazis tun."
Stan: "Dann lass mich helfen!"
Die Arbeiten im sogenannten Manhattan-Projekt wurden von dem berühmten Physiker und Vater der Atombombe Robert Oppenheimer geleitet. Zig Tausende Menschen lebten und arbeiteten unter höchster Geheimhaltung in dieser Forschungsstadt.
"Was haben sie genau vor mit dieser Bombe?
- "Ich denke nicht, dass die Amerikaner sie einsetzen, wenn es niemand anders tut, sie dient zur Abschreckung, es ist mehr wie eine Warnung."
Der Film fokussiert zunehmend die Zwickmühle, das moralische Dilemma von Stan Ulam während seiner Mitarbeit an der Entwicklung dieser Bombe. Motivation war immer sie zu haben, bevor Hitler sie hat.
"Jack, was ist passiert?"
"Der Krieg in Europa ist vorbei, wir haben gewonnen, wir haben die Nazis besiegt."
Aber die Atombombe ist nun in der Welt. Und sie wird mit der "Waffe am Kopf" leben müssen.
Klein, Regisseur
"Ab dem Punkt wird es eigentlich ein bisschen zu einem Fluch, mit dem wir uns seitdem immer auseinandersetzen müssen, dass wir es einfach nicht ignorieren können, dass es da ist."
Nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki führt für die Wissenschaftler in Los Alamos die Frage nach Fluch und Segen der Atombombe zum Bruch untereinander.
"Was hab ich getan?"
- "Appeasement hat zur Barbarei geführt, Jack. Europa hat Selbstmord begangen."
Klein, Regisseur
"Das Schwierige ist eben, warum es jetzt heute in einer besonderen Weise wieder zu ner Bedrohung wird, ist: damals ging es eben darum die größtmögliche Bombe zu bauen, was ja, die Wasserstoffbombe, was größeres als die Wasserstoffbombe ist technisch ja gar nicht möglich. Heute geht es eher darum, die kleinstmöglichen Waffen zu bauen, um diese Überwindung auszuschalten und die dann am Ende eben doch irgendwie einsetzen zu können."
Es ist ein erhellender Film in dieser Zeit der neuen Atomdrohung. "Abenteuer eines Mathematikers" - eine Reise in die Geburtsstunde der Atombombe als Erschaffung einer Welt mit neuen Kräfteverhältnissen.
Autor: Sascha Hilpert