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Die Zahl der Israelis in Berlin wächst und auch viele Künstler:innen und Kreative kommen, auch weil in Israel Benjamin Netanjahu gerade eine Regierung gebildet hat - mit Rechtsextremen und Ultraorthodoxen. Plötzlich wird dort wieder über Kunstfreiheit gestritten.
Im Film "Kinder der Hoffnung" erzählt Regisseurin Yael Reuveny von ihrer Generation. Kinder, die in den 80ern aufwachsen und die auf ein besseres und sicheres Leben hoffen.
Filmausschnitt, "Kinder der Hoffnung", 2021 Regie: Yael Reuveny
"Wenn ich an das Jahr 1988 denke, erinnere ich mich daran, wie stolz ich war. In diesem Jahr wurde Israel 40 und wir wurden 8. 32 jüdische Kinder alle in Israel geboren, mit uns sollte ein Traum in Erfüllung gehen."
Dieser Traum geht immer mehr verloren. Seit 17 Jahren lebt die israelische Filmemacherin nun in Berlin. Sie hat sich für ein Leben im Exil entschieden, was ihr nicht leicht fällt.
Yael Reuveny, Regisseurin
"Mein Vater wurde im Irak geboren, die Familie meiner Mutter kommt aus Osteuropa, dass diese beiden Menschen sich getroffen haben und Kinder bekamen, die ohne Akzent Hebräisch sprechen, ist ein Wunder. Ohne Israel gäbe es mich nicht. Andererseits trug Idee eines demokratischen jüdischen Staats immer einen Widerspruch in sich. Und wir waren nie allein in diesem Land. Es war nie ein unbewohnter Landstrich, in den wir einfach hineingeflogen sind."
Premierminister Netanjahu und seine Regierung. Seit dem 29. Dezember regiert er mit extrem rechten und ultraorthodoxen Parteien zusammen. Viele liberale Israelis haben Angst, dass in ihrem Land die Demokratie ausgehöhlt wird und sie wichtige Grundrechte verlieren. Seit Wochen protestieren sie jeden Samstag zu zehntausenden in der Innenstadt von Tel Aviv. Der Filmemacher Dror Moreh verfolgt die Proteste von Berlin aus.
Dror Moreh, Regisseur
"Die israelische Gesellschaft ist politisch immer weiter nach rechts gerückt. Diese Entwicklung liegt in dem Israel-Palästina-Konflikt begründet. Wir haben Angst um unser Leben. Nach der Verfolgung im Holocaust, entstand die Überzeugung, dass wir uns mit allen Mitteln verteidigen müssen, damit das jüdische Volk nicht ausgelöscht wird. Wenn dazu noch extreme religiöse Gedanken kommen, dann hast du die explosive Mischung, die in Israel gerade entsteht."
In der kommenden Woche will das Parlament ein Gesetz verabschieden, in dem die Rechte des Obersten Gerichtshofs beschnitten werden. Wird es verabschiedet, kann die Knesset dessen Urteile einfach überstimmen. Und die freie Meinungsäußerung ist bedroht: es gibt Pläne, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzustellen und so unabhängige Berichterstattung zu erschweren. Regisseur David Wachsmann kritisiert in seinem Film die israelische Armee und ist nun Zielscheibe der neuen Regierung. In "Two kids a day" zeigt er, wie in den besetzten Gebieten methodisch palästinensische Kinder verhaftet werden, 500 bis 700 pro Jahr.
David Wachsmann, Regisseur
"Ich habe diesen Film gemacht, damit die Menschen auf der ganzen Welt das sehen. Aber auch die Menschen in Israel, weil sie davor die Augen verschließen, es nicht wissen wollen, dass 40 Minuten von hier Kinder im Gefängnis sitzen."
David Wachsmann soll nun die staatlichen Fördergelder zurückgeben, fordert der neue Kulturminister Miki Zohar. Eine solche Kritik an den Methoden des Staates soll in Zukunft unmöglich sein. Als Reaktion rufen Israels bekannteste Regisseure zum Boykott der Filmförderung auf, unter ihnen Nadav Lapid und Ari Folman - der nimmt es mit schwarzem Humor.
Ari Folman, Regisseur
"Wir könnten über die neue israelische Regierung sprechen. Dass wir für sie eine Loyalitätserklärung unterschreiben müssen, damit wir Gelder für unsere Filme bekommen. Nur kurz: ich bin ein loyaler Regisseur, ich respektiere das Land und die Flagge."
Aber auch er weiß, dass die Debatte um die Filmförderung nur ein Ablenkmanöver ist. Denn es geht um alles.
Yael Reuveny, Regisseurin
"Sie gehen an das Innerste der Staates. Diese Stellschrauben, die die Demokratie sichern, und die in Israel schon immer ein bisschen locker saßen werden nun komplett herausgedreht. Aber natürlich ist das uninteressant und keine griffige Schlagzeile."
Die Widersprüche der israelischen Gesellschaft thematisiert Dror Moreh schon vor zehn Jahren in seinem Film "The Gatekeepers". Hier sprechen sechs ehemalige Chefs des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet offen über ihre Zweifel und gescheiterte Einsätze.
Filmausschnitt, "Gatekeepers", Regie: Dror Moreh, 2012
"Die Luftwaffe warf eine Bombe mit der Sprengkraft von einer Tonne auf sein Haus ab. Leider wurden dabei unschuldige getötet."
Mit seiner Kritik an den Methoden des Geheimdienstes wollte Dror Moreh eine Diskussion anstoßen. Ob die israelische Filmförderung jetzt einen solchen Film unterstützen würde, ist fraglich.
Dror Moreh, Regisseur
"Israel ist meine Heimat, nichts kann das ändern. Ich bin aber sehr kurz davor, dass ich sage: das ist ein Ort, an dem ich nicht mehr leben möchte. Wenn die Regierung ihre Pläne umsetzt, wird es für mich sehr schwer werden überhaupt noch dorthin zu reisen."
Yael Reuveny, Regisseurin
"Mein Herz ist dort. Aber wir brauchen einen neuen Traum, eine Vorstellung was dieses Land sein soll."
My heart is there. But we need to find a new dream about what this place should be.
Autorin: Vera Drude