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Die Berliner Autorin Annika Reich engagiert sich für Geflüchtete, besonders für geflüchtete Schreibende. Mit dem Projekt "Weiter schreiben" hilft sie Autor*innen aus Kriegs- und Krisengebieten ihre Texte in Deutschland zu veröffentlichen. Das ist gerade jetzt eine große Aufgabe. Trotzdem hat sie die Ruhe gefunden, einen neuen Roman zu schreiben: "Männer sterben bei uns nicht".
Es sind Menschen mit unfassbaren Geschichten die Annnika Reich berühren und seit 7 Jahren in Anspruch nehmen. Eigentlich ist sie selbst Schriftstellerin, Vor 5 Jahren rief Sie etwas ins Leben, das es vorher nicht gab: "Weiter schreiben", eine Plattform für Autor:innen aus Kriegs- und Krisengebieten. Mit einem Team aus 12 Mitarbeitenden macht sie sich dafür stark, dass Schreibende im Exil ihre Stimmen nicht verlieren, dass ihre Texte sichtbar bleiben.
Annika Reich, Künstlerischen Leiterin "Weiter Schreiben"
"So eine Flucht ist ein extremer Bruch und wenn man auf die Flucht fokussiert, dann fokussiert man auf den Mangel, darauf, was alles verloren gegangen ist aber wenn man auf die Expertise sich konzentriert, das Schreiben, gibt es eine Konitnuität, die schließen an einen Teil der Identität an, der in Takt bleiben kann. Weiter Schreiben."
Annika Reich sorgt nicht nur für Übersetzung, illustration, Veröffentlichung, sie stiftet Freundschaften an. So genannte Tandems: wie zwischen der Lyrikerin Yirgalem Fisseah Mebrahtu aus Erithrea und dem Autor Fridolin Schley. Oder Katerina Poladjak aus Berlin und dem syrisch-palestinensischen Schriftsteller Abdalrahman Alqualaq.
Annika Reich, Künstlerischen Leiterin "Weiter Schreiben"
"Anfangs ist das wie ein Blind Date also manchmal klappt das auch nicht, wenn es funkt, geht es vor allem darum, dass Vertrauen aufgebaut wird, weil Vertrauen ist ein riesen Thema bei Weiter Schreiben."
Annika Reich beschließt 2015 zu handeln, als die Flüchtlingswelle plötzlich vor der eigenen Haustür angekommen ist.
Annika Reich, Künstlerischen Leiterin "Weiter Schreiben"
"Das hat mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Das hat so tiefgreifend meine Weltsicht und auch meine Sicht auf mich Selbst verändert."
Das eigene "Weiter Schreiben", das lag für Annika Reich in den letzten 8 Jahren auf Eis. Jetzt hat sie sich wieder Zeit genommen, für einen neuen Roman: Männer sterben bei uns nicht.
Annika Reich, Künstlerischen Leiterin "Weiter Schreiben"
"Wir Frauen der Familie wohnten in einem Anwesen am See, das vor Pracht, Verheißung und Verhängnis vibrierte, wie sonst nur große, destruktive Lieben. Allein in meiner Kindheit wurden zwei Frauen angeschwemmt, die sich aus Liebeskummer ertränkt hatten. Dass es ein unglücklicher Zufall war, erfuhr ich erst viel später, änderte aber nichts an der Tatsache, dass das Anwesen diese Anziehungskraft besaß, die für Frauen selten glücklich endete. Männer starben bei uns nie, Männer kamen und gingen."
Was beginnt, wie ein Krimi ist das Portrait einer Familie. Genauer gesagt: der Frauen einer Familie im Großbürgerlichen Milieu. Es geht um Macht, Familiengeheimnisse und dunkle Flecken in der Vergangenheit.
Als die Großmutter stirbt, muss sich die Ich-Erzählerin Louise entscheiden, ob sie das Erbe der Patriachin antreten will.
Annika Reich, Künstlerischen Leiterin "Weiter Schreiben"
"Es gibt ja diesen wunderbaren Spruch: wenn du denkst du bist erleuchtet, fahr mal nach Hause. Und ich dachte mir: Jetzt schaue ich es mir mal in der Keimzelle an. Wieso geht es oft in Feministischen Kreisen gut, in selbstgewählten Frauengemeinschaften - manchmal geht es ja auch überhaupt nicht gut, aber ich selbst habe erfahren: es gibt gelingende Zusammenkünfte und wieso ist es so unglaublich schwierig mit der eigenen Mutter, der eigenen Schwester, der Schwägerin, der Schwiegermutter, wir kennen das. Was ist das? Und das hat mit Scham zu tun?"
Obwohl Männer in dem Roman keine Rolle spielen, vergifteten männlich geprägte Strukturen das Zusammenleben der Frauen. Diese Strukturen zu durchbrechen, ist das Thema von Annika Reich.
Der Roman ist nicht biographisch, aber Annika Reich hat viel durch die Arbeit mit den anderen Autor:innen von "Weiter Schreiben" gelernt: Zu vertrauen und frei zu schreiben.
Annika Reich, Künstlerischen Leiterin "Weiter Schreiben"
"Ich bin unglaublich erleichtert, dass dieses Buch jetzt raus ist, wie zwischendurch bab ich durch meine Arbiet mit Weiter Schreiben und Wir Machen Das, gedacht, vielleicht kann ich auch gar nicht mehr zurück zu meinem eigenen Schreiben finden, dass ich es dann auch zu Ende gebracht hab und mit Menschen darüber sprechen kann, ist ein großes Glück für mich."
Autorin: Charlotte Pollex