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Als das Renaissance-Theater vor 100 Jahren eröffnet wurde, sollen sich Publikum und Kritiker überschlagen haben, so einen Prachtbau hatten sie noch nicht gesehen - die "edele" Ausstattung, die warme Atmosphäre wurden bejubelt. Noch heute wird der Bau bewundert. Das einzige Theater Europas im Art-Deco-Stil, seit Jahre steht es sogar auf der Denkmal-Liste. Wir blicken auf die Geschichte zurück.
Theo Lingen, 1977
"Tja, also, womit sollen wir nun anfangen? Vielleicht am Besten mit diesem Hause."
Archivausschnitt
"Meine Damen und Herren, unsere kleine feuilletonistische Mischsendung hebt an in dem Theater, das seit Wochen die Sensation der Bühnenfreunde beherbergt – im Renaissancetheater."
Sensation kommt von Sinn – und in diesem Sinn ist das Renaissancetheater immer eine Sensation. Es verführt zum Anfassen, mit seinen liebevollen Details. Hier sitzt man stilvoll im Baudenkmal. Dramaturg Joachim Flicker und Schauspielerin Maria Hartmann sind dem Haus seit 20 Jahren verbunden. Der Saal im Stil des Art Déco ist in Europa einzigartig.
Joachim Flicker, Dramaturg
"Ich hatte jetzt im Sommer ne Anfrage von ner ungarischen Architektengruppe, bzw. Denkmalschutz und die waren am Ende wirklich geplättet. Und der Architekt, als die Führung dann zu Ende war, frug dann: Wissen Ihre Zuschauer eigentlich, wo sie da sind?"
Edle Intarsien mit Motiven aus der Theaterwelt – der Zuschauersaal selbst ist eine Inszenierung, aber eine dezente.
Maria Hartmann, Schauspielerin
"Es ist unheimlich geborgen, fühlt man sich. Es ist sehr warm. Wie in den Arm genommen. Es ist unanstrengend. Der Raum spielt mit, ohne dass er sich als Hauptdarsteller ständig beweisen muss."
"Ist das Perlmutt hier?"
Joachim Flicker, Dramaturg
"Das ist Perlmutt."
Das Renaissancetheater wird 100 Jahre alt – das stilvolle Innenleben ist ein paar Jahre jünger.
Theo Lingen, 1977
"Dann wurde dieses Theater also umgebaut, im Jahre 1926. Das ist also sehr elegant, wenn man da so ne Jahreszahl dazwischen plaudert. Das sieht so nach Vorbereitung aus…"
Alles ist aufeinander abgestimmt, bis ins kleinste Detail. Eine Ausstattung wie "heiterer Ernst" schrieb ein Theaterkritiker bei der Wiedereröffnung damals. Das passt gut zum Anspruch des Renaissancetheaters.
Kurt Raeck (1971), damals Intendant Renaissance-Theater
"Man will manchmal sehr herzhaft lachen, man will aber auch Anregungen. Man will nicht schon beim Ausgang nicht mehr wissen, was ist passiert in dem Stück. Man will sich erinnern können."
Zum 100. Geburtstag schauen wir ins Archiv. Ein Protokollbuch aus den späten 40ern. Die Kunst der Unterhaltung beherrscht man am Renaissancetheater – selbst an trüben Feiertagen im November.
Joachim Flicker, Dramaturg
"Trotz Totensonntag gute Stimmung. Vorstellung ohne Störung. Also ein positiver Bericht."
Maria Hartmann, Schauspielerin
"Jetzt sind wir bei Theo Lingen."
Joachim Flicker, Dramaturg
"Theophanes, das erste Stück, das Theo Lingen hier gespielt hat."
Maria Hartmann, Schauspielerin
"Theo Lingen war eigentlich ein häufiger Gast auf der Bühne hier."
Theo Lingen, 1977
"Und so hoffe ich, dass einige dieser Erinnerungen auch in Ihnen wach werden."
Maria Hartmann, Schauspielerin
"Interessant ist schon, dass an diesem Hause ja ganz viele Schauspieler gespielt haben, die ins Exil gehen mussten, also ganz viele jüdische Biographien. Und andere sind eben geblieben, wie auch Theo Lingen. Aber was mich fasziniert ist, das in so `ner Art Mikrokosmos dieses Theaters, Geschichte unheimlich gut nachzuvollziehen ist. Wie Generationen, Zeitläufte ineinandergreifen."
Ein prominentes Nachkriegspaar – Elisabeth Bergner und O. E. Hasse, Exilantin die eine, Hiergebliebener der andere. Gemeinsam haben sie Erfolg.
Archivausschnitt
"Wir beide wollen ihnen heute eine Liebesgeschichte erzählen."
… mit "Geliebter Lügner" – Briefwechsel von George Bernard Shaw mit einer Geliebten.
Maria Hartmann, Schauspielerin
"Das ist in die Theatergeschichte eingegangen, und das hatte hier Premiere. Und dafür ist Theater ja auch wichtig, bei vielen Leuten, die den meisten vielleicht durch den Film bekannt sind, wie Elisabeth Bergner oder auch O.E. Hasse, den Namen verbinden die meisten Leute mit Film. Aber dass das oft ganz fantastische Theaterschauspieler waren, das können wir an diesem Haus hier auch ablesen."
Archivausschnitt
"Eine Revolution hat nichts von einer Abendgesellschaft."
1969 – der junge Michael Degen in „Kiste und Zitate des Vorsitzenden Mao Tse Tung“ von Edward Albee. Auch der Vietnamkrieg wird darin thematisiert. Ein erklärtermaßen politisches Theater ist das Renaissancetheater natürlich nicht. Aber der Anspruch geht über reines Vergnügen hinaus.
Joachim Flicker, Dramaturg
"Es ist dadurch, dass man Theater macht, eine politische Haltung gar nicht zu vermeiden. Und jede Theaterarbeit hat eine Wirkung. Nach außen. Auch wenn man Stücke aussucht, dass man immer auch überlegt: Was ist das für ein Statement?"
Nun könnte man noch lang erzählen, von den vielen Schauspielgrößen, die hier aufgetreten sind. Aber am besten geht man einfach hin - in das Theater in dem sogar die Garderobenmarken schön sind.
Autor: Steffen Prell