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Ein "Ur-Berliner", so heißt es oft in der Hauptstadt, muss mindestens zwei Großeltern aus Berlin vorweisen können. Eine Abgrenzungsstrategie gegen die vielen Zugereisten. Für die Familie Diek aus Tempelhof heißt das: mehr Ur-Berliner geht nicht. Sie leben hier in fünfter Generation. Und doch müssen sich die Familienmitglieder oft gegen Klischees und Vorurteile wehren und wurden im Laufe des letzten Jahrhunderts immer wieder bedroht. Denn sie sind Schwarze Berliner. Ihr Urahn, Mandenka Diek, kam 1891 aus der deutschen Kolonie Kamerun zur Ausbildung nach Deutschland. Ein paar Jahre später erhielt er als erster Schwarzer die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine Geschichte und die seiner Nachfahren erzählt jetzt eine spannende Ausstellung im Bezirksmuseum von Tempelhof-Schöneberg.
Hier in der Berliner Wilhelmstraße muss Roy Adomako an seinen Urgroßvater Mandenga Diek denken. Eine Stele erinnert an 18 Afrikaner, die die erste Petition zur Gleichberechtigung schwarzer Menschen in Deutschland unterzeichnet haben - das war 1918.
Roy Adomako
"Ich finde es auch jedes Mal selber sehr erstaunlich und beeindruckend auf was für eine lange Geschichte wir mittlerweile zurückblicken können. Also mein Urgroßvater Madenga Diek hat auch, wie gesagt, hier mitunterzeichnet, aber er war auch Gründungsmitglied bei dem sogenannten afrikanischen Hilfsverein."
Mandenga Diek kommt als junger Mann aus der damaligen deutschen Kolonie Kamerun.
Roy Adomako
"Er kam zu Ausbildungszwecken hier nach Deutschland, das war 1891, hat dann tatsächlich eine Ausbildung beim Schuster gemacht."
Doch langfristig hat Mandenga Diek andere Pläne. Er macht sich selbständig als Händler für Kolonialwaren, verliebt sich in die Danzigerin Magdalena. Sie heiraten, bekommen zwei Töchter.
Roy Adomako
"Er hat als erster die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt und das konnte er sozusagen nicht aus eigener Kraft, sondern das konnte er, weil weiße Deutsche damals auch befürwortet haben, dass er Deutscher wird, dass er sozusagen ein willkommener Zuwachs für die deutsche Bevölkerung ist, unter anderem sein künftiger Schwiegervater, ein Polizeioffizier."
Roy Adomako ist Anwalt in Berlin. An der Ausstellung über seine Familiengeschichte im Museum Tempelhof-Schöneberg hat er mitgearbeitet. Heute zeigt er sie seinem Sohn Leonard.
Leonard und Roy Adomako
"Den kenne ich auf jeden Fall."
- "Das bin ich."
"Auch cool hier mit der Zigarette."
- "Das ist auch ein sehr bekanntes Bild - die Familie am bürgerlichen Sonntagstisch."
In den 1920er Jahren ist die Familie Diek gut integriert. Mandenga ist wirtschaftlich erfolgreich, Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr und im Schwimmverein.
Roy Adomako
"Es gab natürlich diesen strukturellen Kolonialrassismus, der betraf aber eben nicht alle schwarzen Kolonialmigranten hier, das heißt, die konnten hier heiraten, Familien gründen Geschäfte gründen und es kam sozusagen auf die Person selber erstmal an."
Leonard Adomako
"Und er hat ja auch sehr viel gemacht, vielleicht auch um zu zeigen, vielleicht auch um zu zeigen, dass Schwarze in Deutschland auch etwas erreichen können. Und vielleicht wollte er auch damals schon das Narrativ so ein bisschen verändern."
Mandengas Töchter Erika und Dorothea bekommen Mitte der 30iger Jahre den sich verschärfenden Rassismus zu spüren. Mit Glück finden sie in Berlin Arbeit beim Film.
Roy und Leonard Adomako
"Hier dein Großvater Ludwig M‘bebe Mpassa. Besser bekannt auch unter dem Namen Luis Brody als Schauspieler."
- "Und das ist Oma."
"Das ist deine Oma, Und das das ist meine Oma und das ist dein Urgroßopa und mein Opa. Sie war ja noch sehr jung, sie musste ja damals die Schule in Danzig vorzeitig verlassen, als die Nazis an die Macht kamen. Und konnte ja dann auch ohne Schulausbildung auch nicht die berufliche Ausbildung machen, die sie sich vorgenommen hatte. sie wollte ja Kinderärztin werden und hat dann irgendwelche anderen Jobs gemacht und 1938 hat sie ihn dann kennengelernt und geheiratet."
Die Nationalsozialisten terrorisieren die Familie. Diese Stolpersteine werden demnächst für sie verlegt.
- "Hier wohnte Erika Emilie M’passa Diek verheiratet Jahrgang 1916, ausgegrenzt, entrechtet, Berufsverbot 1939, überlebt."
1946 ziehen Erika und Dorothea mit ihren Familien nach Tempelhof. Sie beginnen eine afrodeutsche Community im Nachkriegsberlin aufzubauen. Ihre Wohnungen werden zum Treffpunkt, für viele People of Colour in Berlin. Hier können sie sich unterstützen und politisch aktiv werden.
Roy Adomako
"Bei mir war es eigentlich so, dass ich jetzt mehr oder weniger erst im Nachhinein merke, wie sich mein persönliches Engagement, wie sich das doch unbewusst anschließt an das von Mandenga Diek."
Leonard Adomako
"Dadurch, dass ich zu frühen Zeiten schon vom Aktivismus mitbekommen habe, habe ich auf jeden Fall früh dieses Community Ding und Self-Empowerment mitbekommen und das zieht sich auch fort in meiner Laufbahn."
Leonard arbeitet bei einem Startup - das schwarze Jungunternehmer:innen unterstützt. Die Familie Diek - fünf Generationen Berliner Geschichte.
Autorin: Bettina Lehnert