
-
Das zeitgenössischer Tanz in Deutschland populär geworden ist, ist vor allem ihr Verdienst: Sasha Waltz. Sie hat sowohl die freie Tanz-Szene unterstützt, als auch an den großen Theaterhäusern gearbeitet und ihre Choreographien sogar mit Oper kombiniert. Diese Woche feiert Sasha Waltz ihren 60. Geburtstag und im Radialsystem in Berlin hat ihr neues Stück zu Beethovens 7. Sinfonie Premiere. Das ist natürlich wieder ausverkauft.
"Ist der echte, wahre Mensch, Sklave seiner Umgebung oder frei?" schrieb Ludwig van Beethoven 1812 in sein Tagebuch. Ein Jahr später erlebte seine 7. Sinfonie ihre Uraufführung, eine Sinfonie von der es heißt, dass sie ausgesprochen tänzerisch daherkommt. Sasha Waltz hat diese Einladung zum Tanz angenommen. Bereits 2021 choreografierte sie zwei Sätze und brachte sie im griechischen Delphi zur Aufführung. Im Radialsystem, ihr ureigenen Berliner Wirkungsstätte. bringt sie nun das ganze Werk auf die Bühne.
Sasha Waltz, Choreografin
"Ich habe begonnen mit Interviews mit den Tänzern, untereinander haben wir uns gegenseitig interviewt. Und da gab es für uns alle die Frage, wo stehen wir mit unserer individuellen Freiheit versus Zusammenhalt in der Gesellschaft und auch die Verantwortung, die wir haben. Wir müssen auch auf die Schwächsten, auf die Gebrechlichen auch gucken. Und ist unsere Gesellschaft dazu in der Lage?"
Doch der neue Tanzabend beginnt nicht mit Beethovens 7., sondern mit betäubender elektronischer Musik des chilenischen Komponisten Diego Noguera. "Freiheit/Ekstasis" heißt sein Werk, dass er gemeinsam mit der Tanzcompagnie von Sasha Waltz entwickelte.
Diego Noguera, Komponist
"Wir haben die ersten 3 Wochen zusammen geprobt. Ich habe mit der Musik improvisiert und sie haben sich dazu bewegt und getanzt. Dadurch sind Momente entstanden, so haben wir eine Sprache zusammen entwickelt."
Sasha Waltz, Choreografin
"Diegos Stück "Freiheit/Ekstasis" ist ein gigantischer Klangraum, eine Klangwolke, in die wir eintauchen, die uns manchmal trägt, manchmal bedroht, manchmal befreit."
Diego Noguera schafft ein Klangewitter von atemberaubender Wirkung, in dem sich die Tänzer verknäulen, verbünden, verbrüdern, verlieren und wiederfinden. Freiheit ist hier kein Freudentanz, sondern eine Suche.
Diego Noguera, Komponist
"Irgendwie habe ich mich beeinflussen lassen von Beethovens Musik. Ich finde, es ist eine Musik, die keine Angst vor Gefühlen hat. Dadurch entstehen ganz komplexe Strukturen, weil Gefühle sind sehr komplex."
"Und ich habe sehr schnell mitbekommen, dass auch Sasha keine Angst vor Gefühlen hat."
Und damit sind wir beim 2. Teil dieses Tanzabends - Beethovens 7. Ein Tanz um die Freiheit, um verlorene Ideale, vergebene Hoffnungen, verratene Utopien.
Sasha Waltz, Choreografin
"Das ist ja seine Reaktion auf seine Desillusion, auf die Befreiungskämpfe, von Napoleon völlig enttäuscht, weil er hatte Hoffnung darin gehabt, dass es zu einem Wandel in der Gesellschaft kommen wird."
Das berühmte Allegretto, der 2. Satz, Weltschmerz und Trauermarsch. Eine wundersame Elegie über das Menschsein.
Und dann bäumt sich die Musik wieder auf. Und Sasha Waltz’ Akteure tanzen sich durch alle Geschicke des Lebens, wild, verliebt, verzweifelt, lustvoll und enthusiastisch.
Sasha Waltz, Choreografin
"Dieses Wiederholende, dieses Treibende, Beharrende auch, also dass es immer weiter geht, das hat auch etwas sehr Kämpferisches."
Sasha Waltz, Choreografin
"Ich glaube, im Körper können wir sehr viel erzählen, dass wir auch kommunizieren können auf ganz tiefen Wellen mit dem Publikum. Und auch wie wir im Körper sind, wie wir im Körper leben, wie wir miteinander leben. Der Tanz kann auch Fragen stellen, er kann sehr kritisch sein, er kann auch sehr bedrückende Bilder schaffen, aber man kann auch unendlich viel Energie bekommen. Und ich glaube, dass dieser Abend hoffentlich beides hat."
Das hat er. Und Berlin ein neuen großartigen Tanzabend.
Autor: Lutz Pehnert