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Bertolt Brecht wäre am 10. Februar 125 Jahre alt geworden. Wie jeder einigermaßen runde Geburtstag des weltbekannten Autors und Theatermachers, wird das zum Anlass genommen, seine Werke neu in Erinnerung zu bringen. Im Geburtstagspaket seiner alten Wirkstätte, dem Berliner Ensemble, werden gleich mehrere seiner Werke aufgeführt.
Ab gehts in die Gespenstergruft. Wir folgen der Puppenspielerin Suse Wächter.
Suse Wächter, Puppenspielerin
"Wir sind hier in den Eingeweiden des Berliner Ensembles, im Lager der Requisitenabteilung und hier hängt auch ein Teil aus meiner Inszenierung "Brechts Gespenster". Gespenster haben ja auch immer etwas unerledigtes, unerlöstes."
BRECHTS GESPENSTER, Regie: Suse Wächter, ab dem 10.02. wieder am BE
"Wer bist du?"
- "Karl Marx!"
"Oh Gott - Karl!"
- "Gott!"
"Karl!"
- "Gott!"
"Glaubst du, wir sind zwei weiße, alte, hetero-sexuelle Männer?"
Zwischen Gott, Marx und sonstigen Gespenstern der gute alte, heterosexuelle, aber nicht weißhaarige Brecht. Seit 67 Jahren tot, aber in dieser Version quicklebendig.
Suse Wächter, Puppenspielerin
"Ich finde die Coolnees an Brecht cool. Für mich hat er etwas Weises."
"Sie sind doch heute alle hier, weil sie mich kennen. Und warum kennen sie mich: Wegen der Dreigroschenoper."
DIE DREIGROSCHENOPER, Regie: Barry Kosky, ab dem 24.03. wieder am BE
"Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben…"
Na klar, Brechts Dauerhit: "Erst kommt das Fressen, später die Moral..."
"Zuerst müsst ihr uns was zu fressen geben."
Nach der Uraufführung 1928 war Brecht etwas enttäuscht darüber, dass sich das Publikum anstatt zum Besseren belehrt, einfach nur gut unterhalten fühlte. In der aktuellen Inszenierung von Barry Kosky ist das kaum anders. Kapitalismuskritik als drolliges Vergnügen. Die Verhältnisse und das menschliche Streben - sie sind halt so.
DIE DREIGROSCHENOPER, Regie: Barry Kosky, ab dem 24.03. wieder am BE
"Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm."
Die Welt in ihrer Widersprüchlichkeit erkennbar und damit auch als veränderbar darstellen - so etwa geht Brechts Theater in einem Satz. Aber was stellt man heute damit an? Hat Brecht noch etwas zu melden? Das BE widmet dem Jubilar ein ganzes Wochenende. Erbe verpflichtet.
Oliver Reese, Intendant Berliner Ensemble
"Also Geburtstage soll man feiern, wenn sie einem in Schoß fallen. 125 können wir nicht übergehen, wollen wir auch nicht. Gleichwohl ist es nicht so, dass dieser Geburtstag uns wachgerüttelt hätte: "Herrjemine, wir müssen ja an Brecht denken!" Das tun wir die ganze Zeit."
"Der Kaukasische Kreidekreis" - seit dem Intendanten-Start von Oliver Reese wieder auf dem Spielplan des BE. Es ist die Geschichte von Grusche, die ein fremdes Kind rettet. Als die echte Mutter es zurückverlangt, will sie es nicht mehr hergeben. Wer darf was besitzen? Wie antastbar ist das Eigentum? Wie unmenschlich ist die Welt?
DER KAUKASISCHE KREIDEKREIS, Regie: Michael Thalheimer, 2017
Oliver Reese, Intendant Berliner Ensemble
"Der Kreidekreis sieht sich jetzt nochmal ganz anders als vor 6 Jahren, wenn man das Stück heute spielt, nimmt man wahr, dass es vom Krieg handelt."
DIE MUTTER - Regie: Bertolt Brecht, Manfred Wekwerth, 1958
"Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen!"
Helene Weigel trägt die rote Fahne. Theater als Klassenkampf. 1958
DIE MUTTER - ANLEITUNG ZUR REVOLUTION, Regie: Christina Tscharyiski, wieder ab dem 11.02. am BE
"Du musst die Führung übernehmen!!
Das gleiche Stück heute. Brechts Auftrag zur Revolution: Eine Mutter verlässt den Haushalt und steigt auf die Barrikade. Aber ist dieses Märchen von der Veränderbarkeit der Welt nicht ein alter Hut, längst abgetragen und eingestaubt? Ausbeutung, Kapital Profit! Sind diese Vokabeln aus der neoliberalen Glückseligkeit nicht längst verbannt? Nicht in dieser Inszenierung! Brechts Theater als zeitgenössische Kampfansage!
"Du musst die Führung übernehmen!"
Oliver Reese, Intendant Berliner Ensemble
"Den Vorschlag die Mutter zu inszenieren, war ein Vorschlag von der jungen Regisseurin Christiana Tscharyisky. Ein Stück, wo man beim Lesen sagen würde: Geht das überhaupt noch? Wir spielen es. Und man sieht, die Leute drängen da rein. Wir haben ein extrem junges Publikum."
"Was vom Menschen geschaffen wurde, kann vom Menschen verändert werden. 1. Erkenne deine Lage! Wähle dein Handeln! 3. Warte nicht bis man dir die Haut abzieht! 4. Nur wenn wir solidarisch handeln, können wir neue Verhältnisse etablieren. 6. Informiere Dich, sei kritisch! 7. Du musst alles wissen! 8. Wer verloren ist, der kämpfe."
Christina Tscharyiski, Regisseurin
"Es geht um Epowerment, es geht wirklich darum, dass man sich aus einer gefühlten Ohnmacht heraus bewegen kann und im Zusammenschluss von Menschen, in einer Bewegung wirklich Macht hat."
"Was kann ich, Pelageja Plassowa, Witwe eines Arbeiters und Mutter eines Arbeiters tun?"
Christina Tscharyiski, Regisseurin
"Es gibt ja sehr viel Klick-Aktivismus, Internet-Aktivismus. Aber letztendlich gibt es eine große Vereinzelung in der Gesellschaft. Und es ist schwierig sich zu organisieren, wenn man nur vor seinem Bildschirm sitzt. Für ne gerechtere Welt müssen wir alle auf die Barrikaden geht. Da wird noch viel auf uns zukommen in den nächsten Jahren."
"An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns! An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? An uns! Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich! Wer verloren ist, kämpfe!"
Autor: Lutz Pehnert