- DDR-Oppositionsgruppe "Frauen für den Frieden"
Vor 40 Jahren beschließt die DDR in einem neuen Wehrdienstgesetz, auch Frauen zum Militär einzuziehen. 1982 finden sich im Widerstand dagegen die "Frauen für den Frieden" in Ost-Berlin zusammen - eine Oppositionsgruppe, die trotz des Drucks der Stasi über Jahre politische Veranstaltungen organisiert. Was diese Frauen geleistet haben, davon wissen bis heute wenige. Die Performance "Seid doch laut" in der ehemaligen Stasi-Zentrale in Lichtenberg erinnert jetzt an die "Frauen für den Frieden". Wir treffen Gründungsmitglied Almut Ilsen (*1950) und die Initiatorin der Performance, Schauspielerin Alexandra Finder (*1977), bei den Proben.
Im späten November ist es hier noch trister als sowieso schon. Die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße ist einer dieser Unorte der deutschen Geschichte. Im Haus 22, wo Erich Mielke einst Festveranstaltungen abhielt, proben fünf Schauspielerinnen für eine Performance. Es gibt schönere Bühnen in der Stadt - warum gerade hier?
Alexandra Finder, Schauspielerin
"Für mich ist der Grund, warum wir an diesen Ort gehen, weil wir diesen Ort mit der Geschichte der Frauen besetzen wollen. Wir wollen sozusagen der Staatssicherheit auch widersprechen, die dann der Meinung waren: wir haben die zersetzt, wir haben die fertig gemacht, die sind kaputt gegangen wegen uns."
Frauen wie diese sind gemeint – die "Frauen für den Frieden". Noch nie gehört? So geht es den meisten. 1982 hat sich die Gruppe in Ost-Berlin gegründet - weibliche Opposistion in Ost-Berlin. Almut Ilsen war eine von ihnen und kommt heute zur Theaterprobe. In den frühen 80er Jahren spitzt sich der Kalte Krieg immer weiter zu. Es wird aufgerüstet. Pershing gegen SS20. Die Angst geht um, weltweit. In der DDR sollen nun, 1982, auch Frauen zum Wehrdienst eingezogen werden. 130 Frauen unterschreiben trotz aller Risiken eine Eingabe gegen das Gesetz.
"Also, ich les‘ mal was vor… „Wir Frauen wollen den Kreis der Gewalt durchbrechen und allen Formen der Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung unsere Teilnahme entziehen."
Almut Ilsen, Mitbegründerin "Frauen für den Frieden"
"Wir konnten nicht mehr schweigen und wir hatten ganz konkret Angst, dass ein Atomkrieg ausbrechen könnte. Und wenn’s nur ein Idiot ist, der da auf den Knopf drückt. Es war eine sehr angespannte gesellschaftliche Situation, wir haben uns bedroht gefühlt, von den Raketen und auch von unserem eigenen Staat."
Die Theaterperformance "Seid doch laut!" basiert auf Erlebnisberichten, erzählt von Bedrohung und Zusammenhalt. In schwarz gekleidet brachten die Frauen ihre Wehrdienstverweigerung zur Post (am Alexanderplatz).
"Die haben uns richtig bedrängt."
- "Fassen Sie mich nicht an!"
"Wir haben uns untergehakt und Ulrike in die Mitte genommen, und so sind wir von Post Richtung Alex gelaufen."
"Frauen für den Frieden"… die Stasi vermutet anfangs noch einen Mann als Strippenzieher im Hintergrund.
"Die trauten das den Frauen gar nicht zu!"
Almut Ilsen, Mitbegründerin "Frauen für den Frieden"
"Wir haben auch unsere Ängste immer wieder überwinden müssen. Ohne die Gruppe, ohne die gegenseitige Stärkung, die wir uns gegeben haben, hätte das wohl keine von uns nur für sich so geschafft."
Die fünf Schauspielerinnen von "Seid doch laut" sind alle in der DDR geboren – so fließen auch eigene Kindheitserlebnisse in die Inszenierung ein.
Alexandra Finder, Schauspielerin
"Im Grunde sind wir im Alter der Kinder der "Frauen für den Frieden". Wir haben diese Militarisierung… Ich habe mit kleinen Handgranaten Weitwurf geübt. Die sahen aus wie kleine Handgranaten. Wir haben das an uns selbst erlebt, aber als Kinder halt."
"Die machen immer mehr Druck. Ein Jahr Psychoterror."
Das gemeinsame Handeln und die staatliche Gegenwehr hat jede ihrer Biografien beeinflusst. Am Ende haben all die absurden Repressionen sie nicht abhalten können, sagt Almut Ilsen – aber, man muss es erst einmal aushalten.
Almut Ilsen, Mitbegründerin "Frauen für den Frieden"
"Da, wo’s mich sehr getroffen hat, war in der Angst, die ich um meine Kinder hatte. Wir haben uns ja in Gefahr begeben, also ins Risiko und haben dadurch unsere Kinder natürlich gefährdet, falls wir verhaftet worden wären. Aber andererseits haben wir das ja auch für die Kinder gemacht, damit sie in einer besseren Zukunft leben."
Über eine Fußnote in einem Buch ist Initiatorin Alexandra Finder auf die "Frauen für den Frieden" gestoßen. Zur Wendezeit saßen viele Frauen mit an Runden Tischen, im Neuen Forum. Sie will ihre Geschichten wieder erzählen.
Alexandra Finder, Schauspielerin
"Nach mehreren Jahren existieren plötzlich die Frauen nicht mehr. Ob das in der Kunstgeschichte ist oder in der Historie, sie werden immer vergessen."
Und vor der Stasizentrale zeigt sich: das Anliegen der „Frauen für den Frieden“ ist leider wieder hochaktuell.
Autor: Steffen Prell