
-
Nicht nur das Schreiben ist eine Kunst, sondern auch die Gestaltung eines Buches. In der Galerie P98A, startet jetzt das Festival "Wir machen Bücher". Für drei Wochen kann man den kreativen Prozess des Büchermachens erleben, mit initiiert von einem Berliner Meister der Typographie, Erik Spiekermann.
Erik Spiekermann, Typograph
"Das ist die berühmte Akzidenz Grotesk, in Berlin entstanden vor 130 Jahren. Bei Berthold. Das war mal die Weltgrößte Schriftgießerei am Mehringdamm 43."
Eine Welt voller Buchstaben. Erik Spiekermann hat jeden einzelnen aufgespürt auf Dachböden, in Kellern und aufgelösten Werkstätten in ganz Europa und die Schriften so vor dem Aussterben gerettet.
Erik Spiekermann, Typograph
"Hier kamen vor Jahren mal ein italienischer Kunsthistoriker vorbei und hatte einen Anhänger voller Buchstaben aus Italien mitgebracht, die habe ich dem für einen Wahnsinnspreis abgekauft, denn der hätte die wirklich verbrannt. Ich hab übrigens, es gab eine Druckerei, da war ich in den 60er Jahren, die haben die Plakate für Boxkämpfe gedruckt, da weiß ich noch: Bubi Scholz Plakate haben die mit riesigen Buchstaben gedruckt, die natürlich mit Öl und Farbe getränkt waren, die haben die verheizt, die haben jede Stunde in den Kanonenofen einen Buchstaben getan. Ich hab natürlich fast geweint, weil damit ist natürlich auch Geschichte weg. Also, die Dinger brennen wunderbar und die sind natürlich zum großen Teil vernichtet worden."
Als Typograph entwickelte Erik Spiekermann selbst zahlreiche neue Schriften für Konzerne wie die Deutsche Bahn, die BVG oder die Stadt Glasgow. Vor 8 Jahren beschloss er, dem Digitalgeschäft mit dem er Millionen verdiente, den Rücken zu kehren - und sich stattdessen dem zu widmen, was er schon als Kind geliebt hat: Bücher machen in Handarbeit.
Erik Spiekermann, Typograph
"Als kleiner Junge hatte ich zufällig Nachbarn, die eine Druckerei hatten und ich hab da immer rumgesessen und gemalt. In Druckereien gibt es immer so Restepapier weil es immer abgeschnitten wird. Das war für ein Kind toll; ich rede jetzt von den 50er Jahren, wo Papier nicht einfach, wo man nicht in den Laden gehen konnte und einfach Papier kaufen. Das war einfach viel zu teuer."
"Ich hab immer schon mich mit Buchstaben beschäftigt, seit ich 5 oder 6 bin, hab früh mit dem Lesen begonnen und hab dann auch schon mit 12 meine erste kleine Druckmaschine gehabt, mein Vater hat das sehr unterstützt."
Heute ist es sein Anliegen, dieses Wissen weiterzugeben, die Kunst des Büchermachens mit anderen zu teilen. Er seine Werkstatt geschaffen, wie es sie sonst fast nirgendwo mehr gibt.
Erik Spiekermann, Typograph
"Also man presst einen "Letter", also einen Buchstaben ins Papier, und dieses Pressen schafft einen dreidimensionalen Raum, man sieht es nicht, man spürt es aber. Das ist wie der Unterschied zwischen Nylon und Wolle, also Nylon kleidet ja auch, aber ist glatt und unangenehm an der Haut und Wolle ist angenehm und was wir machen: den Buchstaben ins Papier drücken mit dieser Kleinen Schattenkante die da entsteht, das schafft so eine Wärme, eine Nahbarkeit, das ist auch richtig schön schwarz. Der Offset Druck, mit dem heute alles gedruckt wird, wird mit Wasser gedruckt, Farbe und Wasser, das ist immer so ein bisschen Flau und wässrig, das ist wie kalter und verdünnter Kaffee. Was wir hier machen ist Espresso."
Einen guten Espresso und oft etwas Selbstgebackenes gibt es auch in Erik Spiekermanns Galerie und Werkstatt. Bis zum 4. Dezember findet hier das Festival "Wir machen Bücher" statt, das er gemeinsam mit der Lektorin und Verlegerin Birgit Schmitz ins Leben gerufen hat.
Eine Ausstellung zeigt die 25 Bücher, deren Gestaltung die Stiftung Buchkunst in diesem Jahr ausgezeichnet hat. Außerdem gibt es Lesungen, Workshops, Gedanken- und Erfahrungsaustausch mit anderen Buchliebhabern. Denn die Vielfalt von Verlagen und Büchern ist nicht mehr selbstverständlich.
Birgit Schmitz, Lektorin und Verlegerin
"Also die Verlage, die mitmachen bei WIR MACHEN BÜCHER das sind kleine oder mittlere unabhängige Verlage und die tragen dazu bei, dass es diese Vielfalt gibt und wir wissen nicht, wie sich diese Kriese, die aktuelle sich auswirkt auf die Buchbranche, also sprich: die Papierpreise, die Energiepreise die Konzentration auf dem Buchmarkt etc. wird Verluste herbeiführen. Und dafür müssen wir schon uns zusammenfinden."
Farbgebung, Schriftsatz, Leinenbindung oder der Faden, der die Seiten zusammenhält: Es sind liebevoll abgestimmte Details, die ein Buch zu einem machen, wie diese von Erik Spiekermann gestalteten Sammlerstücke. Was es bedeutet, GUTE BÜCHER zu machen, geht aber über ästhetische Fragen weit hinaus.
Birgit Schmitz, Lektorin und Verlegerin
"Es geht nicht um aufwändig, es geht nicht um Boxen im Holz oder in Leder gebunden und noch mehr zu machen, sondern um diese Reduktion. Auch aus Gründen die Ressourcen zu schonen."
Erik Spiekermann, Typograph
"Unser Inhaltspapier kommt aus der Südpfalz, jedenfalls noch - Die Papierfirmen werden ja grade immer wieder hin und her verkauft. Die Buchbinderei ist außerhalb Leipzigs, Drucker ist hier in Berlin. Wir sind hier, also es gibt kleine Wege, wenn es irgendwie geht. Die Manuskripte kommen aus dem Ausland, das kostet ja nichts, sie werden per Email verschickt aber alles andere ist hier in unserer Nachbarschaft. Wir kennen die auch alle. Wir könnten nicht zu einem Buchbinder gehen, den wir nicht kennen."
Das Festival ist eine Einladung an Alle über den Wert von Büchern nachzudenken, nicht nur für Branchen-Insider.
Erik Spiekermann, Typograph
"Wir machen Bücher. Es braucht viele und natürlich auch den Leser, weil wenn die Bücher im Regal stehen, nutzen sie wenig. Obwohl ich hab 2,5 Tausend Bücher, die hab ich vielleicht auch nicht alle gelesen ehrlichgesagt, weil Bücher Gegenstände sind für den geistigen Gebrauch, den man ganz gerne hat. Die isolieren übrigens auch gut, gegen Schall und gegen Kälte."
Autorin: Charlotte Pollex