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Die Server von OpenAI, den Entwicklern des KI-Chat-Programms "ChatGPT", sind oft schwer zu erreichen. Das Programm, das auf Fragen antworten und Texte schreiben kann, ist gerade in aller Munde und nicht immer zu erreichen. Und tatsächlich schreibt die Anwendung erstaunlich plausible Texte. Ähnlich wie "Dall-E" Bilder im Stil großer Meister auf Anweisung malt. Schon sehen die einen den Untergang einer jahrhundertealten Schreib- und Kunst-Kultur. Die anderen sehen eher die Chance auf die Erledigung stupider Textarbeiten.
Kürzlich bekam Nick Cave Post von einem Fan. Der hatte das Programm ChatGPT Songs im Stil von Cave erfinden lassen. Texte, die der australische Künstler aus oft schmerzhafter Erfahrung schreibt, von einer Sprachsoftware künstlich generiert? Nick Cave hält das für Blödsinn.
Charlotte Brandi, Musikerin
"Eine künstliche Intelligenz kann, glaube ich sehr viel. Aber sie kann nicht fühlen."
Auch die Berliner Musikerin Charlotte Brandi glaubt nicht an die neue Technik. Ihre Musik produziert sie in großen Teilen selbst. Ein langer, künstlerischer Prozess, begleitet von vielen kleinen und großen Entscheidungen.
Charlotte Brandi, Musikerin
"Es wird sich lustig gemacht über mein Hirn als Musikerin, über die Fähigkeit, mir etwas auszudenken, aus eigener Kraft und das niederzuschreiben, aufzunehmen. Ich werde weggemacht, ich werde vernichtet. Ich werde aussortiert."
Was Charlotte Brandi befürchtet, ist längst Realität: Der Song "Blue Jeans and bloody tears" wurde in Israel mithilfe von KI geschrieben. Herausgekommen ist ein passabler Hit.
Für den Schriftsteller Hannes Bajohr macht es keinen Unterschied, ob ein Song mit Künstlicher Intelligenz entsteht: Urheber ist immer der Mensch!
Hannes Bajohr, Schriftsteller
"Die Frage ist, wann ist etwas oder jemand ein Künstler? Und ich glaube dann, wenn er oder sie in der Lage ist, etwas zur Kunst zu erklären. Selbst wenn der Anteil, den diese Person an der Produktion des Werkes hat, ganz minimal ist, meinetwegen auch nur darin besteht, auf einen Knopf zu drücken. Aber diese Geste zu sagen, das ist Kunst, die kauft man bis jetzt nur Menschen ab. Und deshalb sage ich immer, es ist eigentlich keine technische Frage, ab wann KI Kunst kann, es ist eine soziale."
Hannes Bajohr bringt selbst Texte heraus, die ein Computer geschrieben. So hat er aus Dating-App-Profilen ein Gedicht generieren lassen.
Hannes Bajohr, Schriftsteller
"Dann hast du ganz viel Selbstbeschreibungen und die hintereinander auszugeben, das hat einen ganz komischen Effekt. Das liest sich so wie das Profil irgendeines Über-Daters. Und da lernt man übrigens auch sehr viel über Stil, wie die Leute sich präsentieren, wie sie schreiben. Und so weiter. Aber ich habe die Regel formuliert, habe sie angewandt auf einen Text. Der Text, der rauskommt, ist mein Text. Und genau diese Bewegung, etwas zu sagen, das ist jetzt Kunst, das ist jetzt Literatur. Genau diese Bewegung ist das, was eine KI eben nicht machen kann. Die KI kann von sich selbst aus nichts tun und schon gar nichts zu Kunst erklären."
Das muss sie auch nicht: Nach nur zwei Monaten zählt ChatGPT schätzungsweise 100 Millionen aktive Nutzer. Die Software wurde mit gewaltigen Mengen von Texten und Daten darauf trainiert, menschliche Sprache nachzuahmen.
Doch die Genialität der KI, sie hat ihre Grenzen!
Hannes Bajohr, Schriftsteller
"KI ist Eine Wahrscheinlichkeits-Maschine. Sie kann Wahrscheinliches herstellen. Das heißt, sie wäre sicher sehr gut darin, ein neues Shakespeare Sonett zu schreiben, etwas mit einer relativ klaren Struktur nachzumachen. Aber sie kann keine neue Form erfinden. Sie kann nicht bewusst Formen sprengen. Sie kann den Rahmen nicht verschieben dessen, was Kunst ist."
Juan S. Guse ist derzeit einer der originellsten Schriftsteller, seine Texte preisgekrönt. Er verwendet ChatGPT als Sparringpartner beim Schreiben.
Juan S. Guse, Schriftsteller
"Wenn ich eine Prämisse reinfütter und der kommt auf dieselben Ideen wie ich, dann finde ich das erst mal fragwürdig. Meine eigene Ideen. Ich will nicht die Maschine sein, ich will nicht wie die Maschine klingen oder ich will das, was die Maschine antizipiert, in irgendeiner Weise unterwandern. Und das ist es ja genau der gegenteilige Effekt. Dann schaltet es ja quasi eher Ressourcen frei."
In seinem Roman "Miami Punk" lässt Juan S. Guse an der Küste von Miami das Meer verschwinden. Wie würde die KI diesen Roman schreiben?
Juan S. Guse, Schriftsteller
""Der Ozean, der sonst immer unendlich weit und unbesiegbar wirkte, hatte sich zurückgezogen und hinterließ eine riesige, ausgetrocknete Bucht." Da finde ich zum Beispiel die Beschreibung an sich nicht uninteressant, "der Ozean, der unendlich weit" okay, das ist eine Plattitüde "und unbesiegbar wirkte". das erste Moment, wo ich so hellhörig werde. Ah, okay, hier ist irgendwie was Interessantes vergraben."
Für Juan S. Guse liegt die Herausforderung jetzt darin, angemessen auf KI zu reagieren.
Juan S. Guse, Schriftsteller
"Also gerade dieses noch mehr am Rad drehen, noch mehr auf die experimentelle Tube drücken, ist eigentlich genau die Reaktion, die es jetzt vielleicht brauch."
"Ich bin ein 533 Bürocomputer."
Der Traum vom selbstdenkenden Computer ist alt - wir sind ihm scheinbar ein Stück nähergekommen. Literatur und Kunst werden lernen, damit umzugehen. Doch wer bestimmt eigentlich die Regeln für die intelligenten Maschinen? Für Hannes Bajohr ist das die viel wichtigere Frage.
Hannes Bajohr, Schriftsteller
"Ein großes Problem ist wirklich, dass das alles private Institutionen sind. Das ist Google, das ist Open AI, das gehört jetzt zu 49 Prozent Microsoft, Elon Musk ist daran beteiligt. Die sind nicht demokratisch rechenschaftspflichtig. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir in drei, vier, fünf Jahren eine Bewegung haben zur Vergemeinschaftung von Sprachmodellen, weil sie einfach so mächtig sind und keiner Kontrolle unterliegen."
Autor: Maximilian Burk