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Auf Herbert Grönemeyer und seine Musik können sich fast alle einigen. Wenn er eine neue Platte macht, ist das ein Ereignis. Diese Woche hat er: "Das ist los" in Berlin veröffentlicht. Gute Musik und starke Texte - obwohl er texten auf Deutsch mit Vollkornbrot vergleicht. Man braucht festen Biss, um der Sprache Schönheit abzuringen.
Die Brille ist neu, die Haare mittlerweile eher weiß als blond.
Herbert Grönemeyer diese Woche in Berlin.
Das Rentenalter hat er erreicht. Ruhe gibt er nicht. Auf seinem neuen Album zieht er Bilanz in schwierigen Zeiten.
So fängt es an: Zweifelnd, verzweifelt. Krieg, Klima, Pandemie – nichts bleibt ausgespart. Nur um sich dann doch zur großen Pop-Hymne aufzuschwingen.
Die Hand, die uns hält: Das sind wir selbst – alle – singt Herbert Grönemeyer. Seit über 40 Jahren erkundet er in seinen Liedern die deutsche Seelenlage. Auch, wenn er selbst das gar nicht gerne hört…
Herbert Grönemeyer, Musiker
"Ich bin kein Chronist deutscher Befindlichkeit, sondern ich lebe hier wie andere Menschen auch. Und ich singe von meinem Umfeld, von meinem Leben. Ich bin jetzt 66, werde bald 67 und ich habe meine Sehensweise auf dieses Land. ich leb ja lange genug. Und für mich war Musik immer, so bin ich groß geworden, war immer auch, Rockmusik war für mich auch Protest. Das war immer Aufruhr, das war Aufbruch."
Mit Rock’n’Roll fing alles an – als Theatermusiker in Bochum.
Mit Liedern über sich und seine Stadt wurde er berühmt.
Und natürlich damit:
"Männer nehmen in den Arm, Männer geben Geborgenheit, Männer weinen heimlich..."
Die Selbstbefragung des jungen Künstlers als Mann:
"Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich…"
Wann ist ein Mann ein Mann – diese Frage ist heute immer noch so aktuell wie vor 40 Jahren. Ein Herbert allein macht eben noch keinen neuen Mann…
Herbert Grönemeyer, 1984
- "Glaubst du, dass Lieder was verändern können? Also zumindest ein Bewusstsein schaffen?"
"Das glaub ich schon."
Herbert Grönemeyer, Musiker
"Ich glaube jetzt nicht, dass ich spezifisch jetzt allein veränder‘. Ich glaube schon, dass Musik und Kultur verändern kann. Das denke ich schon, dass das Bewusstsein verändern kann. Man sieht es auch im Iran, wie stark, wie wichtig da Musik ist, wie stark sich das System auch auf Rapper stürzt, die das System angreifen. Da sieht man, wir sind zu Irritationen in der Lage. Wir sind aber nicht diejenigen, die den Kampf leisten, sondern wir leisten Anschub."
"Wir schaffen uns nicht ab…"
Auch auf seinem neuen Album gibt Herbert Grönemeyer den Mutmacher. Manchmal klingt er fast ein bisschen zu routiniert, um wirklich zu verfangen…
Herbert Grönemeyer, Musiker
"Ich texte schon sorgfältig und gebe mir Mühe, protestantisch, wie ich nun mal bin. Und mein Vater sagt: Mach das ordentlich. Wenn ich drin bin, im Wort-Wahn, ist es gut, aber umso älter man wird, man hat schon jeden Reim benutzt, man hat viele Worte benutzt, man bleibt an Worten hängen – schon wieder das Wort, dem wäre ich jetzt gerade nicht gerne begegnet, könnte das mal weggehen oder so. Man ist in so einem Wort-Kampf, und das macht Spaß, aber manchmal ist es auch frustrierend."
"Ich fühl mich leer und verbraucht / alles tut weh / hab Flugzeuge in meinem Bauch…."
Dabei ist mit Worten zu berühren seine eigentliche Kunst. Die alten Geschichten von Liebe, Verlust, Schmerz neu und ungehört klingen zu lassen.
"Oh, gib mir mein Herz zurück"
Manches war dem eigenen Leben abgerungen. In "Mensch" 2002 verarbeitete er den Tod seiner Frau Anna.
"Is schon ok, es tut gleichmäßig weh…"
Es wurde sein größter Erfolg.
"Der Mensch heißt Mensch, weil er erinnert, weil er kämpft,..."
Aber was ist Erfolg für einen Musiker, der seit 1984 mit jedem Album auf Platz Eins landet?
Herbert Grönemeyer, Musiker
"Erfolg ist, wenn man ein Lied geschrieben hat, was jemandem was erzählt. Gerade neulich hat mich ein Mann angesprochen am Bahnhof in Potsdam, und er hat mir gesagt, ich möchte Ihnen mal sagen, ich höre Ihre Musik schon wahnsinnig lange. Und wissen Sie, ich wollte Ihnen das einfach mal sagen – schon damals noch in der DDR – und wissen Sie, was mein Lieblingslied ist? Und dann sage ich: Nein. – Grönland. Da habe ich gesagt: Oh! Da ging‘s genau damals um die Sprachlosigkeit zwischen Ost und West, 1993."
"Ich seh‘ kein Land / Seh‘ kein Ende / Seh‘ kein Ein kein Aus."
Herbert Grönemeyer, Musiker
"Das sind so Momente, wo man sagt: Aha, was du machst, fällt nicht. Da steckt irgendwas drin, das ist Erfolg, das ist die Schönheit."
Nun feiert er also die Kraft der Gemeinschaft. In ein paar Wochen wird er 67 – sein jüngster Sohn: 4. Doch Herbert Grönemeyer geht auch dem Älterwerden mit Mut entgegen.
Herbert Grönemeyer, Musiker
"Mein Vater hat immer beschrieben, hat immer gesagt, man wird als Mensch wie ein Baum, immer toller, immer stärker, immer kräftiger und dann irgendwann fällt man um. Und dann können die Kinder, die in dem Schatten groß geworden sind, dann können die weiterwachsen. Also der hat das Alter immer beschrieben als etwas Wachsendes, was Reifendes. Und so versuche ich das auch zu sehen, bis ich merke, das lässt nach."
Autor: Tim Evers