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Der Autor Thomas Brussig ist mit satirischen Romanen und Drehbüchern über die DDR und die Wende bekannt geworden – wie "Sonnenallee" oder "Helden, wie wir". Außerdem ist er Fußballfan - von Hertha. Und verknüpft so zwei große deutsche Kulturgüter. Jetzt hat er einen neuen Fußballmonolog veröffentlicht: über einen Provinztrainer und die WM in Katar.
Der Autor Thomas Brussig ist mit satirischen Romanen und Drehbüchern über die DDR und die Wende bekannt geworden – wie "Sonnenallee" oder "Helden, wie wir". Außerdem ist er Fußballfan - von Hertha. Und verknüpft so zwei große deutsche Kulturgüter.
Jetzt hat er einen neuen Fußballmonolog veröffentlicht: über einen Provinztrainer und die WM in Katar.
Die Welt des Fußballs - dieser Roman erzählt nichts von den Stars, um ehrlich zu sein, sie spielen keine große Rolle. In diesem Buch kommt hingegen sein erfunder Trainer vom SV Börde zu Wort und der schimpft natürlich über die WM in Katar und vieles mehr.
"Mats Hummels auf Parship" ist eine Art Fortsetzungsroman, schon vor über zwanzig Jahren hat der Schriftsteller und Drehbuchautor Thomas Brussig einen ersten Fußballmonolg geschrieben. Nun kommt ein neuer raus und in dem geht es wortgewaltig um die vergangene WM.
Ausschnitt Lesung, Thomas Brussig
"Diese Fußball-WM geht mir sowieso komplett am Allerwertesten vorbei. In der Wüste! In klimatisierten Stadien! Ton lassen wir mal lieber weg. Nicht, dass wir das von ‚ner Frau kommentiert kriegen. Ich hab nichts gegen Frauen. Aber – es fühlt sich nicht richtig an."
Schon 2001 hatte Brussig in seinem Buch "Leben bis Männer" eine ähnliche Figur gezeichnet. Der Trainer damals: ein Wendeverlierer. Der Trainer heute - ein Wutbürger – Brussig lässt ihn einfach reden, nach dem Motto alles muss raus.
Ausschnitt Lesung, Thomas Brussig
"Wer sich impfen lässt, muss vorher auch was unterschreiben. Da bleibt unsereiner lieber ungeimpft. Ich lass mir von denen nichts mehr andrehen. Ich vertraue meinem Körper mehr als den Gerichten oder den Versicherungen, der Politik und den Banken. Mit denen bin ich durch."
Thomas Brussig, Autor
"Die haben sich also die haben sich sozusagen eingebunkert in ihrer Meinung und dann und und es wurde dann eben nur so so eine vollkommen langweiligen Schlagworte wie Lügenpresse und Politikerpack und alle aufhängen und so ist ja, das ist ja langweilig. Aber wenn man dann sich selber die Geschichten anguckt, da glaube ich, ist es dann nicht mehr ganz so langweilig und ganz so eintönig. Und ich glaube, dass da in der in der Nachwende Dinge schief gelaufen sind, die sich heute auch irgendwie rächen."
Ausschnitt Lesung, Thomas Brussig
"Man hat mir auch erzählt, der Rechtsstaat ist toll. Oder ne Unfallversicherung – ganz toll für mich. Oder der Euro ist ach so toll für uns alle – und nach zehn Jahren finden wir raus, dass der Euro am allertollsten ist, um die Schulden von andern zu bezahlen."
Thomas Brussig, Autor
"Aber irgendwie dachte ich, dass wir uns jetzt zu leicht machen, wenn wir, wenn wir sozusagen diese sehr unsympathische Masse, die uns beschimpft, wenn wir die einfach nur so abtun, sondern warum dann nicht eben auch mal hingucken bietet. Irgendwann gehörten sie mal zu uns und jetzt und jetzt wollen sie nicht mehr zu uns gehören. Und da muss was passiert sein."
Thomas Brussig ist in Berlin geborgen, im Osten aufgewachsen und hatte seinen Durchbruch mit der Wendegeschichte "Helden wie wir". Im neuen Buch macht sich sein Trainer über Corona, Gendern und die da oben Gedanken. Brussig lässt ihn ungebremst reden.
Ausschnitt Lesung, Thomas Brussig
"Überhaupt, wie heute gesprochen wird, da kommst du nicht mehr mit, Weihnachten hin oder her. Als unsereiner das erste Mal von »Lehrer innen« hörte, dachte man: Hä, was soll n das sein, und wer sind dann die »Lehrer außen«? Da wird man doch auf Dauer blöd. Mitglieder innen. Wenn das so n Mann-Frau-Ding sein soll, dann doch bitte: liebe Mitglieder … und Mitmösen – aber dazu haben die keinen Mumm."
Thomas Brussig ist ein genauer Beobachter der Zeit. Er will zuhören - und entwirft seinen Trainer als eine Art Prototyp des Wutbürgers, und als solcher darf er das vermeintlich Unsagbare auszusprechen. Ganz frei vom Zeitgeist ist Brussig dabei nicht: während der Trainer aus den 2000er Jahren noch offen rassistisch ist und das N-Wort benutzt, gibt sich der neue Trainer anti-rassistisch und geläutert.
Ausschnitt Lesung, Thomas Brussig
"Apropos. Ihr denkt von mir: Mann mit DDR-Hintergrund, und dann noch dieses gewisse Alter, da ist doch klar, was der wählt. Ist aber nicht so. Als einer von denen gesagt hat – also einer von denen, von denen ihr glaubt, dass ich sie wähle – als einer von denen gesagt hat, dass es in Deutschland Menschen gibt, die nicht neben einem Boateng wohnen wollen, da wars aus. Unsereiner würde sich das Futter aus der Jacke reißen, um neben Boateng zu wohnen. Oder neben einem anderen Fußballprofi. Diese pauschale Fußballprofifeindlichkeit ist doch ekelhaft!"
Beim Thema Frauen im Fußball gibt sich die Figur weniger Mühe tolerant zu wirken - da werden Vorurteile weiter voll ausgelebt. Und hier verwischen auch die Grenzen zwischen Figur und Autor.
Thomas Brussig, Autor
"Also ich sag mal so das, was ich am Fußball liebe, das sehe ich nicht im Frauenfußball, datt ist irgendwie alle so runtergedimmt und das will ich und und das will ich bitte auch sagen können, ohne dass es deshalb als frauenfeindlich gilt."
Und da klingt auch Brussig nach "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen".
Mit seiner Trainerfigur fängt der Autor den Wutbürger und dessen Gedankenwelt roh und ungekünstelt ein. Wenn man ihm genau zuhört, ahnt man, dass nicht nur im Fußball das Spiel langsam hässlich wird.
Autor: Ufuk Cam