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Als der Sozialismus noch Hoffnung hatte, irgendwann zwischen 1950 und 1980, konnte es in der DDR und im Ostblock richtig schick zugehen. Eine schöne neue Welt, moderne Architektur und poppige Gebrauchsgegenstände wurden entworfen. Das schönste Design hat das Berliner Kunstgewerbemuseum jetzt aus den Ländern des Ostblocks zusammengetragen, in der Ausstellung "Retrotopia".
Und der Zukunft zugewandt: Nach dem zweiten Weltkrieg entwerfen Gestalter in Osteuropa neue Innenarchitektur, neue Möbel und Gebrauchsgegenstände für den neuen Menschen im Sozialismus. Design dient zur Geschmacksbildung und natürlich ist es politische Demonstration des Fortschritts gegenüber dem Westen.
Die Ausstellung "retrotopia design for sozialist spaces" im Kunstgewerbemuseum zeigt Design aus zwölf sozialistischen Ländern aus den Jahren 1950 bis 1989.
Claudia Banz
"Ich glaube, die große Euphorie ab den 50er Jahren bestand darin, dass alles machbar ist. Also Dank technischem Fortschritt ist alles machbar, der Weltraum wird erobert das Space Race steht sozusagen paradigmatisch für diesen ganzen Fortschrittsglauben."
1962: Der sozialistische Vorsprung im Weltraum. Sputnik prägt sogar einen litauischen Stausauger: "Saturnas". Alles ist möglich: trotz seiner 7 Kilo scheint er Chruschtschows Versprechen einzulösen, die USA in Sachen Haushaltstechnik zu übertrumpfen.
Karolina Jakaité
"Dieser Staubsauger, wurde damals damit beworben, dass er nicht nur reinigen kann, sondern auch Wände streichen kann und weitere Funktionen hat. Multifunktionalität müssen wir als utopische Idee verstehen. Sie warben sogar dafür, dass man mit ihm fliegen kann, Haushaltsarbeiten gehen ganz einfach von der Hand."
Genormte Möbel für genormte Wohnungen: Das sogenannte Systemdesign. Die Sitzelemente des estländischen Designers Bruno Tomberg von 1972 können als Tisch und als Wandbausteine genutzt werden. Er spielt mit Material, Form und Gebrauch. Leben im Wohnlabor.
Ein anderes Beispiel für Systemdesign die Schrankwand, Marke "Radikál" aus Tschechien von 1971 für den gehobenen Geschmack. Sie passt sich an die Bedürfnisse – und den Grundriss an: Der Schrank ist bis zu viermal teilbar je nach Wohnraumgröße.
In den 1970er Jahren erlebt die Innenarchitektur in der Slowakei einen Aufschwung. Ein Entwurf für die Regierungslounge im Flughafen von Bratislava. Das Interesse der Designer an neuen Technologien drückt sich aus im sogenannten "Hightech-Stil" aus.
Ein anderes Repräsentationsobjekt ist das Hotel Thermal in Karlsbad im heutigen Tschechien, - im Stil des Brutalismus mit Sichtbeton und geometrische Formen erbaut. Seit dem Prager Frühling haben tschechische Designer mehr künstlerische Freiheiten. So entwirft das Architektenpaar Vera und Vladimir Machonin in den 1960er Jahren Gebäude und Inneneinrichtungen und reist dafür sogar in den Westen.
Helena Huber Doudová
"Das Hotel ist teilweise immer noch als Original erhalten, die Möbel werden immer noch benutzt und teilweise auch die Wandverkleidung, zum Beispiel dieser rote Konferenzsaal ist immer noch in Betrieb es gab eine ganze Reihe von Sallons und viele Glasobjekte sind noch immer auch in dem Hotel erhalten."
Die Designer gestalten auch technische Zukunftsvisionen: Eine sogenannte "Heim-Informations-Maschine" – entwickelt vom russischen Designteam VNIITE 1969. Oder die von ihnen gestaltete Vision einer "Superfunktionalen Informations- und Kommunikationseinheit". Sie nimmt in den 1980er Jahren das heutige "Smart Home" vorweg.
Und natürlich ist Gestaltung auch immer Teil des Kampfes der Systeme: Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Ost-Berlin stehen im direkten Wettbewerb zur Olympiade in München ein Jahr zuvor. Sie sollen einen weltoffenen Sozialismus bewerben. Von der Kunsthochschule Weissensee werden dazu farbenfrohe Entwürfe für den Stadtraum und für Plakate gestaltet.
Claudia Banz
"Die Farben stehen tatsächlich für die größtmögliche Vielfalt, also das ist, glaube ich die wichtigste Botschaft. Und wenn man sich die anderen Entwürfe der vorherigen Weltfestspiele anschaut, dann merkt man schon die Differenz. Also so farbenfroh, - das hat es so noch nie gegeben. Das war wirklich eine Sensation."
Der Sozialismus in Osteuropa wird oft mit Mangelwirtschaft und Tristesse verbunden. Aber wer in der Ausstellung die Designideen anschaut, ist überrascht, wie kreativ und bunt das private und öffentliche Leben gestaltet werden sollte.
Autorin: Margarete Kreuzer