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"Jede Geschichte braucht so viel Wahrheit, wie sie vertragen kann". Dieser Satz findet steht in "Falschgeld", dem ersten Buch des Schauspielers Matthias Matschke. Darin erzählt er von einer Jugend in den 80ern, irgendwo in einem hessischen Dorf. Der Romanheld von Matthias Matschke heißt Matthias Matschke. Das wirft einige Fragen auf.
Ein kleines Dorf in Hessen 1984 in den Sommerferien. Aus Langeweile steigt der 13-jährige Matthias Matschke mit einem Freund auf einen Apfelbaum. Doch kurz nachdem sie oben ankommen, stürzt er und denkt: "jetzt muss ich sterben.".
So beginnt das erste Kapitel des Romans "Falschgeld". Doch etwas stimmt da nicht. Der Autor Matthias Matschke ist 1984 nicht 13, sondern bereits 16 Jahre alt. Hat diese Erinnerung nie stattgefunden?
Matthias Matschke, Autor
"Sie ist so wahr wie alles oder nichts. Im Grunde genommen ist das das Prinzip von der Apfelbaum Geschichte und von dem ganzen Falschgeld."
In seiner Auto-Fiktion spielt Matthias Matschke mit seinen biographischen Erfahrungen. Was er davon wirklich erlebt hat, bleibt offen. Fakt ist, dass Matthias Matschke in den 80ern in der hessischen Provinz aufgewachsen ist.
Matthias Matschke, Autor
"Die 80er waren in meinem Erleben Zeitvergessener, es gab nicht diesen Optimierungsdruck. Heute ist die Welt offener, weil es gibt sozusagen Social Media, wo du alles erreichen kannst, alles bekommen hast, was ich angestellt habe, um bestimmte Platten zu kriegen. Das ist wirklich steinzeitlich im Vergleich zu heute."
Matschke beschreibt ein langsamere und heile Welt. Im Buch ist Matschkes Vater Pfarrer, die Mutter arbeitet beim Fernmeldeamt und ehrenamtlich in der Gemeinde. Die Kindheit ist aber nicht immer unbeschwert. So schreibt Matthias Matschke, wie ein schwuler Onkel Selbstmord begeht, später stirbt der Vater. In der Romanfamilie wird darüber wenig gesprochen.
Matthias Matschke, Autor
"Ich glaube, das war eine Generation von Menschen, die versucht haben, also als Kind, deren Kinder den Faschismus erlebt, versucht haben, sich so im Inneren zu arrangieren, da kann man auch offener sein, aber außen ist Repräsentanz. Dadurch gab es so ein sich zurückziehen. Darüber zu reden, über Sexualität, Homosexualität im Fall des Onkels. Das gibt aber sozusagen die Freiheit, darüber zu reden. Und dass das vielleicht auch einem keinen Zacken aus der Krone bricht, wenn man darüber offen redet. Das habe ich erst in diesem Ort Schule gekannt."
Den Horizont erweitern mit Schulfreunden, der erste Kontakt mit Kunst im Café Chaos, die erste Liebe: Johanna. Die Figur Matschke nimmt alles mit, was die Jugend bietet. Der Autor Matschke begleitet ihn dabei und sucht nach den Momenten, die wichtig waren.
Zusammengefasst: Romanfigur Johanna sagt zu Figur Matthias, dass er was mit Komik machen solle.
Ein Satz, der nebenbei fällt, aber das Leben der Figur und des Autors Matschke für immer verändert. Beiläufiges: ein wiederkehrendes Motiv in "Falschgeld".
Matthias Matschke, Autor
"Ich glaube, in diesem Prozess des Schreibens habe ich gemerkt, dass das so ein Moment ist, das das Wichtige sehr oft en passant gesagt wird. Was aber vielleicht die Leute nicht, die es so ins Gesicht hauen wollen, sondern eher so schön und en passant eben. Aber dann gibt es eben auch noch uns selbst, wo wir sagen Wie sind wir, wir, wer bin ich? Und das ist eben. Ich glaube, diese Frage stellen sich auch diese die Protagonisten. Eben auch Matthias."
Die Figur Matthias findet eine erste Antwort und zieht Ende der 80er nach Berlin, um Schauspieler zu werden. So wie der Autor Matthias Matschke.
ZDF-heuteShow, Ausschnitt, Matthias Matschke (23.09.2019)
Für Matthias Matschke hat Berlin gehalten, was es versprochen hat. Vermisst er trotzdem die hessische Provinz manchmal?
Matthias Matschke, Autor
"Naja, es ist halt immer beides. Also ich kann die Sicherheit von Darmstadt, diese Zeitlosigkeit, dieses Stehen, diese festen Größen, das kann ich sehr vermissen. Ja. Das Unbewegliche und im selben Moment bin ich froh, daraus auszubrechen. Dieser Matthias Matschke gibt ja auch keine Antwort darauf. Die Unschärfe und die Unentschiedenheit des Lebens auszuhalten ist unsere größte und edelste Pflicht."
Auch wenn der Roman "Falschgeld" von Matthias Matschke mit Unschärfen spielt, ist er heiter, nachdenklich und berührend. Eher beiläufig, aber mit großer Wirkung.
Autor: Ufuk Cam