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"I am, what I am.", "Ich bin, was ich bin." Der Discoknaller von Gloria Gaynor aus den 80ern ist ein getanzter Kampfruf queerer Menschen gegen Verdrängung und Unterdrückung. Was viele nicht wissen, geschrieben wurde das Lied für das Musical "La Cage Aux Folles", ein "Käfig voller Narren". Ein Travestiespektakel um Männerliebe, das ab 1983 mitten in der AIDS-Pandemie auf den Bühnen extrem erfolgreich war. Heute feiert die Komische Oper mit ihrem "Cage aux Folles" Premiere. Mit dabei: Helmut Baumann, der in den 80er Jahren das Stück an das "Theater des Westens" brachte und der in der Rolle der Zaza brillierte.
Barrie Kosky ist zurück an der komischen Oper als Gastregisseur mit dem Musical das erstmals 1983 am Broadway eine schwule Liebesgeschichte erzählt. Barrie Kosky sieht es damals mit 16 in der Originalbesetzung und ist hin und weg.
Barrie Kosky, Regisseur
"Anfang der Achtziger Jahre, das war eine hammer neue Revolution, zwei Männer auf der Bühne, Hauptdarsteller, Hauptrollen in einer Beziehung. Die lieben einander, sie leiten den ganzen Abend, das ist nie in der Geschichte des Broadway passiert, in den frühen achtziger Jahren, das war so ein unglaublicher Moment von Freude, celebration und Hoffnung und zur gleichen Zeit kommt die AIDS-Krise und das Stück war dann gewechselt von einer celebration in ein Requiem. Und dann natürlich im 21. Jahrhundert, die AIDS-Krise ist Gottseidank durch Medikamente ein bisschen in den Griff bekommen. Das Stück hat ein neues Leben und dieses neue Leben ist über Genderfluidität, Identität, wer entscheidet, was eine Familie ist."
Die Geschichte von La Cage bleibt irgendwie aktuell: Der Sohn der beiden schwulen Männer will heiraten, doch leider sind die Eltern der Braut reaktionäre Kleinbürger. Soll man die konfrontieren oder sich klein machen? Stefan Kurt spielt Albin der sich jede Nacht in die Travestiekünstlerin Zaza verwandelt.
Stefan Kurt, Schauspieler
"All das was ich im Leben eigentlich nicht spielen kann, das kann ich da ausleben, das ist die beste Therapiestunde, die es gibt eigentlich. Zaza ist eine liebenswürdige Dramaqueen, alles ist gesteigert ins Exaltierte, die guten Sachen aber auch die schlechten Eigenschaften, die sie hat, sie ist extrem. Und sie ist ein wahnsinnig toller Mensch, sie liebt ihren Sohn abgöttisch, sie liebt ihren Mann abgöttisch."
Zaza beschließt zu sich zu stehen. Seine Deutschlandpremiere hat "La Cage aux Folles" 1985 am Theater des Westens. Und weil die Schauspieler für Zaza ausfallen und sich kein Ersatz finden lässt, wirft sich der damalige Intendant Helmut Baumann selbst in den Fummel. Ein Ausrufezeichen in der damals beginnenden AIDS-Krise.
Es ist eine Homage an ihn, das Helmut Baumann auch in der neuen Inszinierung wieder auf der Bühne steht - als Promi Wirtin Jaqueline.
Barrie Kosky, Regisseur
"Das war auch in der Mitte von dieser furchtbaren Krise, dass man es erlaubt diese drei Stunden Spaß zu haben, das war auch Medizin, das war ein seelisches Medikament für Menschen damals und das war sehr wichtig. Und ich glaube auch dieses "ich bin was ich bin" war damals in der Reagan-Ära eine richtige Provokation."
Stefan Kurt, Schauspieler
"Das Theater war auch voll damals von Leuten die auch krank wurden, da habe ich schon einige Leute kennengelernt und die Stimmung war schon sehr bedrückt, kann ich mich erinnern, die war so, weil viele Leute gesagt haben, "naja sind selber schuld, wenn sie da rumficken, na ok so ist es halt", das war eine düstere Zeit."
Es bleibt schwierig, wieder gibt es Bezüge zur Aktualität während der erzkonservative Vater seiner Tochter die Heirat mit dem Sohn von Georges und Albin verbietet klingt er wie erzkonservativer amerikanische Politiker von heute...
Barrie Kosky, Regisseur
"Ich glaube die Definition von, was ist eine Familie, ist hochaktuell… Das Stück ist auch eine anthem oder celebration von Diversität, Vielfalt und Liebe. Letztendlich das Stück ist nicht über fantastische Federboa, Transvestiten und bunte Farben und Stepptanznummern, das ist wunderbar, aber das Stück ist eigentlich über Liebe, zwei Männer lieben einander und gehen durch ihre Probleme."
Autorin: Bettina Lehnert