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Ein neuer Animationsfilm von Ari Folman, will die Geschichte von Anne Frank einer jüngeren Generation zugänglich machen. Darin wird "Kitty", die imaginäre Brieffreundin aus dem Tagebuch, lebendig und macht sich im Jahr 2022 auf die Suche nach Anne.
Filmausschnitt, "Wo ist Anne Frank?", Regie Ari Folman, Kinostart: 23.02.
"Worauf wartest du noch Anne, pack deine Geschenke aus."
Es ist das Jahr 1942. Ihr Vater schenkt Anne Frank ihr Tagebuch. Jedes Kapitel darin beginnt sie mit "Liebe Kitty", sie schreibt Briefe an diese imaginäre Freundin. Diese Freundin Kitty interessiert Regisseur Ari Folman.
Ari Folman, Regisseur
"In ihrem Tagebuch beschreibt Anne ihre imaginäre Freundin Kitty ganz genau. Das ist eine sehr präzise Anleitung, wie wir sie zeichnen sollten: die Augen, die Lippen, die Nase, das Haar. Ich habe lange an dem Film gearbeitet, so mussten alle meine Kinder ihren Teil beitragen. Sie haben sozusagen Schichtdienst geleistet. Das größte Opfer war dann meine Tochter. Vieles an Kitty kommt direkt von ihr. Ich musste mir nur vorstellen, wie sie reagieren würde. Sie hat dieses Funkeln in den Augen, sie ist ein Rebell. Sie ist Kitty."
Die Kitty im Film weiß nicht, dass das Versteck der Familie Frank verraten und Anne im Konzentrationslager ermordet werden wird. Sie ist voller Hoffnung ihre beste Freundin bald wiederzusehen. Diese Mädchenfreundschaft, in der sich auch vieles um Jungs dreht, macht Anne wieder lebendig.
Filmausschnitt, "Wo ist Anne Frank?", Regie Ari Folman, Kinostart: 23.02.
Anne: "Bis vor einem Jahr waren noch alle Jungs in mich verliebt."
Kitty: "Was alle?"
Anne: "Natürlich, wirklich alle."
Ari Folman, Regisseur
"Ich wollte unbedingt die Ikonisierung von Anne Frank brechen. Diese Anne Frank, das war ein echter Mensch. Sie war sehr klug, brilliant, eine großartige Schriftstellerin. Dabei war sie witzig, hatte einen wunderbaren Humor. Manchmal war sie sehr gemein, besonders gegenüber den Erwachsenen. Sie war so viel klüger, als die meisten von ihnen und hat ihre Schwächen ausgenutzt, um sie persönlich zu verletzen. Sie war nicht diese große Ikone, das Mädchen im Versteck als universelle Projektionsfläche. Sie war real!"
Anne Frank wird 1929 in Frankfurt am Main geboren, und flieht mit ihrer Familie im Alter von vier Jahren vor den Nazis nach Amsterdam. Nach der Kapitulation der Niederlande sind die Franks auch hier nicht mehr sicher. Im Juli '42 tauchen sie unter und verstecken sich im Hinterhaus der Firma des Vaters Otto Frank.
Filmausschnitt, "Wo ist Anne Frank?", Regie Ari Folman, Kinostart: 23.02.
"Diese geheime Wohnung Kinder wird von nun an unser Versteck sein."
Annes Vater ist der einzige, der Krieg und Verfolgung überlebt. Er bringt 1947 die erste Ausgabe des Tagebuchs heraus. Neun Jahre haben Ari Folman und Produzent Yves Kugelman am neuen Film gearbeitet. Eine Geschichte, die oft verfilmt wurde, nun ein Animationsfilm.
Yves Kugelmann, Produzent
"Also im Grundsatz haben wir keine Dokumente, Filmaufnahmen, Fotos, Selfies, kein Handy war da in diesem Hinterhaus und dann auch nicht in der Zeit nach dem Tagebuch, in den sieben Monaten in den Konzentrationslagern. In dem Moment, wo man kein Material hat, von dem man ausgehen kann, sondern ohnehin sich das vorstellen muss, wie es gewesen war, kommt man der Geschichte in Form der Animation viel näher, weil man eben die Dinge aufbrechen kann."
Ari Folman, Regisseur
"Wenn wir keine neue Idee haben, wie wir Kindern diese besondere Geschichte vermitteln können, dann wird die Geschichte sterben. Sie wird verblassen, sie wird sich in Zahlen und Fakten verwandeln. Das ist das Ende. Sobald Annes Lebensgeschichte nicht mehr emotional ist, existiert sie nicht mehr."
Wie Anne Frank ermordet wird, erzählt der Film nicht. Kitty reist zur Gedenkstätte Bergen-Belsen. Hier sterben Anne und ihre Schwester Margot krank und unterernährt wenige Monate vor Kriegsende 1945. Ari Folmans Eltern sind Holocaust-Überlebende, sie waren in Auschwitz. Mit ihren Geschichten wächst er auf. Seine Mutter ist heute 100 Jahren alt und seine härteste Kritikerin.
Ari Folman, Regisseur
"Als ich meiner Mutter den Film zeigte, sagte sie den phantastischen Satz: Es ist ein sehr guter Film. Aber Ari, seien wir ehrlich, du hast doppelt so lange für diesen Film gebraucht, wie der Holocaust angedauert hat. Das ist mein letzter Holocaustfilm. Das war's. Ich kündige. Ich habe meinen Anteil beigetragen, neun Jahre meines Lebens gegeben. Es braucht diesen Film und für mich ist es das Größte nun nach Berlin zu kommen und zu hören, dass der Film vielen Schülern im Kino gezeigt werden soll. Deswegen haben wir ihn gemacht."
Ari Folman macht der nächsten Generation den Holocaust zugänglich durch die Augen der jungen Anne, dem Mädchen mit Wünschen, Träumen und einer ersten Liebe. Seine Homage an Anne Frank – ein sehr intensiver Film.
Autorin: Vera Drude