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Die Regisseurin Sophie Linnenbaum hat an der Filmuniversität Babelsberg studiert und ihr Abschlussfilm "The Ordinairies" ist bezaubernd. Eine große Liebeserklärung an das Kino, gedreht unter anderem in Potsdam und Eisenhüttenstadt. Gemeinsam mit Ihrem Team, hat sie eine ganz eigene Welt entworfen, in der Nebendarsteller die Hauptrollen spielen und Fehlbesetzungen die stillen Helden sind.
Premiere in der KulturBrauerei: Große Auftritt für das ganze Team von THE ORDINARIES.
Gefühl und Glamour – wie in einem Hollywood-Musical der 50er Jahre leben die Hauptfiguren in THE ORDINARIES. Der Film, eine turbulente Satire auf eine fiktive "Film-Gesellschaft".
"Und nun zu Ihnen, junges Fräulein. Was ist es, das Sie suchen?"
Am anderen Rand: die düstere Welt der Geächteten – der aus dem Film Geschnittenen, der "Outtakes".
"Paula, kommst du mal?"
Mittendrin: Paula, eine "Nebenfigur". Sie studiert "Hauptfigur", träumt davon aufzusteigen.
Regisseurin Sophie Linnenbaum liebt Film, weil sie gern in andere Welten schaut – und dabei Fragen stellt: Was hat das Kino mit dem Leben zu tun? Das hat sie bereits bei ihrem ersten, preisgekrönten Kurzfilm beschäftigt.
Sophie Linnenbaum, Regisseurin
"Ich habe ja schon mal einen Film gemacht über einen Typen, der so einsam ist, dass er aus dem Bild fällt. Und da versucht wieder reinzukommen. Und deshalb war diese Welt auf jeden Fall schon mal geboren und das Gefühl, einerseits weil es total Spaß gemacht hat und andererseites, dass ich total schön in Kontakt komme mit Leuten, die mir sagen: sie fühlen sich nicht gesehen oder nicht im Bild."
Wie Paula im Film, die nach ihrem Part in der Film-Gesellschaft, nach ihrer Rolle im Leben sucht.
"Sie besuchen die Hauptfigurenschule.
- "Ja, seit 5 Jahren. Zeitlupe, pathetische Monologe… Im panischen Schreien bin ich Klassenbeste. Soll ich’s vormachen?"
Fine Sendel, Schauspielerin
"Es spielt in einer Welt in der wortwörtlich alles wie im Film ist und die Gesellschaft ist stark aufgesplittet in drei Kategorien: Hauptfiguren, Nebenfiguren und Outtakes. Und die Outtakes werden gejagt, geächtet, verfolgt, stark diskriminiert."
"Was guckst du denn so blöd?"
- "Sie sitzen falsch. Das ist für Outtakes gesperrt."
Nur "Hauptfiguren" haben in der Film-Gesellschaft von THE ORDINARIES Gefühle. Ob Paulas groß genug sind für den Aufstieg, misst ein kleiner Sensor über ihrem Herz.
"Hier übe ich Gefühle."
- "Angst?"
"Trauer."
- "Dein Herz-Laser klingt wunderschön, mein Schatz. Du wirst eine wundervolle Hauptfigur."
Sophie Linnenbaum, Regisseurin
"Ich wollte etwas machen über diese Frage: Wer erzählt Geschichten, wer hat Einfluss auf Geschichten, wer wird gesehen? Da bot sich diese filmische Welt natürlich an, in der es ja auch immer um die Frage von Geschichten geht."
In THE ORDINARIES spielt Sophie Linnenbaum mit klassischen Genres und Figurenklischees.
Was wäre der Film ohne die graue, gesichtslose Masse der Komparsen?
Und was passiert, wenn man Filme zurückspult oder die Perspektive wechselt? Paula sucht im Erinnerungs-Archiv nach Spuren ihres toten Vaters.
"Das ist wunderschön."
Doch sie findet nichts. War er doch keine "Hauptfigur", hat ihre Mutter Paula belogen, hat sie einem falschen Glücksversprechen vertraut?
"Tut mir leid."
Sophie Linnenbaum, Regisseurin
"Die Geschichte unserer Hauptfigur, die eine Nebenfigur ist, die eine Hauptfigur werden möchte. Also ihre Suche nach ihrer eigenen Identität, verbunden mit ihrem Vater, die gleichzeitig eine Suche und Entdeckungsreise in dieser Welt ist."
Hollywood made in Babelsberg: THE ORDINARIES erzählt vom Film-Leben derer, die es geschafft haben. Und von den Fehl- oder Falschbesetzungen, gescheiterten Helden - aus dem System Gefallenen.
Sophie Linnenbaum, Regisseurin
"Auf den ersten Blick ist es vielleicht eine Liebeserklärung an den Film, aber eigentlich ist eine Geschichte über unsere Gesellschaft im Kapitalismus: Warum müssen wir diese Klassenstrukturen – wie viele Klassen auch immer es sein mögen, oder Unterschiede -, aber dies Oben und Unten, warum brauchen wir ein Oben und ein Unten?"
Es ist die alte Frage nach "Wir und Die", "Dazugehören oder nicht" – nach der Macht der Narrative.
"Hannah?"
- "Ja?"
"Glaubst du, dass alle Geschichten vorbestimmt sind?"
Sophie Linnenbaum, Regisseurin
"Die zentralen Aussagen im Film sind auf jeden Fall, dass es ganz ok ist, nicht zu wissen wer man ist. Dass man sich da Zeit nehmen kann, das herauszufinden und dass man aber auch ein Recht darauf hat, das irgendwie in Erfahrung bringen zu dürfen."
"Ich bin einfach überhaupt keine richtige Hauptfigur. Meine Gefühle, die sind nicht groß genug."
Stolz darauf, gewöhnlich zu sein: Im Kino wie im Leben. Was, wenn wir den Nebenrollen ein wenig mehr Achtung entgegenbrächten? Ein bisschen Utopie muss sein, gerade jetzt wieder, wo die Wirklichkeit wieder so viele trostlose Stories schreibt.
Sophie Linnenmann, Regisseurin
"Lasst uns alle versuchen, die Geschichten infrage zu stellen und den Leuten eine Chance zu geben, die bisher die Geschichte nicht gestalten konnten, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Change the story, change the world – hat noch nie jemand vor mir gesagt! Aber ich glaube daran."
Und das sieht man THE ORDINARIES an: Sophie Linnenbaums Film, der das Leben meint, ist ein mitreißendes Kinoerlebnis, voll überraschender Begegnungen.
"Entschuldigung…. Ja, hallo. Ich hab hier ein Cameo. Wisst ihr, wo ich da hin muss?"
- "Da hinten, da rechts."
"Ah ja. Danke."
- "Kein Ding."
Autor: Andreas Lueg